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3Ms 15-Prozent-Regel: Was Mike Romans Innovationskultur deutschen Industrieunternehmen voraus hat

Freiheit als Innovationsmotor: Bei 3M ist die 15-Prozent-Regel mehr als nur ein Personalkonzept – sie ist das Herzstück einer Unternehmenskultur, die bahnbrechende Innovationen wie Post-it Notes hervorgebracht hat. Mike Roman hat als CEO dieses Erfolgsmodell konsequent weiterentwickelt und damit 3M zu einem der innovativsten Konzerne weltweit gemacht. Während deutsche Industrieunternehmen oft noch in starren Strukturen verharren, zeigt der amerikanische Konzern, wie kreative Freiräume systematisch in Wettbewerbsvorteile umgewandelt werden können.

Die Magie der 15-Prozent-Regel: Wie 3M Freiraum in Marktvorteile verwandelt

Bei 3M dürfen Mitarbeiter 15 Prozent ihrer Arbeitszeit in eigene Projekte investieren – ohne Genehmigungsverfahren, ohne Rechtfertigungsdruck, ohne unmittelbaren Erfolgszwang. Was zunächst nach verschenkter Produktivität klingt, entpuppt sich als geniales Innovationssystem. Die Idee dahinter ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Gebt talentierten Menschen Raum für Experimente, und ihr werdet mit bahnbrechenden Ideen belohnt.

Besonders eindrucksvoll zeigt sich der Erfolg dieser Strategie am Beispiel der weltberühmten Post-it Notes. Dr. Spencer Silver erfand 1968 den Klebstoff, der später zur Grundlage der Post-it Notes wurde, nicht während der 15%-Zeit. Art Fry hörte 1974 von Silvers Klebstoff in einem Seminar und nutzte ihn für Lesezeichen in seinem Gesangbuch. Das Produkt wurde 1977 als „Press ’n Peel“ getestet und 1980 als „Post-it Notes“ landesweit eingeführt.

Was das 3M-Modell von anderen Innovationsinitiativen unterscheidet: Es ist kein temporäres Programm, sondern tief in der Unternehmens-DNA verankert. Mitarbeiter werden aktiv ermutigt, über den Tellerrand zu blicken und unkonventionelle Wege zu gehen – selbst wenn diese zunächst nicht zum Kerngeschäft passen.

Mike Roman: Der Mann, der Innovationskultur zur Chefsache machte

Mike Roman verkörpert wie kaum ein anderer das Innovationsprinzip von 3M. Seit seinem Eintritt ins Unternehmen 1988 durchlief er verschiedene Führungspositionen, bevor er 2018 zum CEO aufstieg und die Position bis zu seinem Übergang zum Executive Chairman im Mai 2024 innehatte. Was Roman auszeichnet, ist sein tiefes Verständnis dafür, dass echte Innovation nicht von oben verordnet werden kann, sondern einen fruchtbaren Boden braucht, um zu gedeihen. Unter seiner Führung wurde die 15-Prozent-Regel nicht nur beibehalten, sondern systematisch mit modernen Managementmethoden verbunden und weiterentwickelt.

Systematische Kreativität: Wie 3M Innovation messbar macht

Bei 3M ist Innovation kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis eines durchdachten Systems. Das Unternehmen kombiniert die Freiheit der 15-Prozent-Regel mit klaren Strukturen, die Ideen vom Konzept zur Marktreife begleiten.

Dazu gehören interne Innovationswettbewerbe, bei denen Mitarbeiter ihre Projekte vorstellen und Unterstützung gewinnen können. Interdisziplinäre Teams bringen verschiedene Perspektiven zusammen und verhindern das berüchtigte Silodenken.

Ein ausgeklügeltes Mentorensystem sorgt dafür, dass junge Talente von erfahrenen Innovatoren lernen können. Wer eine vielversprechende Idee hat, bekommt nicht nur Zeit, sondern auch Ressourcen und fachliche Unterstützung.

Besonders bemerkenswert: 3M misst den Erfolg nicht nur an kurzfristigen Kennzahlen, sondern hat den „New Product Vitality Index“ (NPVI) etabliert – ein Maßstab dafür, wie viel Umsatz mit Produkten erzielt wird, die in den letzten fünf Jahren entwickelt wurden. Der NPVI wurde 1988 von 3M eingeführt. 3M strebt durchschnittlich 30% an – das bedeutet 30% des Gesamtumsatzes stammt von Produkten, die weniger als fünf Jahre alt sind. 2012 lag der NPVI bei 33%, mit dem Ziel 40% bis 2017 zu erreichen.

Die deutsche Innovationsbremse: Warum tun wir uns so schwer?

Wenn wir auf die deutsche Industrielandschaft blicken, stellt sich unweigerlich die Frage: Warum haben wir keine flächendeckende 15-Prozent-Kultur? Die Antwort liegt in einer Kombination aus kulturellen Faktoren und organisatorischen Strukturen.

Deutsche Unternehmen sind traditionell stark hierarchisch organisiert, mit klaren Berichtswegen und definierten Zuständigkeiten. Diese Struktur hat durchaus Vorteile – sie schafft Verlässlichkeit und Qualität. Doch sie kann auch kreative Impulse im Keim ersticken, wenn Ideen erst mehrere Genehmigungsebenen durchlaufen müssen, bevor sie erprobt werden dürfen.

Hinzu kommt eine ausgeprägte Risikoaversion. Während in der amerikanischen Wirtschaftskultur Scheitern oft als wertvoller Lernprozess gesehen wird, haftet ihm in Deutschland noch immer ein Stigma an. „Fail fast, learn faster“ ist ein Mantra, das hierzulande erst langsam Fuß fasst.

Pioniere in Deutschland: Erste Erfolgsgeschichten der Innovationsfreiheit

Doch es gibt Hoffnung. Einige deutsche Unternehmen haben das Potenzial freier Innovationsmodelle erkannt und adaptieren sie für ihre Bedürfnisse.

Bei Bosch beispielsweise gibt es mit dem „Bosch Internal Startup“ (BIS) ein Programm, das Mitarbeitern ermöglicht, eigene Geschäftsideen zu entwickeln – mit Unterstützung des Konzerns, aber ohne die üblichen bürokratischen Hürden. Siemens setzt auf „Innovation Days“ und „Hackathons“, bei denen interdisziplinäre Teams in kurzer Zeit neue Lösungsansätze entwickeln.

Die Deutsche Telekom hat mit dem „Telekom Innovation Pool“ einen Inkubator geschaffen, der vielversprechende Mitarbeiterideen mit Kapital und Expertise unterstützt. Und SAP fördert mit dem „SAP Intrapreneurship Program“ unternehmerisches Denken innerhalb der eigenen Reihen.

Was diese Programme gemeinsam haben: Sie schaffen Freiräume für Kreativität, reduzieren Hierarchien und belohnen Initiative. Doch im Gegensatz zum 3M-Modell sind sie oft zeitlich begrenzt oder nur für ausgewählte Mitarbeitergruppen zugänglich.

Der entscheidende Unterschied: Kulturelle Integration statt Innovationstheater

Viele deutsche Unternehmen betreiben, was Experten als „Innovationstheater“ bezeichnen: Sie schaffen zwar Programme und Initiativen, aber diese bleiben isolierte Inseln in einer ansonsten unveränderten Unternehmenskultur. Der entscheidende Unterschied zu 3M: Dort ist Innovation nicht ein Projekt unter vielen, sondern fundamentaler Bestandteil der Unternehmensidentität.

Genau hier liegt die Stärke des 3M-Modells: Die 15-Prozent-Regel ist nicht verhandelbar, sondern ein festes Recht jedes Mitarbeiters. Sie wird von der Führungsebene vorgelebt und in Mitarbeitergesprächen aktiv thematisiert. Wer seine Innovationszeit nicht nutzt, verschenkt einen wertvollen Vorteil.

Rechtliche und organisatorische Hürden überwinden

„In Deutschland könnten wir das nie umsetzen“ – dieses Argument hört man oft, wenn es um freie Innovationsmodelle geht. Doch stimmt das wirklich?

Aus rechtlicher Sicht spricht nichts gegen flexible Arbeitszeitmodelle, die Raum für Kreativität lassen. Das deutsche Arbeitsrecht erlaubt durchaus Gestaltungsspielräume, solange Kernarbeitszeiten und Erreichbarkeit klar definiert sind. Auch tarifvertragliche Regelungen können entsprechend angepasst werden – wie erfolgreiche Beispiele aus der deutschen Industrie zeigen.

Die größere Herausforderung liegt in der Organisation: Wie stellt man sicher, dass das Tagesgeschäft nicht leidet, wenn Mitarbeiter 15 Prozent ihrer Zeit in eigene Projekte investieren? Die Antwort liegt in einer klugen Balance zwischen Struktur und Freiraum. Bei 3M werden klare Prioritäten gesetzt, und die Innovationszeit wird als fester Bestandteil der Arbeitsplanung berücksichtigt – nicht als zusätzliche Aufgabe obendrauf.

Ein weiterer kritischer Faktor: Transparenz. Jeder muss wissen, woran Kollegen in ihrer Innovationszeit arbeiten, um Doppelarbeit zu vermeiden und Synergien zu nutzen. Digitale Kollaborationsplattformen können hier wertvolle Dienste leisten.

Der Fachkräftemangel als Innovationstreiber

Der akute Fachkräftemangel könnte sich ironischerweise als Katalysator für mehr Innovationsfreiheit in deutschen Unternehmen erweisen. Im Wettbewerb um die besten Talente werden kreative Arbeitsmodelle zunehmend zum entscheidenden Faktor.

Unternehmen, die ihren Mitarbeitern diese Freiräume bieten, haben einen klaren Vorteil im Recruiting. Das zeigen auch die Erfahrungen bei 3M: Die Fluktuation ist deutlich niedriger als im Branchendurchschnitt, und in Mitarbeiterbefragungen wird die Innovationskultur regelmäßig als einer der wichtigsten Bleibefaktoren genannt.

Für deutsche Industrieunternehmen bedeutet das: Wer im Kampf um die besten Köpfe bestehen will, muss über starre Strukturen hinausdenken und kreative Freiräume schaffen.

Die digitale Transformation als Chance

Die fortschreitende Digitalisierung bietet ideale Voraussetzungen, um Innovationsmodelle wie die 15-Prozent-Regel auch in traditionelleren Unternehmensstrukturen zu etablieren. Moderne Kollaborationstools ermöglichen es, Ideen transparent zu teilen, gemeinsam weiterzuentwickeln und den Fortschritt zu dokumentieren – unabhängig von Hierarchien oder Abteilungsgrenzen.

Auch die zunehmende Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort spielt innovativen Arbeitsmodellen in die Hände. Wenn Mitarbeiter selbstbestimmter arbeiten können, fällt es leichter, Freiräume für eigene Projekte zu schaffen.

3M hat dieses Potenzial früh erkannt und die 15-Prozent-Regel konsequent mit digitalen Werkzeugen kombiniert. Unter Mike Romans Führung wurde eine unternehmensweite Innovationsplattform eingeführt, die es Mitarbeitern ermöglicht, Projektideen vorzustellen, Mitstreiter zu finden und Fortschritte zu teilen. Diese Transparenz sorgt nicht nur für bessere Zusammenarbeit, sondern schafft auch eine positive Wettbewerbsdynamik: Erfolgreiche Innovationen werden sichtbar und inspirieren andere.

Vom Reden zum Handeln: So implementiert ihr die 15-Prozent-Regel

Was können deutsche Industrieunternehmen konkret tun, um eine 3M-ähnliche Innovationskultur zu etablieren? Der Weg zur erfolgreichen Implementierung führt über mehrere Stationen.

Zunächst braucht es ein klares Bekenntnis der Führungsebene. Wenn das Management die Innovationszeit nur duldet, aber nicht aktiv fördert, wird sie schnell dem Tagesgeschäft geopfert. Führungskräfte müssen vorangehen und selbst Zeit für kreative Projekte reservieren.

Der zweite Schritt ist die Definition klarer Rahmenbedingungen: Wann kann die Innovationszeit genutzt werden? Welche Ressourcen stehen zur Verfügung? Wie werden Fortschritte dokumentiert? Diese Fragen sollten nicht als Kontrollinstrument dienen, sondern als Orientierungshilfe.

Besonders wichtig ist ein wertschätzender Umgang mit Scheitern. Wenn Mitarbeiter fürchten müssen, für nicht erfolgreiche Projekte kritisiert zu werden, werden sie keine Risiken eingehen. 3M hat dafür eine eigene Kultur entwickelt: Gescheiterte Projekte werden nicht als Misserfolge betrachtet, sondern als wertvolle Lernchancen.

Nicht zuletzt braucht es Geduld. Eine Innovationskultur entsteht nicht über Nacht, sondern wächst organisch. Bei 3M hat es Jahrzehnte gedauert, bis die 15-Prozent-Regel zu dem wurde, was sie heute ist: ein selbstverständlicher Teil der Unternehmensidentität.

Messbarer Erfolg: Wie ihr den ROI eurer Innovationszeit bewertet

Eine der größten Sorgen deutscher Manager: Wie rechtfertigen wir den vermeintlichen Produktivitätsverlust durch Innovationszeit? Die Antwort liegt in einer klugen Erfolgsmessung, die über kurzfristige KPIs hinausgeht.

3M misst den Erfolg seiner 15-Prozent-Regel an mehreren Faktoren: dem bereits erwähnten New Product Vitality Index (Anteil neuer Produkte am Gesamtumsatz), der Anzahl angemeldeter Patente, aber auch an weicheren Faktoren wie Mitarbeiterzufriedenheit und Unternehmensreputation.

Für deutsche Unternehmen empfiehlt sich ein ähnlich vielschichtiger Ansatz. Neben quantitativen Kennzahlen sollten auch qualitative Aspekte berücksichtigt werden: Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen entwickelt? Welche neuen Kompetenzen haben Mitarbeiter erworben? Wie hat sich das Employer Branding verändert?

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts zeigt: Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Freiraum für eigene Projekte geben, verzeichnen langfristig eine höhere Innovationsrate und bessere wirtschaftliche Ergebnisse – selbst wenn kurzfristig Produktivitätseinbußen zu verzeichnen sind.

Freiheit als Wettbewerbsvorteil: Warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist

In einer Zeit, in der deutsche Industrieunternehmen unter enormem Innovationsdruck stehen, könnte die 15-Prozent-Regel ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Die Herausforderungen durch internationale Konkurrenz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit verlangen nach neuen Lösungen, die nicht allein durch traditionelle F&E-Abteilungen entwickelt werden können.

Mike Romans Erfolg bei 3M zeigt: Innovation gedeiht am besten, wenn sie nicht auf einzelne Experten oder Abteilungen beschränkt bleibt, sondern als unternehmensweite Aufgabe verstanden wird. Jeder Mitarbeiter, unabhängig von Position oder Fachbereich, kann wertvolle Ideen beisteuern – wenn man ihm die Chance dazu gibt.

Für deutsche Industrieunternehmen bedeutet das: Wer heute in Innovationsfreiheit investiert, wird morgen mit einzigartigen Produkten und Lösungen belohnt, die sich nicht so leicht kopieren lassen wie technische Spezifikationen. In einer Zeit, in der Differenzierung immer schwieriger wird, könnte genau das zum entscheidenden Faktor werden.

Kreative Freiheit als Zukunftsmotor

Die 15-Prozent-Regel von 3M ist mehr als nur ein cleveres Personalkonzept – sie ist ein Kulturwandel, der das gesamte Unternehmen durchdringt. Mike Roman hat dieses Erbe nicht nur bewahrt, sondern konsequent weiterentwickelt und an die Herausforderungen des digitalen Zeitalters angepasst.

Für deutsche Industrieunternehmen liegt hierin eine wichtige Lektion: Innovation lässt sich nicht verordnen, aber systematisch fördern. Der Schlüssel liegt in einer Balance aus Freiheit und Struktur, aus Experimentierfreude und zielgerichtetem Handeln.

Die gute Nachricht: Die ersten Schritte müssen nicht gleich revolutionär sein. Auch ein begrenzter Testlauf mit ausgewählten Teams kann wertvolle Erkenntnisse liefern und den Weg für eine umfassendere Implementierung ebnen. Wichtig ist nur, dass der Prozess authentisch ist und von der Führungsebene aktiv unterstützt wird.

In einer Welt, in der Agilität und Innovationskraft über wirtschaftlichen Erfolg entscheiden, könnte die Adaption der 15-Prozent-Regel für deutsche Industrieunternehmen der Schlüssel sein, um ihre traditionellen Stärken – Qualität, Zuverlässigkeit, technische Exzellenz – mit der nötigen Kreativität und Anpassungsfähigkeit zu verbinden. Mike Romans Erbe bei 3M zeigt eindrucksvoll, was möglich ist, wenn man den Mut hat, Kontrolle abzugeben und auf die Kreativität der eigenen Mitarbeiter zu vertrauen.

Wikipedia – Spencer Silver

The Washington Post – Post-It Note inventor Spencer Silver dies at 80

MoMA – Art Fry and Spencer Silver. Post-it® Note. 1977

Leaderonomics – Lessons from 3M: Why Investing In R&D Is Your Ticket To Success

Business Standard – New product vitality index

3M UK – 3M’s 15% Culture

Medium – 3M’s 15% Rule. Case Study

Star Tribune – 3M appoints outsider as new CEO at critical moment

3M – 3M Announces New Leadership Appointments

3M – 15 percent culture: creativity needs freedom.

(c) Foto: 3M

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