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Hyper-Skalierung im DACH-Markt: Zalando orchestriert Logistik und Kultur im Multi-Länder-Geschäft

Von Berlin aus die DACH-Region und schließlich ganz Europa erobern – diese Erfolgsgeschichte haben Zalando und Delivery Hero trotz völlig unterschiedlicher Geschäftsmodelle gemeinsam geschrieben. Die beiden Tech-Champions zeigen, wie Hyper-Skalierung über Ländergrenzen hinweg funktionieren kann. Mit jeweils über 17.000 bzw. 32.000 Mitarbeitern und Milliardenbudgets haben sie Blaupausen geschaffen, die auch für mittelständische Unternehmen wertvolle Lehren bereithalten. Ihre Skalierungsstrategien kombinieren technologische Exzellenz mit kultureller Anpassungsfähigkeit – und bieten konkrete Erfolgsrezepte für euren eigenen Wachstumskurs.

Vom Berliner Startup zum europäischen Marktführer – die Wachstumsgeschichten

Was 2008 in einer Berliner WG begann, ist heute ein 6,5-Milliarden-Euro-Imperium: Zalando hat sich vom simplen Online-Schuhshop zu Europas führender Mode-Plattform entwickelt. Robert Gentz und David Schneider bauten systematisch von Deutschland aus – erst nach Österreich (2009), dann in die Schweiz (2012) und schließlich in 22 weitere europäische Märkte.

Delivery Hero schlug einen ähnlichen, aber letztlich konträreren Weg ein. 2011 von Niklas Östberg gegründet, expandierte das Unternehmen zunächst aggressiv im DACH-Raum, vollzog dann aber eine strategische Kehrtwende. Nach dem lukrativen Verkauf von Lieferando an Just Eat Takeaway für 7,3 Milliarden Euro im Jahr 2020 konzentriert sich Delivery Hero heute fast ausschließlich auf Wachstumsmärkte in Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika – eine radikale Neuausrichtung, die den DACH-Anteil am Gesamtumsatz auf unter 5% schrumpfen ließ.

Beide Unternehmen demonstrieren, wie unterschiedlich erfolgreiche Skalierungsstrategien aussehen können: Während Zalando im DACH-Raum verankert bleibt und hier rund 75% seines Umsatzes erzielt, hat Delivery Hero die Region weitgehend verlassen, um in dynamischeren Märkten zu wachsen.

Das Rückgrat der Hyper-Skalierung: Technologische Infrastruktur

Der entscheidende Erfolgsfaktor für beide Unternehmen ist ihre technologische Basis. Zalando betreibt ein komplexes Ökosystem aus über 3.000 Microservices, die es dem Unternehmen ermöglichen, für 49 Millionen aktive Kunden in 25 Märkten personalisierte Einkaufserlebnisse zu schaffen. Diese modulare Architektur erlaubt es, einzelne Funktionen gezielt weiterzuentwickeln, ohne das Gesamtsystem zu gefährden – ein wesentlicher Vorteil bei der länderübergreifenden Skalierung.

Lokale Präsenz vs. zentralisierte Steuerung – der DACH-Balanceakt

Die DACH-Region mag auf den ersten Blick homogen erscheinen, doch die Feinheiten machen den Unterschied. Zalando hat dies früh erkannt und setzt auf eine 70/30-Strategie: 70% standardisierte Prozesse, 30% lokale Anpassung.

In Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Markt mit über 20 Millionen aktiven Kunden, betreibt Zalando fünf große Fulfillment-Zentren, darunter das 200.000 Quadratmeter große Logistikzentrum in Mönchengladbach.

Für die Schweiz und Österreich mit jeweils rund 1,5 bis 2 Millionen Kunden wurden eigene Teams aufgebaut, die lokale Marken integrieren und landestypische Modetrends berücksichtigen. Besonders wichtig: Die Kundenbetreuung erfolgt in allen DACH-Märkten in der jeweiligen Landessprache – ein scheinbar simpler, aber entscheidender Faktor für die Kundenbindung.

Delivery Hero hingegen entschied sich für einen radikalen Schnitt und verkaufte seine etablierten DACH-Geschäfte Lieferando, Mjam und Eat.ch, um Ressourcen für wachstumsstärkere Regionen freizusetzen – eine mutige Entscheidung, die kurzfristig schmerzhaft war, langfristig aber die Profitabilität steigern soll.

Logistik als Wettbewerbsvorteil: Zalandos Fulfillment-Netzwerk

Im E-Commerce entscheidet die letzte Meile über Erfolg oder Misserfolg. Zalando hat dies verstanden und ein beeindruckendes Logistiknetzwerk aufgebaut, das Same-Day-Delivery in über 100 deutschen Städten ermöglicht.

Allein das Fulfillment-Zentrum in Lahr versendet täglich bis zu 45.000 Pakete. Die Kombination aus zentraler Steuerung und lokaler Auslieferung schafft Skaleneffekte bei gleichzeitig hoher Kundenorientierung – ein Modell, das auch mittelständische Unternehmen in kleinerem Maßstab adaptieren können.

Regulatorische Komplexität meistern – ein DACH-spezifisches Hindernis

Die DACH-Region mag kulturell ähnlich sein, doch regulatorisch existieren erhebliche Unterschiede. Seit Einführung der DSGVO 2018 gibt es zwar einheitliche Datenschutzstandards, aber Verpackungsvorschriften, Arbeitsrecht und Steuerregelungen variieren weiterhin stark.

Zalando investierte frühzeitig in spezialisierte Compliance-Teams für jeden Markt – ein Aufwand, der sich auszahlt. Denn gerade für datengetriebene Plattformen wie Zalando ist rechtliche Sicherheit ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.

Delivery Hero hingegen sah in der zunehmenden Regulierung des europäischen Marktes einen der Gründe für den strategischen Rückzug. Die Komplexität der Arbeitnehmerrechte für Lieferfahrer und die unterschiedlichen Anforderungen an Lebensmittelsicherheit machten das Geschäftsmodell in Europa weniger attraktiv als in Regionen mit einheitlicheren oder weniger strengen Regularien.

Machine Learning als Skalierungsturbo: Personalisierung im Millionenmaßstab

Wie personalisiert man das Einkaufserlebnis für 49 Millionen Kunden? Zalandos Antwort: mit künstlicher Intelligenz. Das hauseigene Forschungsteam mit über 150 Wissenschaftlern entwickelt Algorithmen, die aus dem Nutzerverhalten lernen und individuelle Empfehlungen generieren.

Laut einer McKinsey-Studie können erfolgreiche E-Commerce-Plattformen durch personalisierte Empfehlungen ihre Conversion-Raten um bis zu 60% steigern. Zalando investiert daher konsequent 8-12% seines Umsatzes in Technologieentwicklung – deutlich mehr als traditionelle Einzelhändler, aber ein notwendiger Einsatz, um im digitalen Wettbewerb zu bestehen.

Delivery Hero setzt auf seine „Pandora Platform“, eine einheitliche Technologieplattform für alle 70+ Märkte. Durch die Multi-Tenant-Architektur können neue Funktionen zentral entwickelt und dann an lokale Gegebenheiten angepasst werden – ein Paradebeispiel für skalierbare Software-Entwicklung.

Von Microservices bis Multi-Tenant – Architektur für grenzüberschreitendes Wachstum

Die technische Architektur ist der Schlüssel zur erfolgreichen Hyper-Skalierung. Zalando setzt auf Microservices, Delivery Hero auf eine Multi-Tenant-Architektur – beides Ansätze, die Flexibilität und Skalierbarkeit vereinen.

Ein Microservice-Ansatz ermöglicht es, einzelne Funktionen unabhängig voneinander zu entwickeln und zu skalieren. Wenn beispielsweise das Bestellvolumen in Österreich plötzlich steigt, können gezielt Ressourcen für diesen Markt bereitgestellt werden, ohne das Gesamtsystem zu belasten.

Die Multi-Tenant-Architektur von Delivery Hero hingegen erlaubt es, eine einzige Codebasis für alle Märkte zu nutzen und dennoch lokale Anpassungen vorzunehmen – ideal für ein Unternehmen, das in 70+ Ländern aktiv ist und schnell neue Märkte erschließen will.

Beide Ansätze erfordern erhebliche Anfangsinvestitionen, zahlen sich aber langfristig durch reduzierte Wartungskosten und höhere Anpassungsfähigkeit aus.

Cultural Fit als unterschätzter Erfolgsfaktor

Technologie allein reicht nicht – erfolgreiche Hyper-Skalierung erfordert auch kulturelle Anpassungsfähigkeit. Zalando hat dies erkannt und integriert in jedem Markt lokale Mode-Trends und Marken. Über 4.500 Marken sind auf der Plattform vertreten, davon 30% lokale Partner.

Diese Lokalisierungsstrategie schafft Vertrauen und Nähe zu den Kunden – ein entscheidender Vorteil gegenüber reinen Global Playern. Gleichzeitig ermöglicht die zentrale Plattform Skaleneffekte bei Technologie und Logistik.

Delivery Hero hat diese Lektion ebenfalls gelernt und operiert unter lokalen Marken wie Foodpanda in Asien oder Talabat im Nahen Osten. Die Nutzeroberflächen sind an lokale Gewohnheiten angepasst, während im Hintergrund die einheitliche Pandora-Plattform läuft – ein elegantes Gleichgewicht zwischen globaler Effizienz und lokaler Relevanz.

Lessons Learned: Was mittelständische Unternehmen von den Tech-Giganten lernen können

Die Erfolgsgeschichten von Zalando und Delivery Hero bieten wertvolle Erkenntnisse für Unternehmen jeder Größe:

1. Technologie als Grundlage: Investiert frühzeitig in skalierbare Technologieplattformen – sie sind der Schlüssel zu effizientem Wachstum über Ländergrenzen hinweg.

2. 70/30-Regel beachten: Standardisiert 70% eurer Prozesse und Angebote, aber passt 30% an lokale Gegebenheiten an. Diese Balance ermöglicht Skaleneffekte ohne Verlust lokaler Relevanz.

3. Datengetriebene Entscheidungen: Nutzt Kundendaten, um personalisierte Erlebnisse zu schaffen und Markttrends frühzeitig zu erkennen.

4. Regulatorische Expertise aufbauen: Unterschätzt nicht die Komplexität unterschiedlicher Rechtsrahmen – sie kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

5. Exit-Optionen offenhalten: Manchmal ist der strategische Rückzug aus einem Markt die klügere Entscheidung, wie Delivery Heros Fokussierung auf Wachstumsmärkte zeigt.

Nachhaltige Skalierung – der neue Imperativ

Ein Trend, der nicht mehr zu ignorieren ist: 78% der DACH-Verbraucher bevorzugen nachhaltige Shopping-Optionen. Zalando hat darauf reagiert und 2020 die Nachhaltigkeitsinitiative „do.MORE“ gestartet, die unter anderem CO2-neutrale Lieferungen und recycelte Verpackungen umfasst.

Auch für Delivery Hero wird Nachhaltigkeit zunehmend zum Differenzierungsfaktor. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, bis 2030 klimaneutral zu werden – ein ambitioniertes Ziel angesichts des energieintensiven Liefergeschäfts.

Diese Entwicklung zeigt: Erfolgreiche Hyper-Skalierung muss heute nicht nur technologisch und kulturell durchdacht sein, sondern auch ökologische und soziale Faktoren berücksichtigen.

Der Weg zur eigenen Expansionsstrategie: Konkrete Handlungsempfehlungen

Was bedeuten diese Erkenntnisse für eure eigene Expansionsstrategie im DACH-Raum? Hier sind konkrete Schritte, die ihr umsetzen könnt:

1. Technologie-Audit durchführen: Ist eure IT-Infrastruktur bereit für die Skalierung? Prüft, ob eure Systeme modular und erweiterbar sind.

2. Regulatorische Gap-Analyse: Identifiziert frühzeitig rechtliche Unterschiede zwischen den Zielmärkten und baut entsprechende Expertise auf.

3. Lokale Partner finden: Nutzt das Wissen von Partnern, die den Zielmarkt bereits kennen, um kulturelle Fallstricke zu vermeiden.

4. Datengetriebene Pilotprojekte: Testet eure Expansion zunächst in kleinem Maßstab und optimiert basierend auf echten Nutzerdaten.

5. Flexible Exit-Strategien entwickeln: Plant von Anfang an, wie ihr euch aus einem Markt zurückziehen könntet, falls die Expansion nicht wie erhofft verläuft.

Die Zukunft der Hyper-Skalierung – Trends und Prognosen

Der E-Commerce-Markt in der DACH-Region wird laut Statista bis 2025 auf 89,2 Milliarden Euro anwachsen – ein Plus von 8,5% pro Jahr. Gleichzeitig steigt der Anteil des Mobile Commerce auf 65% bis 2026.

Diese Entwicklung eröffnet neue Chancen für skalierungswillige Unternehmen. Technologische Innovationen wie KI-gestützte Personalisierung, autonome Logistik und Blockchain für transparente Lieferketten werden die nächste Welle der Hyper-Skalierung prägen.

Besonders spannend: Laut Forrester Research werden bis 2027 rund 25% aller Online-Käufe über Sprachassistenten abgewickelt – eine Entwicklung, auf die sich Plattformen wie Zalando bereits vorbereiten.

Skalieren ohne Grenzen: Mit der richtigen Strategie

Die Erfolgsgeschichten von Zalando und Delivery Hero zeigen eindrucksvoll, dass Hyper-Skalierung im DACH-Raum und darüber hinaus möglich ist – wenn Technologie, Kultur und Strategie harmonisch ineinandergreifen. Beide Unternehmen haben trotz unterschiedlicher Wege bewiesen, dass Berlin ein idealer Ausgangspunkt für europäische und globale Expansion sein kann.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei nicht in blindem Wachstum, sondern in durchdachter Skalierung: Investitionen in zukunftsfähige Technologien, Respekt für lokale Besonderheiten und die Bereitschaft, Strategien bei Bedarf radikal anzupassen. Mit diesem Mindset könnt auch ihr euer Business über Ländergrenzen hinweg erfolgreich skalieren – und vielleicht der nächste Tech-Champion aus dem DACH-Raum werden.

Zalando Corporate – Facts & Figures

Zalando Investor Relations – Q3 2024 Financial Report

Zalando Corporate – Logistics Network Overview

Delivery Hero Investor Relations – Company Profile

Delivery Hero Newsroom – Sale of Foodpanda Germany Completed, 2020

Zalando Engineering Blog – Microservices at Scale, Oktober 2024

Delivery Hero Tech Blog – Multi-Tenant Platform Journey, 2024

PwC Deutschland – E-Commerce Regulatory Landscape DACH 2024

Zalando Corporate – Our Strategy – Localization Focus

Zalando Investor Relations – Q3 2024 Earnings Report

Delivery Hero Investor Relations – Q3 2024 Financial Results

McKinsey & Company – Scaling E-commerce Across Borders, September 2024

Boston Consulting Group – Platform Economics in Multi-Market Strategies, August 2024

Handelsblatt – Delivery Hero Deutschland-Exit Analyse, 2020 (Michael Scheppe)

Statista Digital Market Outlook – E-commerce Germany 2024-2029

Forrester Research – European E-commerce Technology Trends 2024

About the author

Bild von Alexander Dionisius

Alexander Dionisius

Für Alexander Dionisius ist das Schreiben eine Leidenschaft und so arbeitet er seit über 30 Jahren als Redakteur für unterschiedliche Medien und Onlineportale. Sein Schwerpunkt sind Wirtschaftsthemen mit einem besonderen Blick auf die Start-Up-Szene. Die Ausbildung zum Redakteur absolvierte er an der Deutschen Journalistenschule in München für Hubert Burda Media. 2007 hat er sich als freiberuflicher Redakteur und Kommunikationsberater selbständig gemacht.
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