Die EU-Kommission hat am 4. Dezember ein Kartellverfahren gegen Meta eingeleitet, das weitreichende Folgen für den KI-Markt haben könnte. Im Zentrum steht eine neue WhatsApp-Richtlinie, die externen KI-Anbietern den Zugang zur Plattform verwehrt, während Metas eigene KI-Lösung ungehindert funktioniert. Für innovative Unternehmen entsteht hier ein Präzedenzfall, der zeigt, wie digitale Plattformen ihre Marktmacht nutzen – und wo die EU eine rote Linie zieht.
Der digitale Türsteher: Wie Meta den KI-Zugang kontrolliert
Die im Oktober 2025 eingeführte Richtlinie für die „WhatsApp Business Solution“ spricht eine klare Sprache: Drittanbieter dürfen die Plattform nicht mehr nutzen, wenn ihr Hauptgeschäft im Bereich KI-Assistenten oder Chatbots liegt. Für neue Anbieter gilt diese Regelung bereits seit Mitte Oktober, bestehende Dienste müssen sich bis zum 15. Januar 2026 anpassen – oder verschwinden.
Besonders pikant: Während OpenAI, Microsoft Copilot und Perplexity ihre Dienste von WhatsApp entfernen mussten, behält Metas hauseigener Assistent „Meta AI“ seinen privilegierten Zugang. Seit März 2025 ist dieser in zahlreichen europäischen Märkten direkt in die WhatsApp-Oberfläche integriert und kann etwa zu Konversationen zugeschaltet werden, um Recherchen zu übernehmen oder Gruppenchats zusammenzufassen.
EU-Wettbewerbskommissarin setzt klares Signal
Teresa Ribera, die neu ernannte EU-Executive-Vicepresident für sauberen und wettbewerbsfähigen Wandel, macht mit diesem Verfahren ihre erste große Tech-Intervention. „Wir müssen sicherstellen, dass die europäischen Bürger und Unternehmen in vollem Umfang von dieser technologischen Revolution profitieren können, und Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass marktbeherrschende digitale Unternehmen ihre Macht missbrauchen, um innovative Wettbewerber zu verdrängen“, erklärte sie vor dem Europäischen Parlament. Die Botschaft ist eindeutig: Selbst die größten Tech-Konzerne können ihre Plattformen nicht nach Belieben abschotten.
Metas Verteidigung und die technische Argumentation
Meta bestreitet die Vorwürfe vehement. „Die Integration von Drittanbieter-Chatbots belastet unsere Systeme über ihre Kapazitäten hinaus“, argumentiert ein Unternehmenssprecher. Die Einschränkungen seien rein technischer, nicht wettbewerbswidriger Natur und dienten dazu, Stabilität und Zuverlässigkeit des Dienstes zu gewährleisten.
Diese Begründung wirft allerdings Fragen auf: Warum kann der eigene KI-Assistent problemlos integriert werden, während externe Anbieter angeblich die Systeme überlasten?
Die EU-Kommission sieht hier die klassische „Gatekeeper“-Problematik: Etablierte Plattformen wie WhatsApp können durch selektive Zugangsbeschränkungen den Wettbewerb in angrenzenden Märkten – hier generative KI – systematisch ersticken.
Paralleles Verfahren in Italien und mögliche Konsequenzen
Bemerkenswert ist, dass die italienische Wettbewerbsbehörde AGCM bereits seit Juli 2025 ein eigenes Verfahren führt, das im November speziell um Metas neue KI-Politik erweitert wurde. Daher erstreckt sich die EU-Untersuchung auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum – mit Ausnahme Italiens.
Die italienischen Regulierer prüfen derzeit Sofortmaßnahmen, die Meta zwingen könnten, die umstrittene Richtlinie während der laufenden Untersuchung auszusetzen. Eine solche Entscheidung könnte innerhalb weniger Wochen fallen und Signalwirkung für ganz Europa entfalten.
Sollte Meta am Ende für schuldig befunden werden, drohen empfindliche Geldbußen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Für den Konzern, der 2025 bereits eine DMA-Strafe von 200 Millionen Euro und eine spanische DSGVO-Strafe von 479 Millionen Euro kassiert hat, entwickelt sich das Jahr zum Regulierungsmarathon.
Wettlauf gegen die Zeit für die Regulierer
Der Zeitplan verschärft den Druck auf alle Beteiligten. Mit der vollständigen Umsetzung des Verbots am 15. Januar 2026 bleibt der Kommission nur ein enges Zeitfenster von sechs Wochen, um über Sofortmaßnahmen zu entscheiden und bestehende Dienste vor Störungen zu bewahren.
Für Unternehmen im KI-Bereich ist dieser Fall ein Weckruf: Die Kontrolle über zentrale Kommunikationskanäle kann marktentscheidend sein. Gleichzeitig zeigt die schnelle Reaktion der EU-Kommission, dass der regulatorische Rahmen für digitale Märkte zunehmend Zähne bekommt.
Strategische Weichenstellung für den KI-Markt
Die Untersuchung markiert eine strategische Weichenstellung für den europäischen KI-Markt. Es geht um die grundsätzliche Frage, wer die Zugangswege zu Nutzern kontrollieren darf und unter welchen Bedingungen Plattformen ihre Marktmacht einsetzen können.
Für Unternehmen bedeutet dies: Diversifiziert eure Kommunikationskanäle und bleibt wachsam gegenüber Abhängigkeiten von einzelnen Tech-Giganten. Die EU-Kommission signalisiert deutlich, dass sie nicht zulassen wird, dass etablierte Plattformen ihre Dominanz nutzen, um neue Märkte zu monopolisieren.
ad-hoc-news.de – Meta unter Beschuss: EU ermittelt wegen KI-Blockade auf WhatsApp
marketscreener.com – Die KI-Richtlinie von Meta WhatsApp im Visier der EU-Kartellbehörden
retail-news.de – EU-Kommission prüft Meta wegen WhatsApp-Blockade für KI-Anbieter
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