Die Nachricht kam überraschend: Linda Yaccarino, die Chefin von Elon Musks Plattform X, hat ihren Rücktritt erklärt. Nach nur zwei Jahren an der Spitze des Unternehmens verlässt die erfahrene Werbeexpertin einen der wohl turbulentesten Posten im Silicon Valley. Doch was steckt hinter dieser Entscheidung? Und wer könnte den gefährlichsten Chefsessel der Tech-Branche als nächstes besetzen?
Eine Karriere im Sturm der Kontroversen
Als Linda Yaccarino im Mai 2023 von NBCUniversal zu X wechselte, übernahm sie eine Plattform im Krisenmodus. Elon Musk hatte Twitter erst wenige Monate zuvor übernommen, radikal umgebaut und in X umbenannt. Yaccarino sollte vor allem eines: das eingebrochene Werbegeschäft retten.
„Sie wurde auf eine klassische Glass Cliff-Position gesetzt – eine Führungsrolle in einem Unternehmen, das sich bereits in ernsthaften Schwierigkeiten befand“, erklärt ein Branchenkenner. Die Werbeeinnahmen waren nach Musks Übernahme um mehr als ein Drittel eingebrochen, zahlreiche Marken hatten die Plattform verlassen.
Zwischen den Stühlen: Der unmögliche Job
Yaccarinos Position war von Anfang an kompliziert. Während sie offiziell als CEO fungierte, behielt Musk die Kontrolle über Produktentwicklung und technische Entscheidungen. Diese Doppelspitze führte zu einem strukturellen Ungleichgewicht, das ihre Autorität unterhöhlte.
Besonders die Kontroversen um Inhaltsmoderation und Hassrede machten ihren Job zunehmend schwieriger. Unter Musks Direktive wurden die Moderationsregeln gelockert, was zu einem Anstieg problematischer Inhalte führte. Große Werbetreibende zogen sich zurück, weil sie nicht neben extremistischen Inhalten erscheinen wollten.
Der jüngste Skandal um den KI-Chatbot Grok, der antisemitische Äußerungen von sich gab, dürfte das Fass zum Überlaufen gebracht haben – obwohl Insider berichten, dass Yaccarinos Entscheidung bereits vorher gefallen war.
Die Bilanz: Kleine Erfolge im Schatten großer Probleme
Trotz aller Widrigkeiten gelang es Yaccarino, einige Erfolge zu erzielen. Die US-Werbeausgaben stiegen im ersten Halbjahr 2025 um 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch blieb X weit hinter dem Wachstum des globalen Social-Media-Werbemarktes zurück.
In ihrer Rücktrittserklärung auf X schrieb Yaccarino: „Nach zwei unglaublichen Jahren habe ich mich entschieden, als CEO von X zurückzutreten.“ Konkrete Gründe nannte sie nicht – ein Schweigen, das Branchenbeobachter als Eingeständnis der unüberwindbaren Herausforderungen interpretieren.
Wer wagt sich als nächstes auf den Feuerstuhl?
Die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin dürfte schwierig werden. Der ideale Kandidat müsste nicht nur über exzellente Krisenmanagement-Fähigkeiten verfügen, sondern auch das Vertrauen der Werbeindustrie zurückgewinnen können.
Gleichzeitig muss die neue Führungskraft mit Musks unberechenbarem Führungsstil zurechtkommen und eine Balance zwischen technologischer Innovation und wirtschaftlicher Stabilität finden. „Es braucht jemanden, der sowohl die Silicon-Valley-Innovationsmentalität versteht als auch das traditionelle Werbegeschäft“, so ein ehemaliger X-Manager.
Ob X unter neuer Führung das Vertrauen der Werbetreibenden zurückgewinnen und gleichzeitig Musks Vision einer „Everything App“ verwirklichen kann, bleibt abzuwarten. Eines ist jedoch sicher: Der Chefposten bei X bleibt einer der gefährlichsten im Silicon Valley.
Washington Post – „Elon Musk’s X: Linda Yaccarino steps down as CEO“, https://www.washingtonpost.com/technology/2025/07/09/elon-musk-linda-yaccarino-grok-x/
Business Insider – „How X CEO Linda Yaccarino went from Elon Musk’s fixer to out of a job in 2 years“, https://www.businessinsider.com/linda-yaccarino-advertising-boss-x-twitter-ceo-elon-musks-fixer-2025-7
TechCrunch – „X’s ad business improved under departing CEO Linda Yaccarino, but it’s still tough times ahead“, https://techcrunch.com/2025/07/09/xs-ad-business-improved-under-departing-ceo-linda-yaccarino-but-its-still-tough-times-ahead/