Die E-Commerce-Landschaft erlebt einen Paradigmenwechsel: Ultra-Fast-Fashion-Giganten wie Shein und Temu erobern den globalen Markt mit beispielloser Geschwindigkeit. Mit einem revolutionären Geschäftsmodell hat Shein den Produktionszyklus von Wochen auf Tage reduziert und setzt dabei auf datengetriebene Entscheidungsfindung und KI-gestützte Prozessoptimierung. Der Erfolg dieser Strategie spiegelt sich in beeindruckenden Zahlen wider: Shein erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von 32 Milliarden US-Dollar und könnte 2024 die 50-Milliarden-Marke knacken. Damit nähert sich das Unternehmen dem kombinierten Umsatz etablierter Giganten wie Zara und H&M – und stellt gleichzeitig Amazons E-Commerce-Dominanz in Frage.
Das revolutionäre On-Demand-Geschäftsmodell von Shein
Im Kern von Sheins Erfolg steht ein radikal neues Produktionsmodell, das die traditionellen Lieferketten der Modeindustrie auf den Kopf stellt. Anders als herkömmliche Retailer, die große Mengen auf Vorrat produzieren, setzt Shein auf ein hocheffizientes On-Demand-System. Neue Produkte werden zunächst in Kleinstchargen von nur 100-200 Stück getestet, um das Marktpotenzial zu evaluieren. Erst wenn ein Artikel nachweislich auf Nachfrage stößt, folgt die Massenproduktion.
Dieses Consumer-to-Manufacturer (C2M) Modell verbindet Verbraucher direkt mit Herstellern und eliminiert zahlreiche Zwischenschritte. Während traditionelle Fast-Fashion-Marken wie Zara stolz auf ihre 21-Tage-Zyklen sind, hat Shein den Prozess auf beeindruckende 10 Tage komprimiert – von der Trenderfassung bis zur Markteinführung. Diese Geschwindigkeit ermöglicht es dem Unternehmen, täglich bis zu 10.000 neue Artikel auf die Plattform zu bringen und ein ständig wechselndes Sortiment von rund 600.000 Produkten anzubieten.
Der durchschnittliche Preis von nur 10 Dollar pro Artikel unterbietet selbst Discounter wie H&M deutlich und macht die Produkte für preisbewusste Konsumenten nahezu unwiderstehlich. Gleichzeitig minimiert das System Überproduktion und Abfall – ein cleverer wirtschaftlicher und marketingtechnischer Schachzug in Zeiten wachsenden Umweltbewusstseins.
KI als Game-Changer: Wie Shein Daten in Umsatz verwandelt
Sheins wahres Erfolgsgeheimnis liegt in der konsequenten Nutzung von künstlicher Intelligenz und Big Data. Das Unternehmen hat über 2 Milliarden Dollar in proprietäre KI-Algorithmen, Datenanalyse-Tools und Cloud-Computing-Systeme investiert. Diese technologische Infrastruktur verarbeitet täglich mehr als 500 Millionen Datenpunkte aus Kundeninteraktionen, Social-Media-Trends und Marktanalysen. Mit einer beeindruckenden Genauigkeit von 90 Prozent bei der Trendvorhersage optimiert Shein kontinuierlich seine Preis- und Bestandsentscheidungen in Echtzeit. Die KI analysiert nicht nur, welche Produkte sich gut verkaufen, sondern auch, warum – und kann so präzise Vorhersagen über künftige Trends treffen, bevor diese überhaupt den Mainstream erreichen.
Die Disruption des Amazon-Monopols
Die Auswirkungen von Sheins Erfolg auf den E-Commerce-Markt sind massiv und beginnen sogar, Amazons scheinbar unangreifbare Position zu gefährden. Aktuelle Daten zeigen einen bemerkenswerten Trend: Bei Kunden, die sowohl bei Amazon als auch bei Shein einkaufen, ist Amazons Anteil an den Bestellungen in den letzten 18 Monaten um 34 Prozent gesunken. Während Amazon im Januar 2023 noch 71 Prozent der Bestellungen dieser Kundengruppe ausmachte, waren es im Juni 2024 nur noch 47 Prozent.
Diese Verschiebung markiert einen historischen Wendepunkt im E-Commerce. Zum ersten Mal seit Jahren sieht sich Amazon mit Plattformen konfrontiert, die in bestimmten Kategorien nicht nur mithalten können, sondern tatsächlich überlegen sind. Die Kombination aus unschlagbaren Preisen, ständig wechselndem Sortiment und einem gamifizierten Einkaufserlebnis schafft eine Dynamik, die selbst der E-Commerce-Riese aus Seattle nicht so leicht kopieren kann.
Besonders beunruhigend für traditionelle Retailer: Laut der BoF-McKinsey State of Fashion 2024 Verbraucherumfrage haben bereits 40 Prozent der US-Verbraucher in den letzten 12 Monaten bei Shein oder Temu eingekauft. Im Vereinigten Königreich, einem neueren Markt für diese Plattformen, liegt die Zahl bei 26 Prozent. Noch alarmierender ist die Zukunftsprognose: Die Netto-Kaufabsicht für Shein und Temu liegt durchschnittlich 18 Prozentpunkte höher als die der etablierten Konkurrenten.
Die perfekte Zielgruppenansprache
Sheins Erfolg basiert nicht zuletzt auf einem tiefgreifenden Verständnis seiner Kernzielgruppe: Digital Natives der Generation Z im Alter von 16-24 Jahren. Diese demografische Gruppe verbringt durchschnittlich 3,5 Stunden täglich auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram und priorisiert trendige, erschwingliche Mode über traditionelle Markenloyalität. Als budget-bewusste Mode-Enthusiasten – oft Studenten oder junge Berufstätige mit Jahreseinkommen zwischen 20.000 und 50.000 Dollar – suchen sie kontinuierlich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis.
Shein hat seine Marketingstrategie perfekt auf diese Zielgruppe abgestimmt. Das Unternehmen setzt stark auf Influencer-Marketing und User-generated Content, um Authentizität zu vermitteln und organische Reichweite zu generieren. Durch clevere Affiliate-Programme werden Content-Creator incentiviert, Produkte zu bewerben und so die Markenbekanntheit weiter zu steigern. Die mobile App – mit über 235 Millionen Downloads im Jahr 2024 die zweitmeist heruntergeladene Shopping-App weltweit – ist speziell auf das Mobile-First-Verhalten dieser Generation zugeschnitten und generiert beeindruckende 75 Prozent des Gesamtumsatzes.
Supply Chain Reinvention: Das Geheimnis der 10-Tage-Produktionszyklen
Die Revolutionierung der Lieferkette ist ein zentraler Baustein in Sheins Erfolgsgeschichte. Das Unternehmen hat ein vertikal integriertes Netzwerk von über 5.000 Partnerherstellern aufgebaut, die hauptsächlich um Guangzhou in China angesiedelt sind. Diese enge geografische Konzentration ermöglicht extrem kurze Kommunikationswege und minimiert Transportzeiten zwischen den verschiedenen Produktionsstufen.
Während traditionelle Modehändler mit komplexen, globalen Lieferketten kämpfen, hat Shein ein System geschaffen, das Geschwindigkeit über alles stellt. Die durchschnittliche Durchlaufzeit von der Designidee bis zum fertigen Produkt beträgt nur 10 Tage – weniger als die Hälfte der Zeit, die selbst Zara als Pionier des Fast-Fashion-Modells benötigt. Diese beispiellose Geschwindigkeit ermöglicht es Shein, nahezu in Echtzeit auf Trends zu reagieren und das Sortiment kontinuierlich zu aktualisieren, was wiederum Kunden zu häufigeren Besuchen der Plattform motiviert.
Der wachsende Einfluss auf den stationären Einzelhandel
Die Auswirkungen von Sheins Erfolgsmodell beschränken sich längst nicht mehr auf den Online-Handel. Coresight Research, ein auf Einzelhandel und Technologie spezialisiertes Unternehmen, prognostiziert für 2025 rund 15.000 Einzelhandelsschließungen in den USA – und nennt explizit den „unterschätzten Druck durch Temu und Shein“ als treibenden Faktor. Diese Prognose unterstreicht die transformative Kraft des Ultra-Fast-Fashion-Modells auf die gesamte Einzelhandelslandschaft.
Besonders betroffen sind mittelpreisige Modeketten, die weder mit der Geschwindigkeit und den niedrigen Preisen von Shein noch mit der Qualität und dem Markenerlebnis von Premium-Anbietern mithalten können. Sie befinden sich in einer klassischen „Stuck in the Middle“-Position ohne klares Differenzierungsmerkmal. Der Druck auf diese Händler wird sich voraussichtlich weiter verstärken, da Shein und ähnliche Plattformen kontinuierlich Marktanteile gewinnen und gleichzeitig ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln.
Die Evolution zum Marketplace und „Supply Chain as a Service“
Shein entwickelt sich strategisch vom reinen Modehändler zu einer umfassenden E-Commerce-Plattform. Ende Juni 2024 führte das Unternehmen ein semi-verwaltetes Marketplace-Modell in den USA und Europa ein, das es externen Verkäufern ermöglicht, die Plattform und Infrastruktur von Shein zu nutzen. Diese Drittanbieter zahlen Provisionen zwischen 15 und 30 Prozent, was einen zusätzlichen Einnahmestrom für Shein darstellt und gleichzeitig das Sortiment erweitert, ohne dass das Unternehmen selbst in Inventar investieren muss.
Noch ambitionierter ist der Vorstoß in Richtung „Supply Chain as a Service“. Shein erkundet die Möglichkeit, seine digitale Lieferketteninfrastruktur als eigenständiges Produkt Dritten anzubieten. Dieses Modell könnte Shein als fundamentalen Akteur in der nächsten Ära des globalen Einzelhandels positionieren – nicht unähnlich der Entwicklung von Amazon Web Services, das aus der internen Cloud-Infrastruktur von Amazon entstand und heute ein hochprofitables Standbein des Konzerns ist.
Herausforderungen und Kontroversen: Die dunkle Seite des Erfolgs
Trotz des beeindruckenden Wachstums steht Shein vor erheblichen Herausforderungen. An erster Stelle stehen die massiven Umweltauswirkungen: Laut dem eigenen Nachhaltigkeitsbericht emittierte das Unternehmen 2023 insgesamt 16,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid – mehr als vier Kohlekraftwerke in einem Jahr ausstoßen und fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Dies macht Shein zum größten Umweltverschmutzer der Modebranche, was zunehmend ins Visier von Aktivisten und Regulierungsbehörden gerät.
Auch auf regulatorischer Ebene verdichten sich die Probleme. Im März 2024 verabschiedete die französische Nationalversammlung ein Gesetz, das explizit auf die Umweltauswirkungen von Ultra-Fast-Fashion abzielt. Ab 2025 werden Marken wie Shein und Temu einer Steuer von bis zu 5 Euro pro in Frankreich verkauftem Artikel unterliegen, die bis 2030 auf 10 Euro steigen wird. In den USA droht die Aufhebung der De-minimis-Befreiung, die es bisher ermöglicht hat, Sendungen unter 800 US-Dollar zollfrei in die USA einzuführen – ein entscheidender Faktor für Sheins Geschäftsmodell.
Hinzu kommen Vorwürfe bezüglich problematischer Arbeitsbedingungen in der Lieferkette. Im Jahr 2024 räumte Shein ein, zwei Fälle von Kinderarbeit in seiner Lieferkette entdeckt zu haben, darunter ein Kind im Alter von nur 11 Jahren und acht Monaten. Diese Enthüllungen belasten nicht nur das Image des Unternehmens, sondern könnten auch zu verschärften Kontrollen und höheren Kosten führen.
Globale Expansion und IPO-Pläne
Um den wachsenden regulatorischen Herausforderungen zu begegnen, verfolgt Shein eine Strategie der geografischen Diversifizierung. Das Unternehmen hat neue Produktionszentren in Brasilien, der Türkei und Indien eröffnet, um die Abhängigkeit von China zu reduzieren und näher an wichtigen Absatzmärkten zu produzieren. Im Jahr 2022 verlegte Shein seinen Hauptsitz von China nach Singapur – ein strategischer Schritt, der internationale Expansion erleichtern und regulatorische Risiken minimieren soll.
Gleichzeitig verfolgt das Unternehmen ambitionierte Börsenpläne. Im Juni 2024 reichte Shein Unterlagen für einen Börsengang an der Londoner Börse ein, und im April 2025 genehmigte die Financial Conduct Authority den IPO-Prospekt. Allerdings geriet der Prozess ins Stocken, teilweise aufgrund der von der Trump-Administration verhängten Zölle auf chinesische Waren und der fehlenden Genehmigung der chinesischen Regulierungsbehörden. Aktuell erwägt das Unternehmen alternativ eine Notierung in Hongkong. Ein erfolgreicher Börsengang könnte Shein das Kapital verschaffen, um seine globale Expansion weiter voranzutreiben und in neue Technologien zu investieren.
Amazons Gegenoffensive: Der Kampf um die E-Commerce-Krone
Amazon beobachtet den Aufstieg von Shein und ähnlichen Plattformen mit wachsender Besorgnis. Der E-Commerce-Riese hat bereits begonnen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um seine Marktposition zu verteidigen. Eine Schlüsselstrategie ist die Stärkung des eigenen Mode-Segments durch die Einführung neuer Eigenmarken und verbesserte Einkaufserlebnisse. Amazon Fashion versucht, mit kuratierter Mode und personalisierten Empfehlungen zu punkten, kann aber bei Trendgeschwindigkeit und Preisgestaltung kaum mit Shein mithalten.
Gleichzeitig nutzt Amazon seine logistischen Stärken, um mit schnelleren Lieferzeiten zu konkurrieren – ein Bereich, in dem Shein mit durchschnittlichen Lieferzeiten von 1-2 Wochen noch Nachholbedarf hat. Die Einführung von Amazon Prime in immer mehr Märkten mit Same-Day oder Next-Day Delivery soll die Sofortbefriedigungsbedürfnisse der Konsumenten ansprechen, die bei Shein länger auf ihre Bestellungen warten müssen.
Der Temu-Faktor: Ein neuer Konkurrent auf dem Spielfeld
Während Shein und Amazon um Marktanteile kämpfen, hat ein dritter Player die Bühne betreten: Temu, die internationale Shopping-Plattform der chinesischen PDD Holdings. Mit einem ähnlichen Modell wie Shein – ultraniedriger Preise, gamifiziertes Shopping-Erlebnis und direkte Verbindung zu chinesischen Herstellern – hat Temu in rekordverdächtiger Zeit Marktanteile erobert.
Der Wettbewerb zwischen Shein und Temu hat sich seit der Einführung von Sheins semi-verwaltetem Marketplace-Modell Ende Juni 2024 intensiviert. Beide Plattformen konkurrieren nun nicht nur um Kunden, sondern auch um Verkäufer und überschneiden sich in ihren Geschäftsmodellen zunehmend. Diese Rivalität könnte zu einem Preiskrieg führen, der traditionelle Einzelhändler weiter unter Druck setzt, aber Verbrauchern kurzfristig zugute kommt.
Die Ähnlichkeiten zwischen den Plattformen sind unübersehbar: Beide setzen auf direkte Lieferungen aus China, nutzen die De-minimis-Zollbefreiung und bieten extrem niedrige Preise. Der Hauptunterschied liegt im Fokus: Während Shein sich primär auf Mode konzentriert und dort tiefe Expertise aufgebaut hat, bietet Temu ein breiteres Sortiment von Elektronik über Haushaltswaren bis hin zu Mode an.
Die Zukunft des E-Commerce: Was wir von Shein lernen können
Der meteoritische Aufstieg von Shein bietet wertvolle Lektionen für die gesamte E-Commerce-Branche. An erster Stelle steht die Erkenntnis, dass Daten und KI nicht nur unterstützende Werkzeuge, sondern das Herzstück eines modernen Geschäftsmodells sein können. Sheins Fähigkeit, Kundenpräferenzen in Echtzeit zu erfassen, zu analysieren und in Produktentscheidungen umzusetzen, hat einen neuen Standard gesetzt.
Zweitens zeigt Sheins Erfolg, dass vertikale Integration und direkte Kontrolle über die Lieferkette entscheidende Wettbewerbsvorteile in einer schnelllebigen Marktumgebung bieten können. Die enge Zusammenarbeit mit Herstellern ermöglicht eine Flexibilität und Geschwindigkeit, die mit traditionellen Beschaffungsmodellen unerreichbar ist.
Drittens unterstreicht der Aufstieg von Shein die wachsende Bedeutung von Mobile-First-Strategien. Mit 75 Prozent des Umsatzes über die mobile App hat Shein bewiesen, dass optimierte mobile Erlebnisse nicht nur ein Nice-to-have, sondern geschäftskritisch sind. Die Integration von Social-Media-Elementen und gamifizierten Einkaufserlebnissen in der App schafft zusätzliche Engagement-Treiber, die traditionellen E-Commerce-Plattformen oft fehlen.
Die neue E-Commerce-Landschaft gestalten
Während Shein weiterhin expandiert und sein Geschäftsmodell verfeinert, zeichnet sich eine fundamentale Neugestaltung der E-Commerce-Landschaft ab. Amazons langjähriges Monopol bröckelt, und neue Spieler mit spezialisierten, vertikal integrierten Modellen gewinnen an Bedeutung. Diese Entwicklung könnte zu einer fragmentierteren, aber auch innovativeren E-Commerce-Ökonomie führen, in der Spezialisierung und Geschwindigkeit über Größe und Breite triumphieren.
Für traditionelle Einzelhändler bedeutet dies einen Weckruf: Anpassen oder zurückbleiben. Die Fähigkeit, schnell auf Verbrauchertrends zu reagieren, datengestützte Entscheidungen zu treffen und nahtlose digitale Erlebnisse zu bieten, wird zum Überlebensfaktor. Gleichzeitig eröffnen sich für agile Newcomer Chancen, in Nischen zu brillieren und durch spezialisierte Angebote zu punkten.
Der nächste Evolutionsschritt: Vom Produkt zur Plattform
Sheins Entwicklung vom reinen Modehändler zur umfassenden E-Commerce-Plattform und potenziellen Infrastrukturanbietern illustriert einen breiteren Trend im digitalen Handel. Die erfolgreichsten Unternehmen evolvieren von Produktanbietern zu Plattformökosystemen, die Mehrwert für verschiedene Stakeholder schaffen – Kunden, Verkäufer, Hersteller und Content-Creator.
Diese Plattformisierung könnte der nächste große Disruptionsfaktor im globalen Handel sein. Unternehmen, die proprietäre Technologien und Prozesse entwickelt haben, können diese als eigenständige Dienstleistungen monetarisieren und so neue Einnahmequellen erschließen. Sheins Vorstoß in Richtung „Supply Chain as a Service“ ist ein frühes Beispiel für diesen Trend, der sich in den kommenden Jahren voraussichtlich beschleunigen wird.
Gleichzeitig dürften regulatorische Eingriffe zunehmen, insbesondere in Bezug auf Umweltauswirkungen, Arbeitsbedingungen und Steuerfragen. Die Fähigkeit, diese Herausforderungen zu navigieren und gleichzeitig innovativ zu bleiben, wird entscheidend für den langfristigen Erfolg sein.
Ultra-Fast-Fashion 2.0: Nachhaltigkeit als nächste Herausforderung
Die größte Herausforderung für Shein und ähnliche Ultra-Fast-Fashion-Plattformen liegt in der Vereinbarkeit ihres Geschäftsmodells mit wachsenden Nachhaltigkeitsanforderungen. Mit Emissionen von 16,7 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2023 steht Shein zunehmend in der Kritik von Umweltorganisationen und bewussten Konsumenten.
Die nächste Evolution des Modells könnte eine Integration von Nachhaltigkeit in den Kern des Geschäfts sein – nicht als Marketingmaßnahme, sondern als fundamentaler Bestandteil der Wertschöpfung. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits erkennbar: Shein investiert in recycelte Materialien, effizientere Produktionsmethoden und lokale Fertigungszentren, um Transportwege zu verkürzen.
Die neue Ära des digitalen Handels
Der Aufstieg von Ultra-Fast-Fashion-Giganten wie Shein markiert den Beginn einer neuen Ära im globalen E-Commerce. Die traditionelle Dominanz von Amazon wird herausgefordert durch spezialisierte Plattformen, die durch vertikale Integration, datengetriebene Entscheidungsfindung und direkte Verbindungen zwischen Herstellern und Konsumenten neue Maßstäbe setzen.
Für Unternehmen aller Größenordnungen bietet diese Entwicklung sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Die Fähigkeit, aus dem Shein-Phänomen zu lernen und relevante Elemente in die eigene Strategie zu integrieren, könnte entscheidend für den zukünftigen Erfolg sein. Gleichzeitig eröffnen sich neue Nischen und Spezialisierungsmöglichkeiten in einem zunehmend fragmentierten Markt.
Die wahren Gewinner dieser Transformation werden letztlich die Konsumenten sein, die von größerer Auswahl, niedrigeren Preisen und innovativeren Einkaufserlebnissen profitieren. Der Wettbewerb zwischen Amazon, Shein, Temu und anderen aufstrebenden Plattformen wird den digitalen Handel weiter demokratisieren und neue Maßstäbe für Kundenerfahrung und Effizienz setzen.
Digitale Handelsplattformen: Die neue Weltordnung
Was wir derzeit erleben, ist nicht weniger als eine fundamentale Neuordnung des globalen Handels. Ultra-Fast-Fashion-Plattformen wie Shein haben bewiesen, dass es möglich ist, etablierte Marktführer herauszufordern und in rekordverdächtiger Zeit signifikante Marktanteile zu erobern. Diese Erkenntnis wird weitere Innovatoren und Disruptoren inspirieren und zu einer dynamischeren, wettbewerbsintensiveren E-Commerce-Landschaft führen.
Die Zukunft gehört den Plattformen, die Geschwindigkeit, Personalisierung und Effizienz in beispielloser Weise kombinieren können. Das Shein-Modell hat einen neuen Standard gesetzt – und die gesamte Branche wird sich anpassen müssen oder riskieren, zurückgelassen zu werden.
Während Amazon seine Position als allumfassender E-Commerce-Gigant verteidigt, werden wir wahrscheinlich eine zunehmende Spezialisierung und Fragmentierung des Marktes erleben. Kategoriespezifische Plattformen wie Shein in der Mode könnten in anderen Bereichen Nachahmer finden – von Elektronik über Haushaltswaren bis hin zu Lebensmitteln. Das Ergebnis könnte ein Ökosystem spezialisierter Plattformen sein, die in ihren jeweiligen Nischen dominieren und gemeinsam die E-Commerce-Landschaft der Zukunft prägen.
Die Macht der digitalen Transformation
Der beispiellose Erfolg von Shein unterstreicht die transformative Kraft digitaler Technologien im globalen Handel. Was als kleiner Online-Shop für Brautkleider begann, hat sich innerhalb weniger Jahre zum weltgrößten Modehändler entwickelt – ein Beweis dafür, dass digitale Disruption in nahezu jeder Branche möglich ist.
Die Lehre für Unternehmen aller Größenordnungen ist klar: Digitale Transformation ist kein optionales Upgrade, sondern eine existenzielle Notwendigkeit. Wer die Möglichkeiten von KI, Datenanalyse und direkten digitalen Kundenbeziehungen nicht nutzt, riskiert, von agileren, technologisch fortschrittlicheren Wettbewerbern überholt zu werden.
Gleichzeitig zeigt der Aufstieg von Shein, dass Größe und Marktmacht allein keinen dauerhaften Schutz vor Disruption bieten. Selbst Amazon, mit seiner beispiellosen Ressourcenstärke und Marktdominanz, sieht sich mit Herausforderungen durch spezialisierte Newcomer konfrontiert. In der digitalen Ökonomie können innovative Geschäftsmodelle und technologische Exzellenz traditionelle Wettbewerbsvorteile neutralisieren und neue Marktführer hervorbringen – oft schneller, als etablierte Akteure reagieren können.
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analyzify.com – Discover Latest Shein Statistics (2025)