Der Bitcoin-Treasury-Markt erlebt eine dramatische Wendung: Während institutionelle Nachfrage nach Bitcoin auf ein Rekordniveau von 414 Milliarden Dollar angestiegen ist, stürzen ausgerechnet die Aktien jener Unternehmen ab, die massiv Bitcoin in ihren Bilanzen halten. MicroStrategy, Marathon Digital und andere Bitcoin-Schwergewichte verlieren deutlich an Börsenwert – trotz wachsender BTC-Bestände. Dieser Widerspruch wirft fundamentale Fragen zur Zukunft des Treasury-Modells auf.
Der paradoxe Absturz der Bitcoin-Schatzkammern
MicroStrategy, der Pionier unter den Bitcoin-Treasury-Unternehmen, steht exemplarisch für das aktuelle Dilemma. Obwohl das Unternehmen seine Bitcoin-Bestände auf beeindruckende 636.505 BTC verdoppelt hat und der Bitcoin-Kurs seit November 2024 um 19% gestiegen ist, verlor die MSTR-Aktie im gleichen Zeitraum 39% an Wert. Von ihrem Jahreshoch bei 458 Dollar ist die Aktie auf etwa 330 Dollar abgestürzt.
Diese Entwicklung ist kein Einzelfall. Marathon Digital (MARA) fiel um 19% im Monatsvergleich, Coinbase (COIN) um 27% und Riot Platforms (RIOT) um 15%. Besonders auffällig: Viele dieser Unternehmen handeln mittlerweile unter ihrem Markt-NAV (Net Asset Value) – ein klares Zeichen für schwindendes Vertrauen.
ETFs als Game-Changer im institutionellen Bitcoin-Markt
Der Hauptgrund für diese überraschende Entwicklung liegt in der explosionsartigen Entwicklung der Bitcoin-ETFs. Bis zum dritten Quartal 2025 haben US-Spot-Bitcoin-ETFs sage und schreibe 118 Milliarden Dollar an institutionellen Zuflüssen angezogen. Allein BlackRocks iShares Bitcoin Trust (IBIT) sammelte bis zum ersten Quartal 2025 beeindruckende 18 Milliarden Dollar ein. Diese ETFs bieten institutionellen Anlegern genau das, was sie suchen: regulierte Bitcoin-Exposure ohne die Komplexität und Risiken eines Treasury-Unternehmens.
Strukturelle Schwächen des Treasury-Modells kommen ans Licht
Ein zentrales Problem vieler Bitcoin-Treasury-Unternehmen liegt in ihrer Finanzierungsstrategie. MicroStrategy beispielsweise hat seine Aktienanzahl von 97 Millionen in 2020 auf über 300 Millionen in 2025 aufgebläht – eine massive Verwässerung für Bestandsaktionäre.
Hinzu kommen verschärfte regulatorische Rahmenbedingungen. Die Nasdaq implementiert neue Aktionärsgenehmigungsanforderungen für Aktienemissionen, die zum Kauf von Kryptowährungen verwendet werden. Diese Regeländerung zielt direkt auf das gängige Treasury-Playbook ab, bei dem öffentliche Unternehmen kontinuierlich Aktien oder Wandelanleihen verkaufen, um Token-Käufe zu finanzieren.
Auch der im Juli 2025 erlassene GENIUS Act, der strenge Reserveanforderungen für Stablecoins vorschreibt, erhöht die Compliance-Kosten für Unternehmen, die auf digitale Assets setzen.
Experten warnen vor der „Todesspirale“
Glassnode-Hauptanalyst James Check bringt es auf den Punkt: „Das aktuelle Bitcoin-Haltemodell ist möglicherweise nicht so nachhaltig, wie viele erwartet haben.“ Besonders alarmierend ist seine Beobachtung, dass neue Marktteilnehmer bereits Schwierigkeiten haben, Kapitalzuflüsse anzuziehen. „Niemand will das 50. Treasury-Unternehmen“, so Check.
Noch deutlicher wird Bitcoin Magazine-Reporter Emil Sandstedt, der einige Treasury-Unternehmen mit Ponzi-Schemes vergleicht: „Sie schaffen eine Illusion von Wachstum, indem sie massive Mengen an Aktien und komplexe Finanzprodukte ausgeben, um mehr Bitcoin zu kaufen.“
Die Venture-Capital-Firma Breed warnt in einem vielbeachteten Bericht sogar vor einer „Todesspirale“ für Bitcoin-haltende Unternehmen, die nahe dem Nettoinventarwert handeln. Der Bericht skizziert sieben Phasen des Niedergangs, beginnend mit einem Bitcoin-Preisrückgang, der den Aktienkurs eines Unternehmens auf seinen tatsächlichen NAV drückt.
Chancen im Wandel: So könnte das Treasury-Modell überleben
Trotz aller Herausforderungen gibt es Lichtblicke für das Treasury-Modell. Wenn Bitcoin die von MicroStrategy prognostizierten 150.000 Dollar erreicht, könnte allein der faire Wert des Unternehmens basierend auf seinen aktuellen Beständen bei etwa 308 Dollar pro Aktie liegen. Mit fortgesetzter Akkumulation und einer moderaten NAV-Prämie könnten sogar Kurse zwischen 600 und 880 Dollar möglich sein.
Entscheidend wird sein, welche Treasury-Unternehmen ein nachhaltiges Geschäftsmodell jenseits der reinen Bitcoin-Akkumulation entwickeln können. Die langfristigen Bitcoin-Fundamentaldaten – begrenzte Angebotsdynamik und wachsende institutionelle Adoption – bleiben trotz der kurzfristigen Korrekturen positiv.
Die Treasury-Revolution braucht ein Update
Die aktuellen Marktentwicklungen zeigen: Das reine Horten von Bitcoin reicht als Geschäftsmodell nicht mehr aus. Erfolgreiche Treasury-Unternehmen der Zukunft werden ihre Bitcoin-Bestände aktiver managen und echte Mehrwerte schaffen müssen. Die nächste Generation von Bitcoin-Treasury-Unternehmen wird sich durch Kapitaleffizienz, transparente Governance und innovative Nutzung ihrer digitalen Assets auszeichnen – nicht durch bloße Akkumulation.
CryptoSlate – Bitcoin treasury companies‘ purchase volumes slump despite record transaction count
AInvest – Bitcoin Treasury Companies‘ Shares Plunge Amid Dwindling Institutional Demand and Regulatory Shifts
CoinTribune – Are Bitcoin Treasury Companies the Next Big Bubble? Analysts Say Many Could Collapse Without a Plan