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Airbnb im Wandel – die Experience-First-Strategie hat den Reisemarkt verändert

Airbnb: Die Experience-First-Strategie markiert den nächsten Evolutionsschritt: weg vom reinen Übernachten, hin zum authentischen Erleben.

Vom Luftbett auf dem Wohnzimmerboden zum globalen Reise-Giganten – Brian Chesky hat mit Airbnb nicht nur die Unterkunftsbranche revolutioniert, sondern verändert jetzt das Reisen an sich. Seine Experience-First-Strategie markiert den nächsten Evolutionsschritt: weg vom reinen Übernachten, hin zum authentischen Erleben. Während traditionelle Tourismuskonzerne noch immer an standardisierten Angeboten festhalten, baut Chesky konsequent eine Plattform auf, die Menschen nicht nur irgendwo unterbringt, sondern sie tief in lokale Kulturen eintauchen lässt. Was als Nebenprojekt begann, entwickelt sich zum Herzstück des Airbnb-Imperiums – und definiert gleichzeitig neu, was modernes Reisen bedeutet.

Vom Notfall-Luftbett zum 75-Milliarden-Dollar-Unternehmen

Die Geschichte von Airbnb beginnt wie viele große Erfolgsgeschichten mit einem Problem und einer improvisierten Lösung. Als 2008 eine Designkonferenz in San Francisco stattfand und alle Hotels ausgebucht waren, erkannten die Industriedesigner Brian Chesky und Joe Gebbia ihre Chance. Sie stellten Luftmatratzen in ihrem Wohnzimmer auf und boten Frühstück an – „AirBed & Breakfast“ war geboren. Aus dieser Notlösung entwickelte sich mit dem Einstieg von Nathan Blecharczyk als technischem Mitgründer schnell ein vielversprechendes Geschäftsmodell.

Was damals revolutionär erschien – bei Fremden zu übernachten – ist heute längst Alltag. Über 7 Millionen Unterkünfte in mehr als 220 Ländern und Regionen stehen auf der Plattform zur Verfügung. Seit der Gründung haben über 1 Milliarde Gäste bei Airbnb-Gastgebern übernachtet. Der Börsengang im Dezember 2020 katapultierte das Unternehmen trotz Pandemie auf eine Marktkapitalisierung von rund 75 Milliarden US-Dollar.

Doch Brian Chesky, der bis heute als CEO die Geschicke des Unternehmens lenkt, war nie zufrieden damit, nur Betten zu vermitteln. Seine Vision ging von Anfang an weiter: „We want to create a world where anyone can belong anywhere“ – eine Welt schaffen, in der jeder überall dazugehören kann.

Die Geburtsstunde der Experience-First-Strategie

Der entscheidende strategische Wendepunkt kam mit der Einführung von Airbnb Experiences in zunächst 12 Städten. Chesky erkannte, dass die Unterkunft zwar wichtig ist, aber letztlich nur der Ausgangspunkt für das eigentliche Reiseerlebnis. Die neue Produktkategorie erlaubte es lokalen Gastgebern, nicht nur ihre Wohnungen anzubieten, sondern auch einzigartige Aktivitäten und Erlebnisse zu kreieren – vom Kochkurs mit einer italienischen Nonna bis zur Street-Art-Tour mit einem lokalen Künstler in Berlin. Der Gedanke dahinter war ebenso einfach wie genial: Reisende wollen nicht wie Touristen behandelt werden, sondern authentische Erfahrungen machen und für kurze Zeit wie Einheimische leben.

Warum Authentizität die neue Währung im Tourismus ist

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Das Segment „Authentic Travel“ wächst jährlich um beeindruckende 23% – deutlich schneller als der traditionelle Tourismus. Besonders Millennials treiben diesen Trend voran, denn laut Marktforschung bevorzugen 73% dieser Generation authentische Reiseerlebnisse gegenüber Standardtourismus.

Chesky hat früh erkannt, dass sich die Bedürfnisse der Reisenden fundamental verändern. Während frühere Generationen oft standardisierte Pauschalangebote bevorzugten, suchen moderne Reisende nach tieferen Erfahrungen und persönlichen Verbindungen. Sie wollen nicht länger passive Konsumenten sein, die von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten geschleust werden, sondern aktive Teilnehmer, die in lokale Gemeinschaften eintauchen.

In einem Interview mit Bloomberg betonte Chesky: „Travel is becoming less about where you go and more about how you experience a place.“ Es geht nicht mehr primär um das Reiseziel selbst, sondern um die Art und Weise, wie man einen Ort erlebt. Diese Erkenntnis bildet den Kern der Experience-First-Strategie.

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei Airbnb-Buchungen liegt bei 5,6 Nächten – mehr als doppelt so lang wie die 2,4 Nächte in traditionellen Hotels. Längere Aufenthalte ermöglichen tiefere Einblicke in lokale Kulturen und passen perfekt zur Experience-Strategie.

Die vier Säulen des Experience-Erfolgs

Der Erfolg von Airbnb Experiences basiert auf vier klar definierten Kategorien, die besonders stark nachgefragt werden und die Vielfalt des Angebots widerspiegeln:

Kulinarische Erlebnisse mit lokalen Köchen stehen an der Spitze der Beliebtheitsskala. Vom Pasta-Workshop in Rom bis zum Streetfood-Rundgang in Bangkok – Essen verbindet Menschen über kulturelle Grenzen hinweg und bietet einen authentischen Zugang zu fremden Kulturen. Diese Kategorie spricht alle Sinne an und schafft bleibende Erinnerungen, die weit über das hinausgehen, was ein Restaurantbesuch bieten kann.

Die zweite Säule bilden Kunstworkshops mit lokalen Künstlern. Hier können Reisende selbst kreativ werden und traditionelle Handwerkstechniken erlernen – sei es Töpfern in Japan, Glaskunst in Venedig oder traditionelle Textilkunst in Peru. Diese Experiences vermitteln nicht nur praktische Fähigkeiten, sondern auch kulturelles Wissen und schaffen eine persönliche Verbindung zur lokalen Kunstszene.

Von der Nische zum Massenmarkt: Wie Experiences das Kerngeschäft werden

Was als Ergänzung zum Unterkunftsgeschäft begann, entwickelt sich zunehmend zum eigenständigen Wachstumsmotor. Über 40.000 Experiences in mehr als 1.000 Städten weltweit zeigen die enorme Skalierung des Konzepts. Die durchschnittliche Bewertung von 4,8 von 5 Sternen belegt die hohe Qualität und Kundenzufriedenheit.

Besonders bemerkenswert: Gäste, die Experiences buchen, haben eine 15% höhere Wiederbuchungsrate. Sie bleiben der Plattform also treuer als jene, die nur Unterkünfte buchen. Für Airbnb bedeutet dies nicht nur zusätzliche Umsätze, sondern auch eine stärkere Kundenbindung und geringere Akquisekosten.

Die Finanzzahlen unterstreichen diesen Trend. Im dritten Quartal 2024 verzeichnete Airbnb einen Gesamtumsatz von 3,7 Milliarden US-Dollar, was einem Wachstum von 10% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Bemerkenswert ist dabei, dass das Experience-Segment mit einem Plus von 18% deutlich stärker wuchs als das Gesamtgeschäft.

Wie die Pandemie Cheskys Strategie beschleunigte

Die COVID-19-Pandemie hätte das Ende für Airbnb bedeuten können. Stattdessen nutzte Chesky die Krise als Katalysator für eine noch konsequentere Umsetzung seiner Experience-First-Vision. Als physische Reisen unmöglich wurden, führte das Unternehmen innerhalb weniger Wochen „Online Experiences“ ein – virtuelle Erlebnisse, die von Zuhause aus gebucht werden konnten. Vom virtuellen Kochkurs mit einem Michelin-Sternekoch bis zum Online-Workout mit olympischen Athleten – die Kreativität der Gastgeber kannte keine Grenzen.

Nach dem Ende der Lockdowns erkannte Chesky einen weiteren Trend: Remote Work und digitales Nomadentum. Mit der „Live Anywhere“-Initiative positionierte er Airbnb nicht mehr nur als Plattform für Urlaubsreisen, sondern als Lösung für einen neuen, ortsunabhängigen Lebensstil. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer stieg deutlich an, und viele Nutzer buchten nicht mehr für ein Wochenende, sondern für Wochen oder Monate.

KI als Game-Changer für personalisierte Reiseerlebnisse

Die nächste Evolution der Experience-Strategie zeichnet sich bereits ab: Künstliche Intelligenz wird zum Schlüsselelement für noch personalisiertere Reiseerlebnisse. Airbnb investiert massiv in KI-Technologien, die Nutzerpräferenzen analysieren und maßgeschneiderte Empfehlungen aussprechen können.

Im Mai 2022 führte das Unternehmen „Categories“ ein – eine völlig neue Suchfunktion, die nicht mehr primär nach Orten, sondern nach Reisestilen und Erlebnissen filtert. Ob „Tiny Homes“, „Historische Häuser“ oder „Surfen“ – die Kategorien orientieren sich an Interessen und Erlebnissen statt an geografischen Grenzen. Diese Funktion zeigt exemplarisch, wie Airbnb vom reinen Vermittler zum Kurator von Erlebnissen wird.

Chesky sieht in der KI-Integration enormes Potenzial: „Wir können durch maschinelles Lernen verstehen, welche Art von Erlebnissen euch begeistern könnten, bevor ihr selbst es wisst.“ Die Vision: Ein digitaler Reisebegleiter, der basierend auf individuellen Vorlieben, Interessen und früheren Buchungen genau die Unterkünfte und Experiences vorschlägt, die zu euch passen – und dabei auch solche Erlebnisse entdeckt, nach denen ihr nie aktiv gesucht hättet.

Herausforderungen auf dem Weg zur Experience-Dominanz

Trotz aller Erfolge steht Airbnb vor erheblichen Herausforderungen. In vielen Städten weltweit wächst der regulatorische Druck. Barcelona, Amsterdam und New York haben bereits strenge Beschränkungen für Kurzzeitvermietungen eingeführt. Kritiker argumentieren, dass Airbnb zu Wohnungsknappheit und Gentrifizierung beiträgt.

Chesky reagiert auf diese Kritik mit der Einführung von „Responsible Hosting“-Richtlinien und der aktiven Zusammenarbeit mit Städten. Er betont, dass Airbnb durch die Verteilung von Touristen über ganze Städte hinweg tatsächlich zu nachhaltigerem Tourismus beitragen kann als massentouristische Hotspots.

Eine weitere Herausforderung ist die wachsende Konkurrenz. Booking.com, Expedia Group (Vrbo) und sogar Google Travel drängen in den Markt für authentische Reiseerlebnisse. Auch traditionelle Hotelketten haben das Potenzial erkannt und bauen eigene Experience-Angebote auf.

Airbnbs Wettbewerbsvorteile in einem umkämpften Markt

Trotz zunehmender Konkurrenz verfügt Airbnb über entscheidende Wettbewerbsvorteile. Der First-Mover-Advantage im Peer-to-Peer-Segment hat dem Unternehmen einen erheblichen Vorsprung verschafft. Die starke Community aus Gastgebern und Gästen schafft ein Vertrauensnetzwerk, das schwer zu kopieren ist.

Die technologische Innovation bleibt ein weiterer Schlüsselfaktor. Airbnb investiert kontinuierlich in die Verbesserung seiner Plattform und in neue Funktionen, die das Nutzererlebnis optimieren. Die globale Reichweite bei gleichzeitiger lokaler Präsenz ermöglicht es dem Unternehmen, sowohl international agierende Reisende als auch lokale Communities anzusprechen.

Besonders wichtig: Während viele Konkurrenten Experiences als Zusatzprodukt betrachten, stehen sie bei Airbnb im Zentrum der Unternehmensstrategie. Diese klare Fokussierung zahlt sich aus – sowohl in Form von Nutzerzahlen als auch in der Markenwahrnehmung.

Cheskys Vision für die nächsten Jahre

Brian Cheskys Langzeitvision geht weit über das hinaus, was Airbnb heute ist. Er träumt von einer Integration von Augmented und Virtual Reality, die es ermöglichen soll, Unterkünfte und Experiences vorab immersiv zu erleben. Statt Fotos zu scrollen, könntet ihr virtuell durch eure potenzielle Unterkunft spazieren oder einen Vorgeschmack auf eine Experience bekommen.

Die Expansion in unterversorgte Märkte steht ebenfalls auf der Agenda. Chesky sieht enormes Potenzial in Regionen, die bisher vom Massentourismus vernachlässigt wurden, aber authentische Erlebnisse bieten können. Durch die gezielte Förderung solcher Destinationen könnte Airbnb nicht nur neue Märkte erschließen, sondern auch zur wirtschaftlichen Entwicklung benachteiligter Regionen beitragen.

Ein besonders ambitioniertes Projekt sind die „Airbnb Cities“ – komplette Reisedestinationen, die nach den Prinzipien von Airbnb gestaltet werden. In Zusammenarbeit mit Architekten, Stadtplanern und lokalen Gemeinschaften könnten so Orte entstehen, die von Grund auf für authentisches Reisen konzipiert sind.

Von der Unterkunft zum Lebensgefühl: Der wahre Wert der Experience-Strategie

Was Cheskys Ansatz so bemerkenswert macht, ist die Transformation von einer transaktionalen zu einer emotionalen Ebene. Airbnb verkauft nicht mehr nur Betten oder Aktivitäten – es verkauft ein Lebensgefühl, eine Haltung zum Reisen und letztlich eine Weltsicht. Die Marke steht für Offenheit, Neugier und kulturellen Austausch in einer zunehmend fragmentierten Welt.

Die Experience-First-Strategie ist dabei mehr als ein Geschäftsmodell – sie ist eine Antwort auf tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen. In einer Zeit, in der materielle Güter an Bedeutung verlieren und Erlebnisse zum neuen Status werden, positioniert sich Airbnb genau an der Schnittstelle dieser Entwicklung. Die Plattform ermöglicht es Menschen, in fremde Welten einzutauchen, neue Perspektiven zu gewinnen und Verbindungen zu knüpfen, die über kulturelle und geografische Grenzen hinausgehen.

Was Unternehmer von Cheskys Strategie lernen können

Für Unternehmer und Führungskräfte aus allen Branchen bietet Cheskys Ansatz wertvolle Lektionen. Die konsequente Fokussierung auf emotionale Kundenbedürfnisse statt auf rein funktionale Aspekte hat Airbnb von Mitbewerbern differenziert. Während Hotels weiterhin mit Zimmergrößen und Amenities werben, verkauft Airbnb Geschichten und Zugehörigkeit.

Die Fähigkeit, Krisen als Chancen zu begreifen, zeigte sich besonders während der Pandemie. Statt in Schockstarre zu verfallen, nutzte Chesky die Unterbrechung des normalen Geschäfts, um die Transformation des Unternehmens zu beschleunigen und neue Angebote zu entwickeln.

Besonders bemerkenswert ist auch die Balance zwischen globaler Skalierung und lokaler Authentizität. Airbnb operiert weltweit, bewahrt aber durch sein Geschäftsmodell die lokalen Besonderheiten jeder Destination. Diese Verbindung von globaler Reichweite und lokaler Tiefe ist ein Modell, das in vielen Branchen Anwendung finden könnte.

Neues Kapitel im Reisen: Authentizität als Wachstumstreiber

Brian Cheskys Experience-First-Strategie markiert den Beginn eines neuen Kapitels – nicht nur für Airbnb, sondern für die gesamte Reisebranche. Was als Experiment mit Luftmatratzen begann, entwickelt sich zu einer umfassenden Plattform für authentische Erlebnisse und kulturellen Austausch. Die Zahlen sprechen für sich: stärkeres Wachstum im Experience-Segment, höhere Kundenbindung und eine klare Differenzierung vom Wettbewerb.

Während traditionelle Tourismusunternehmen noch immer an veralteten Geschäftsmodellen festhalten, baut Chesky konsequent die Infrastruktur für die Zukunft des Reisens auf. Seine Vision einer Welt, in der jeder überall dazugehören kann, mag idealistisch klingen – aber die bisherigen Erfolge zeigen, dass authentisches Reisen nicht nur ein Trend, sondern ein fundamentaler Wandel im Konsumverhalten ist.

Für uns alle bedeutet dies: Reisen wird persönlicher, bedeutungsvoller und nachhaltiger. Es geht nicht mehr darum, Orte abzuhaken, sondern darum, echte Verbindungen zu schaffen und Erinnerungen zu sammeln, die ein Leben lang halten. In diesem Sinne ist Cheskys Experience-First-Strategie weit mehr als ein Geschäftsmodell – sie ist ein Wegweiser für die Zukunft des Reisens in einer zunehmend vernetzten Welt.

Forbes – Brian Chesky Profile (Kerry A. Dolan)

Airbnb Newsroom – About Airbnb

Bloomberg – Airbnb CEO Brian Chesky on the Future of Travel (Sarah McBride)

Airbnb Investor Relations – Q3 2024 Shareholder Letter

PhocusWire – Airbnb’s authentic travel trends for 2024 (Linda Fox)

Reuters – Airbnb faces growing regulatory pressure from cities worldwide (Tiyashi Datta)

(c) Foto: Airbnb, Presse

About the author

Bild von Alexander Dionisius

Alexander Dionisius

Für Alexander Dionisius ist das Schreiben eine Leidenschaft und so arbeitet er seit über 30 Jahren als Redakteur für unterschiedliche Medien und Onlineportale. Sein Schwerpunkt sind Wirtschaftsthemen mit einem besonderen Blick auf die Start-Up-Szene. Die Ausbildung zum Redakteur absolvierte er an der Deutschen Journalistenschule in München für Hubert Burda Media. 2007 hat er sich als freiberuflicher Redakteur und Kommunikationsberater selbständig gemacht.
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