Die europäische Medienlandschaft erlebt einen historischen Umbruch. Mit einem radikalen Führungswechsel bei ProSiebenSat.1 setzt die Berlusconi-Holding MFE klare Zeichen für ihre paneuropäische Medienstrategie. Der komplette Austausch des Vorstands markiert den Beginn einer neuen Ära, nachdem MFE sich 75,61 Prozent des Aktienkapitals gesichert hat. Diese Machtverschiebung ist mehr als ein Personalwechsel – sie läutet die Transformation zu einem europäischen Medienverbund ein, der mit den großen US-Streamingdiensten konkurrieren will.
Der neue Führungskader: Berlusconi-Vertraute übernehmen das Ruder
Der Umbau beginnt an der Spitze: Marco Giordani, langjähriger CFO von MFE und enger Vertrauter der Berlusconi-Familie, übernimmt mit sofortiger Wirkung den CEO-Posten von Bert Habets. Mit über drei Jahrzehnten Führungserfahrung in der Medienbranche gilt Giordani als Schlüsselfigur für die Integration des deutschen Medienhauses in die MFE-Gruppe.
Auch auf Finanzebene gibt es einen Wechsel: Bob Rajan, Managing Director bei Alvarez & Marsal Private Equity Performance, wird interimistisch die CFO-Position von Martin Mildner übernehmen. Seine Expertise in Restrukturierungsprozessen und Verhandlungen mit Betriebsräten dürfte in der kommenden Transformationsphase entscheidend sein.
Die bisherige COO-Position von Markus Breitenecker wird auf Vorstandsebene nicht neu besetzt – ein deutliches Signal für die anstehende Verschlankung der Führungsstruktur.
Harter Sparkurs als strategische Notwendigkeit
Der Führungswechsel ist Teil eines umfassenden Transformationsprogramms, das ProSiebenSat.1 in eine neue Wettbewerbsposition bringen soll. Allein in diesem Jahr plant das Unternehmen Kosteneinsparungen von rund 80 Millionen Euro, ab 2026 sollen es jährlich 100 Millionen Euro sein. Diese Maßnahmen gehen mit einem signifikanten Stellenabbau einher – etwa 430 Vollzeitstellen stehen auf dem Prüfstand, nachdem bereits 2023 rund 400 Stellen gestrichen wurden. Die Synergiepotenziale durch die vollständige Integration in die MFE-Gruppe sind beträchtlich: Experten rechnen mit Einsparungen von 150 Millionen Euro innerhalb der kommenden vier bis fünf Jahre.
Die paneuropäische Vision der Berlusconis
Hinter dem Führungswechsel steht eine klare strategische Vision: der Aufbau eines paneuropäischen Medienverbunds, der mit den digitalen Giganten aus den USA konkurrieren kann. Pier Silvio Berlusconi, Sohn des verstorbenen italienischen Medienmoguls und Politikers Silvio Berlusconi, treibt damit ein Projekt seines Vaters voran.
Die Strategie basiert auf vier Kernprinzipien: Erstens die Wahrung redaktioneller Freiheit und Unabhängigkeit der lokalen Redaktionen. Zweitens die Beibehaltung nationaler Verankerung mit Respekt für die kulturelle Identität jedes Landes. Drittens die Erhaltung und Erweiterung der Beschäftigungsniveaus mit Fokus auf junge Fachkräfte. Und viertens der Aufbau eines Broadcasters, der im globalen Wettbewerb bestehen kann.
Mit der Kombination aus MFE und ProSiebenSat.1 entsteht ein Medienverbund, der fünf zentrale europäische Märkte abdeckt: Deutschland, Österreich und die Schweiz (ProSiebenSat.1) sowie Italien und Spanien (MFE). Damit erreicht die Gruppe eine Gesamtbevölkerung von etwa 210 Millionen Menschen.
Besonders spannend: Die mögliche Fusion der Streaming-Plattformen Mediaset Infinity und Joyn könnte eine wettbewerbsfähige paneuropäische Alternative zu Netflix, Amazon und Disney+ schaffen.
Maria Kyriacou als Schlüsselfigur im Aufsichtsrat
Eine zentrale Rolle bei der Transformation spielt Maria Kyriacou, die neue Aufsichtsratsvorsitzende von ProSiebenSat.1. Mit fast 30 Jahren Führungserfahrung in der globalen Medienbranche – unter anderem bei Paramount Global, ITV Studios und Disney – bringt sie wertvolle internationale Expertise mit.
Kyriacou betont die strategische Bedeutung des Führungswechsels: „Die Berufung von Marco Giordani spiegelt den Ehrgeiz wider, die strategische Transformation mit einem klaren Fokus auf Exzellenz und eine führende Marktposition im Entertainment weiter zu beschleunigen.“
Europäische Medienmacht mit Zukunftspotenzial
Der radikale Umbau bei ProSiebenSat.1 ist mehr als ein Personalwechsel – er markiert den Startschuss für die Entstehung eines europäischen Medienverbunds mit echter Schlagkraft. In einer Zeit, in der US-Streamingdienste den Markt dominieren, könnte diese paneuropäische Strategie ein Gegengewicht schaffen.
Für die europäische Medienbranche eröffnen sich dadurch neue Perspektiven: stärkere Verhandlungspositionen gegenüber Content-Produzenten, gebündelte Werbekraft und die Möglichkeit, europäische Inhalte global besser zu positionieren. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Berlusconi-Vision eines europäischen Medienpols Realität werden kann.
prosiebensat1.com – ProSiebenSat.1 Announces Changes to its Executive Board
fernsehserien.de – Paukenschlag bei ProSiebenSat.1: Berlusconis MFE tauscht Vorstand komplett aus
deadline.com – MFE Overhauls ProSiebenSat.1 Media Leadership Team With C-Suite Execs Out
finanza.economia-italia.com – MEF di PierSilvio Berlusconi Conquista TV Europa