Der legendäre Investor Michael Burry wagt einen neuen „Big Short“ – diesmal gegen die heißesten Namen im KI-Boom. Mit Put-Optionen im Wert von 1,1 Milliarden Dollar wettet der Mann, der den Immobiliencrash 2008 vorhersagte, nun massiv gegen Nvidia und Palantir. Während die KI-Aktien bereits erste Kurseinbrüche verzeichnen, stellt sich die Frage: Steht der KI-Markt vor einer dramatischen Korrektur oder hat sich Burry diesmal verzockt?
Burrys Milliardenwette gegen den KI-Boom
Die Dimensionen sind beeindruckend: Über seine Investmentfirma Scion Asset Management hat Michael Burry Put-Optionen auf rund 5 Millionen Palantir-Aktien im Wert von 912 Millionen Dollar und 1 Million Nvidia-Aktien im Wert von 187 Millionen Dollar erworben. Diese beiden Positionen machen zusammen etwa 80% von Scions offengelegten US-Aktienbeständen aus – ein klares Zeichen, wie überzeugt Burry von seiner These ist.
Seine Warnung auf der Plattform X fiel deutlich aus: „Manchmal sehen wir Blasen. Manchmal gibt es etwas dagegen zu tun. Manchmal ist der einzige Gewinnzug, nicht zu spielen.“ Der unter dem Namen „Princess Cassandra“ postende Investor spielt damit auf die mythologische Figur an, die den Fall Trojas vorhersagte – aber niemand glaubte ihr.
Fallende Kurse trotz starker Fundamentaldaten
Die Timing der Wette ist bemerkenswert, denn tatsächlich zeigen die KI-Aktien erste Schwächeanzeichen. Nvidia fiel in der vergangenen Woche um 4% – nach einem Gewinn von über 50% in diesem Jahr. Palantir-Aktien rutschten sogar um 8% ab, obwohl das Software-Unternehmen die Wall Street-Erwartungen für das dritte Quartal übertraf und optimistische Prognosen abgab. Besonders pikant: Palantirs US-Geschäft verzeichnete ein beeindruckendes Umsatzwachstum von 44% im Jahresvergleich.
Palantir-CEO schlägt zurück
Alex Karp, CEO von Palantir, reagierte mit scharfer Kritik auf Burrys Wette. „Die zwei Unternehmen, die er shortet, sind diejenigen, die das ganze Geld verdienen, was super seltsam ist. Die Idee, dass Chips und Ontologie das ist, was man shorten will, ist völlig verrückt“, erklärte Karp gegenüber CNBC. Mit spürbarer Entschlossenheit fügte er hinzu: „Ich denke, dieses Verhalten ist ungeheuerlich und ich werde herumtanzen, wenn es sich als falsch erweist.“ In einem Brief an die Aktionäre betonte Karp selbstbewusst: „Wir haben dieses Quartal absolut vernichtet, angetrieben von unerbittlicher KI-Nachfrage, die nicht nachlassen wird.“
Die KI-Blasen-Debatte an der Wall Street
Die Expertenmeinungen zur möglichen KI-Blase könnten unterschiedlicher nicht sein. Eine Oktober-Umfrage der Bank of America Global Research ergab, dass 54% der Investoren glauben, dass KI-Aktien in einer Blase stecken. Hochkarätige CEOs wie Goldman Sachs‘ David Solomon warnen, er erwarte „viel Kapital, das eingesetzt wurde und keine Renditen liefert“.
Gleichzeitig argumentieren Analysten von Goldman Sachs, dass der KI-Boom gerade erst beginnt. Ihre These: „Der enorme wirtschaftliche Wert, den generative KI verspricht, rechtfertigt die aktuellen Investitionen in KI-Infrastruktur.“ Die Bewertungen der Top-Tech-Aktien erscheinen im historischen Vergleich sogar moderat – die fünf größten Aktien im S&P 500 handeln mit einem KGV von 28, verglichen mit 50 auf dem Höhepunkt der Tech-Blase 2000.
Besonders die Bewertungsunterschiede fallen auf: Während Palantir mit einem astronomischen Forward-KGV von 228 bewertet wird, liegt Nvidias KGV bei vergleichsweise moderaten 26.
Der entscheidende Moment steht bevor
Für Nvidias Aktionäre wird der 20. November zum Schicksalstag, wenn der Chip-Gigant seine Q3-Ergebnisse präsentiert. Die Prognosen des Unternehmens werden entscheidende Hinweise liefern, wie nachhaltig der KI-Ausgabenrausch tatsächlich ist. Mit einer Marktkapitalisierung, die kürzlich die 5-Billionen-Dollar-Marke überschritt, steht für Nvidia und den gesamten KI-Sektor viel auf dem Spiel.
Für Anleger stellt sich die Frage: Hat Burry mit seinem Gespür für überbewertete Märkte erneut ins Schwarze getroffen, oder unterschätzt er die transformative Kraft der KI-Revolution? Die kommenden Monate werden zeigen, ob wir tatsächlich einen „Big Short 2.0“ erleben oder ob die KI-Rallye nur eine kurze Verschnaufpause einlegt.
Der Kampf der Narrative
Im Kern geht es um zwei konkurrierende Erzählungen: Ist KI die nächste Internet-Revolution mit jahrzehntelangem Wachstumspotenzial? Oder wiederholt sich die Dotcom-Blase mit überzogenen Erwartungen und überhitzten Bewertungen?
Bemerkenswert ist auch die Rolle der Privatanleger in diesem Marktdrama. Etwa 55,6% der Palantir-Aktien werden von Kleinanlegern gehalten – ein ungewöhnlich hoher Anteil. Karp lobte diese Investoren ausdrücklich als „vernünftige Menschen, die ihr eigenes Geld einsetzen“ und sagte, sie „kämpfen auf der richtigen Seite“.
Das Spiel um die KI-Zukunft
Die Burry-Wette ist mehr als ein spekulativer Trade – sie ist ein fundamentaler Angriff auf die These, dass der aktuelle KI-Boom nachhaltig ist. Während die Bewertungen mancher KI-Aktien tatsächlich schwindelerregend erscheinen, zeigen die operativen Ergebnisse von Unternehmen wie Palantir eine beeindruckende Geschäftsdynamik.
Für Anleger bietet die aktuelle Situation sowohl Risiken als auch Chancen. Die klügste Strategie könnte sein, zwischen fundamentaler Stärke und spekulativen Übertreibungen zu unterscheiden – und nicht alle KI-Aktien über einen Kamm zu scheren.
sherwood.news – Michael Burry, of „Big Short“ fame, discloses ~$1.1 billion options bet against Nvidia and Palantir
fastcompany.com – Nvidia and Palantir: Hot AI stocks down today. Why are they falling?
eweek.com – AI Boom Barely Begun, Goldman Sachs Says
fortune.com – When AI’s ‚inevitable slowdown‘ comes it could tank the S&P 500 by up to 20%, Goldman Sachs says
Photo by Astrid Stawiarz/Getty Images