631 Milliarden Euro – eine Summe, die selbst in Zeiten milliardenschwerer Konjunkturpakete Aufmerksamkeit erregt. Mit dieser Investitionszusage setzt die deutsche Wirtschaft ein kraftvolles Zeichen gegen den vermeintlichen Niedergang des Industriestandorts Deutschland. Unter Führung von Deutsche Bank CEO Christian Sewing haben sich 61 Unternehmen zusammengeschlossen, um bis 2028 massiv in Deutschlands Zukunft zu investieren. Die Initiative „Made for Germany“ markiert einen Wendepunkt: Statt auf staatliche Rettung zu warten, nimmt die Privatwirtschaft das Heft selbst in die Hand.
Christian Sewing – Der Banker, der Deutschland neu ausrichten will
Christian Sewing steht seit 2018 an der Spitze der Deutschen Bank. Der 54-jährige Manager hat seine gesamte berufliche Laufbahn bei dem Finanzinstitut verbracht – vom Ausbildungsstart 1989 bis zum Chefsessel. Diese tiefe Verwurzelung im Unternehmen prägt seinen Führungsstil: bodenständig, aber mit klarem Blick für große strategische Linien.
Mit „Made for Germany“ betritt Sewing nun die wirtschaftspolitische Bühne. Der Bankchef nutzt seine Position, um die Wirtschaftselite des Landes hinter einem gemeinsamen Ziel zu vereinen: Deutschland wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Dabei geht es nicht um kurzfristige Gewinne, sondern um langfristige Wettbewerbsfähigkeit.
Sewings Initiative kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation, hoher Energiepreise und zunehmender internationaler Konkurrenz steht Deutschland unter Druck. Ausgerechnet ein Banker wird nun zum Hoffnungsträger für die industrielle Erneuerung.
631 Milliarden Euro – Wohin fließt das Geld?
Die gigantische Investitionssumme verteilt sich auf sechs strategische Schwerpunkte, die Deutschlands drängendste Zukunftsherausforderungen adressieren. Mit 180 Milliarden Euro fließt der größte Anteil in Digitalisierung und künstliche Intelligenz – ein Bereich, in dem Deutschland international aufholen muss. Weitere 150 Milliarden Euro sind für nachhaltige Energien und Dekarbonisierung vorgesehen, 120 Milliarden für Forschung und Entwicklung. Die verbleibenden Mittel verteilen sich auf Infrastruktur und Produktionskapazitäten (100 Milliarden), Bildung und Qualifizierung (45 Milliarden) sowie Startups und Innovation (36 Milliarden). Diese Verteilung zeigt deutlich: Es geht nicht um kurzfristige Konjunkturimpulse, sondern um eine grundlegende Transformation der deutschen Wirtschaft.
Die Wirtschaftsmacht hinter der Initiative
Wer sind die 61 Unternehmen, die sich zu dieser historischen Investitionsoffensive zusammengeschlossen haben? Die Liste liest sich wie das Who’s who der deutschen Wirtschaft. Neben der Deutschen Bank als Co-Initiator gehören Schwergewichte wie SAP, Siemens, BASF, Volkswagen, Bayer, Allianz, BMW, Mercedes-Benz und Bosch zu den Treibern der Initiative.
Bemerkenswert ist die breite Branchenverteilung. Die Automobilindustrie ist mit etwa 15 Unternehmen stark vertreten, gefolgt von Chemie und Pharma mit rund 12 Firmen. Technologie- und Softwareunternehmen stellen etwa 10 Teilnehmer, während Finanzdienstleister, Energieversorger und Maschinenbauer ebenfalls substanzielle Kontingente bilden.
Diese Vielfalt spiegelt die traditionellen Stärken der deutschen Wirtschaft wider, zeigt aber auch den Willen zur branchenübergreifenden Zusammenarbeit. Gerade die Verbindung von etablierten Industriezweigen mit digitaler Expertise könnte zum entscheidenden Erfolgsfaktor werden.
Die regionale Verteilung der Investitionen folgt weitgehend der wirtschaftlichen Landkarte Deutschlands: Nordrhein-Westfalen (25%), Bayern (20%) und Baden-Württemberg (18%) erhalten den Löwenanteil, gefolgt von Niedersachsen (12%) und Hessen (10%).
Deutschlands wirtschaftliche Herausforderungen – Eine Bestandsaufnahme
Die „Made for Germany“-Initiative kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Probleme des Wirtschaftsstandorts Deutschland verdichten. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine stiegen die Energiekosten dramatisch an – ein besonderes Problem für die energieintensive deutsche Industrie. Gleichzeitig kämpft das Land mit einem massiven Fachkräftemangel, der in Schlüsselbranchen bereits zum Wachstumshemmnis geworden ist.
Der Digitalisierungsrückstand im internationalen Vergleich wird immer deutlicher sichtbar. Während andere Industrienationen konsequent in digitale Infrastruktur und KI-Technologien investieren, hinkt Deutschland hinterher. Bürokratische Hürden und langsame Genehmigungsverfahren verstärken diesen Effekt noch.
Die wirtschaftlichen Kennzahlen spiegeln diese Probleme wider: Für 2024/2025 erwarten Experten bestenfalls Stagnation, im schlimmsten Fall eine leichte Rezession. Die Industrieproduktion in energieintensiven Branchen ist rückläufig, während die Arbeitslosigkeit leicht ansteigt.
Im globalen Wettbewerb: Wie positioniert sich „Made for Germany“?
Die deutsche Initiative ist keine Insel, sondern steht im Kontext globaler Wirtschaftsstrategien. In den USA hat die Regierung mit dem Inflation Reduction Act ein 370-Milliarden-Dollar-Paket aufgelegt, das vor allem in Klimaschutz und Energiewende investiert. China verfolgt mit „Made in China 2025“ eine staatlich gelenkte Industriestrategie mit einem Investitionsvolumen von über einer Billion US-Dollar. Und die EU hat mit dem Green Deal Industrial Plan 270 Milliarden Euro bis 2030 für grüne Technologien und Dekarbonisierung vorgesehen.
Was „Made for Germany“ von diesen Programmen unterscheidet: Es handelt sich um eine private Initiative ohne direkte staatliche Lenkung. Dies bietet Vorteile bei der unternehmerischen Flexibilität, stellt aber auch höhere Anforderungen an die Koordination zwischen den beteiligten Firmen.
Die Investitionssumme von 631 Milliarden Euro über vier Jahre ist im internationalen Vergleich durchaus beachtlich – vor allem angesichts der Tatsache, dass es sich um private Mittel handelt. Zum Vergleich: Der deutsche Bundeshaushalt 2024 umfasst etwa 476 Milliarden Euro.
Zeitplan und konkrete Meilensteine bis 2028
Der Fahrplan für „Made for Germany“ ist ambitioniert, aber klar strukturiert. Nach der offiziellen Ankündigung im Oktober 2024 folgen noch in diesem Jahr erste Koordinationstreffen und die Detailplanung der Investitionsprojekte. Bereits im ersten Quartal 2025 sollen Pilotprojekte starten, gefolgt von einem Zwischenbericht im zweiten Quartal. Für das vierte Quartal 2025 ist die erste große Investitionswelle mit einem Volumen von 150 Milliarden Euro geplant.
In den Jahren 2026 bis 2028 werden die Investitionspläne kontinuierlich umgesetzt, begleitet von jährlichen Fortschrittsberichten. 2028 soll dann die Zielerreichung evaluiert werden.
Dieser straffe Zeitplan unterstreicht den Handlungswillen der beteiligten Unternehmen und setzt bewusst auf schnelle, sichtbare Erfolge, um Vertrauen in die Initiative aufzubauen.
Die erwarteten Effekte für den Standort Deutschland
Die Initiatoren haben klare Vorstellungen davon, was „Made for Germany“ bewirken soll. Bis 2028 sollen 400.000 neue Arbeitsplätze entstehen – eine beachtliche Zahl angesichts des angespannten Arbeitsmarktes. Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen soll signifikant gestärkt werden, insbesondere durch Technologieführerschaft in Schlüsselbereichen wie KI, Quantencomputing und grünen Technologien.
Ein weiteres zentrales Ziel ist die Reduktion der CO2-Emissionen um 30 Prozent – ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Die Verbindung von wirtschaftlichem Wachstum und ökologischer Transformation steht im Zentrum der Initiative.
Konkret soll die Forschungs- und Entwicklungsquote auf 4 Prozent des BIP steigen – ein Wert, der Deutschland in die Spitzengruppe der innovativsten Volkswirtschaften katapultieren würde. Die Zahl der KI-Patente deutscher Unternehmen soll sich verdoppeln, während die Energieintensität in der Industrie um 50 Prozent sinken soll.
Politische Reaktionen – Unterstützung und Skepsis
Die Bundesregierung hat die Initiative erwartungsgemäß positiv aufgenommen. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete „Made for Germany“ als „wichtiges Signal“ für den Wirtschaftsstandort. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte regulatorische Unterstützung zu, während Finanzminister Christian Lindner die Prüfung steuerlicher Anreize in Aussicht stellte.
Aus der Opposition kommen gemischte Reaktionen. Die CDU/CSU fordert bessere Rahmenbedingungen, um die Investitionen zu unterstützen. Die FDP begrüßt die Initiative grundsätzlich, mahnt aber gleichzeitig zum Bürokratieabbau. Kritischer äußerte sich die AfD, die von „Symbolpolitik“ spricht.
Bemerkenswert ist, dass die Initiative parteiübergreifend Anklang findet – ein seltener Konsens in der oft zerstrittenen deutschen Politiklandschaft. Dies könnte die Umsetzungschancen erhöhen, da regulatorische Unterstützung über Parteigrenzen hinweg wahrscheinlicher wird.
Herausforderungen und kritische Stimmen
Trotz der allgemeinen Begeisterung gibt es auch kritische Stimmen zur „Made for Germany“-Initiative. Wirtschaftsexperten weisen auf mehrere Umsetzungsrisiken hin: Die Koordination zwischen 61 Unternehmen mit unterschiedlichen Interessen könnte sich als komplex erweisen. Zudem ist die Realisierung der Investitionen stark von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abhängig – in einer Rezession könnten Unternehmen gezwungen sein, ihre Zusagen zu überdenken.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die fehlende staatliche Flankierung. Ohne begleitende Maßnahmen wie Bürokratieabbau, schnellere Genehmigungsverfahren und steuerliche Anreize könnten viele Projekte im regulatorischen Dickicht stecken bleiben.
Einige Beobachter bemängeln zudem den geringen Fokus auf Startups und kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Mit nur 36 Milliarden Euro für Startups und Innovation scheint dieser Bereich unterrepräsentiert, obwohl gerade hier oft bahnbrechende Innovationen entstehen.
Der Zeitrahmen bis 2028 wird von manchen Experten als zu ambitioniert angesehen, besonders für komplexe Infrastrukturprojekte oder tiefgreifende Transformationsprozesse in traditionellen Industrien. Nicht zuletzt besteht die Gefahr von Doppelzählungen bei den Investitionen, wenn bereits geplante Ausgaben nachträglich der Initiative zugerechnet werden.
Vorbild für Europa? Das internationale Echo auf die deutsche Initiative
Die „Made for Germany“-Initiative hat auch international für Aufmerksamkeit gesorgt. Wirtschaftsmedien von London bis New York berichten über den ungewöhnlichen Schulterschluss der deutschen Wirtschaftselite. In Brüssel wird diskutiert, ob das deutsche Modell einer privatwirtschaftlich getragenen Investitionsoffensive als Blaupause für andere europäische Länder dienen könnte.
Besonders interessant ist der Kontrast zu den staatlich gelenkten Programmen in den USA und China. Während dort die Regierungen mit Subventionen und Regulierung die Wirtschaft in bestimmte Richtungen lenken, setzt „Made for Germany“ auf die Eigeninitiative der Unternehmen. Dieser Ansatz entspricht der deutschen Tradition der Sozialen Marktwirtschaft, in der der Staat zwar Rahmenbedingungen setzt, aber die wirtschaftlichen Entscheidungen weitgehend den Unternehmen überlässt.
Für die Europäische Union könnte die deutsche Initiative als Inspirationsquelle für eine stärkere Koordination privater Investitionen auf europäischer Ebene dienen. Ein „Made for Europe“-Programm könnte die fragmentierten nationalen Bemühungen bündeln und so die globale Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Kontinents stärken.
Die Transformation beginnt jetzt – was „Made for Germany“ für die Zukunft bedeutet
Die 631-Milliarden-Initiative ist mehr als nur ein Investitionspaket – sie ist ein Kulturwandel in der deutschen Wirtschaft. Statt in Krisen zu verharren und nach staatlicher Hilfe zu rufen, nehmen führende Unternehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Diese proaktive Haltung könnte Deutschland helfen, den Anschluss an die globalen Wirtschaftsmächte nicht zu verlieren.
Für die beteiligten Unternehmen bietet die Initiative die Chance, Synergien zu nutzen und gemeinsam Innovationen voranzutreiben, die ein einzelnes Unternehmen nicht stemmen könnte. Durch die branchenübergreifende Zusammenarbeit können neue Geschäftsmodelle an den Schnittstellen traditioneller Industrien entstehen.
Für den Wirtschaftsstandort Deutschland könnte „Made for Germany“ zum Katalysator einer umfassenden Modernisierung werden. Die Kombination aus digitaler Transformation, ökologischem Umbau und Innovationsförderung adressiert genau jene Bereiche, in denen Deutschland in den letzten Jahren ins Hintertreffen geraten ist.
Der Sewing-Effekt: Wie ein Bankchef zum Wirtschaftspionier wurde
Mit „Made for Germany“ hat Christian Sewing seine Rolle als Deutsche Bank-Chef weit überschritten. Er positioniert sich als Vordenker und Koordinator einer branchenübergreifenden Wirtschaftsinitiative – ein ungewöhnlicher Schritt für einen Bankmanager. Diese Rolle erinnert an historische Vorbilder wie Hermann Josef Abs, der als Deutsche Bank-Chef nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich am Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft beteiligt war.
Sewings Initiative zeigt, dass auch heute noch einzelne Persönlichkeiten wirtschaftliche Weichenstellungen initiieren können. In einer Zeit, in der viele Unternehmenslenker vor allem auf kurzfristige Gewinnmaximierung und Shareholder Value fixiert sind, setzt Sewing ein Zeichen für langfristiges, strategisches Denken.
Die Frage wird sein, ob er die Initiative über den anfänglichen Enthusiasmus hinaus am Leben halten kann. Der Erfolg von „Made for Germany“ wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, die ambitionierten Ankündigungen in konkrete Projekte umzusetzen und die versprochenen Investitionen tatsächlich zu realisieren.
Gemeinsam stärker – Die neue deutsche Wirtschaftskraft
„Made for Germany“ markiert einen Paradigmenwechsel in der deutschen Wirtschaftslandschaft. Statt im Wettbewerb gegeneinander anzutreten, haben 61 führende Unternehmen erkannt, dass sie gemeinsam stärker sind. Diese Erkenntnis könnte sich als entscheidender Wettbewerbsvorteil im globalen Wirtschaftssystem erweisen.
Die Initiative sendet ein kraftvolles Signal: Deutschland gibt sich nicht auf. Trotz aller Herausforderungen – von hohen Energiepreisen über Fachkräftemangel bis hin zu regulatorischen Hürden – glauben führende Wirtschaftslenker an die Zukunftsfähigkeit des Standorts. Diese Zuversicht könnte eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werden, wenn sie zu mehr Investitionen, mehr Innovation und letztlich mehr Wachstum führt.
Für euch als Unternehmer, Manager und Entscheider bietet „Made for Germany“ konkrete Chancen: Die massiven Investitionen werden neue Geschäftsfelder eröffnen, Innovationen beschleunigen und Kooperationsmöglichkeiten schaffen. Wer diese Dynamik frühzeitig erkennt und nutzt, kann vom kommenden Aufschwung profitieren.
handelsblatt.com – Deutsche Bank-Chef Sewing initiiert 631-Milliarden-Euro-Investitionsoffensive
Deutsche Bank – Christian Sewing – Vorstandsvorsitzender
bundesregierung.de – Wirtschaftspolitik der Bundesregierung
manager-magazin.de – Deutsche Konzerne wollen 631 Milliarden investieren
tagesschau.de – Politik reagiert auf Investitionsinitiative (Redaktion Wirtschaft)
wiwo.de – Experten zweifeln an 631-Milliarden-Versprechen (Thomas Steinmann)
faz.net – Initiative soll Deutschland stärken (Carsten Knop)
(c) Foto: Bankenverband