Coldplay-Kiss-Cam-Skandal: Warum Schadenfreude-Marketing Marken mehr schadet als nutzt

Ein viraler Moment, der die Welt zum Lachen brachte: Bei einem Coldplay-Konzert in Boston fing die Kiss-Cam zwei Personen ein, die sich beim Anblick der Kamera panisch voneinander lösten. Chris Martin kommentierte trocken vom Bühnenpodium: „Entweder haben sie eine Affäre oder sie sind einfach sehr schüchtern.“ Was folgte, war ein Social-Media-Tsunami. Doch während Marken eifrig auf den #ColdplayGate-Zug aufsprangen, offenbart sich hier eine Schattenseite des Trendjackings: Schadenfreude-Marketing auf Kosten persönlicher Tragödien.

Wenn der virale Moment zum Karriere-Killer wird

Was für Millionen Menschen ein kurzer Lacher war, wurde für die beiden zum persönlichen Albtraum. Der CEO und die HR-Chefin eines Tech-Unternehmens wurden binnen Stunden identifiziert. Während das Internet Witze riss, leitete der Vorstand eine formelle Untersuchung ein. „Von unseren Führungskräften wird erwartet, dass sie den Standard in Verhalten und Verantwortlichkeit setzen,“ erklärte das Unternehmen in einem Statement.

Nur wenige Tage später war die Karriere des CEOs Geschichte. Er trat zurück, der Vorstand akzeptierte umgehend. Ein 55-Millionen-Mal angesehener TikTok-Clip hatte ausgereicht, um eine Führungskraft zu Fall zu bringen. Die Frage, die wir uns stellen müssen: Ist es wirklich unser gutes Recht als Marken, aus solchen persönlichen Dramen Kapital zu schlagen?

Der schmale Grat zwischen Trendjacking und Schadenfreude

Die Verlockung ist groß: Ein kultureller Moment explodiert, alle reden darüber, und Marken können mit einem cleveren Post aufspringen. Es gibt sogar ein deutsches Wort dafür – Schadenfreude – die Freude am Unglück anderer. Doch genau hier liegt die ethische Grenze, die Marken nicht überschreiten sollten. Wir nutzen den Schmerz anderer Menschen für ein paar Likes, Shares und vielleicht einen kurzen Umsatzschub. Aber der langfristige Reputationsschaden kann verheerend sein. Marken, die sich über persönliche Tragödien lustig machen, signalisieren ihren Kunden: Wir würden auch über euch lachen, wenn ihr in einer verletzlichen Situation wärt.

Die Brands, die es trotzdem taten

Dutzende Unternehmen sprangen auf den #ColdplayGate-Zug auf. Sixt war gewohnt schnell, die Deutsche Bahn, Obi, Mömax, Tchibo, Tesla und viele andere.

Statt auf jeden viralen Zug aufzuspringen, sollten wir uns fragen: Welche Werte verkörpert unsere Marke wirklich? Steht Schadenfreude auf dieser Liste? Authentizität entscheidet über den Unterschied zwischen einer erfolgreichen Kampagne und einer, die sich wie ein opportunistischer Geldgriff anfühlt. Marken, die plötzlich auf einen Trend aufspringen, ohne dass dieser zu ihren Kernwerten passt, riskieren Verbraucherskepsis und Vertrauensverlust.

Der Mut, nicht mitzumachen

Es braucht manchmal mehr Courage, bei einem viralen Moment nicht mitzumachen, als den einfachen Weg zu gehen. Habt ihr keine Angst davor, bei einer kulturellen Werbegelegenheit auszusetzen, wenn ihr das Gefühl habt, dass es erzwungen wirkt – nichts schadet eurer Marke mehr als Unauthentizität.

Bevor ihr Social-Media-Inhalte zu einem Moment erstellt, untersucht, was die Unterhaltung verursacht. Wenn es sich um Skandal, Empörung oder Negativität handelt, bleibt fern. Es gibt genug positive kulturelle Momente, die ihr für eure Marke nutzen könnt, ohne auf der Tragödie anderer aufzubauen.

Lasst uns gemeinsam eine neue Marketing-Ethik definieren. Eine, die nicht nur fragt „Können wir das?“, sondern auch „Sollten wir das?“. Eine, die menschliche Würde über virale Reichweite stellt. Eine, die versteht, dass hinter jedem viralen Moment echte Menschen mit echten Gefühlen stehen.

Wir haben die Macht, Geschichten zu erzählen, die bewegen – ohne dabei andere zu verletzen. Nutzen wir sie.

NPR – Coldplay concert kiss cam scandal illustrates the technology’s awkward history

CBS News – Astronomer CEO Andy Byron resigns after Coldplay kiss-cam video

Sprout Social – How to Help Your Brand Act on the Right Cultural Moments

Marketing Week – As cultural attitudes evolve, so too must the way brands approach commercial marketing moments

Share this article:

Related Articles