Die Defense-Tech-Branche erlebt einen beispiellosen Boom: Allein in den USA flossen im ersten Halbjahr 2025 rund 38 Milliarden Dollar in Verteidigungstechnologie-Startups – mehr als doppelt so viel wie in den Vorjahren. Doch während Investoren und Gründer von Rekordfinanzierungen und spektakulären Bewertungen profitieren, mehren sich die Warnzeichen. Steht der Sektor vor einer gefährlichen Überhitzung, die nicht nur Anlegerkapital, sondern auch nationale Sicherheitsinteressen gefährden könnte?
Der Goldrausch in der Verteidigungstechnologie
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Seit 2021 haben Investoren mehr als 130 Milliarden Dollar in Defense-Tech-Startups gepumpt – doppelt so viel wie in den vier Jahren zuvor. Allein im zweiten Quartal 2025 erreichten die Investments mit 19,1 Milliarden Dollar einen neuen Höchststand – 200 Prozent mehr als im Vorjahresquartal.
Auch in Deutschland, wo militärbezogene Startups lange ein Schattendasein führten, hat sich das Blatt gewendet. Unternehmen wie Helsing mit seiner KI-Plattform für militärische Anwendungen oder Quantum Systems mit elektrisch angetriebenen Drohnen ziehen mittlerweile dreistellige Millionenbeträge an. Das 2024 gegründete Drohnen-Startup Stark Defense wird bereits mit 200 Millionen Euro bewertet – ohne bisher ein einziges Produkt am Markt etabliert zu haben.
Zwischen Hype und Realität: Die Bewertungsexplosion
Die Bewertungen im Verteidigungssektor haben mittlerweile Höhen erreicht, die selbst erfahrene Marktbeobachter stutzig machen. Etablierte Unternehmen wie Rheinmetall werden mit dem 49-fachen ihres Gewinns gehandelt, Tech-Spezialisten wie Palantir sogar mit dem 210-fachen. Diese extremen Multiplikatoren erinnern an die Dotcom-Blase der frühen 2000er Jahre – und werfen die Frage auf, ob hier eine nachhaltige Wertschöpfung oder ein spekulativer Exzess vorliegt.
Die „Touristen“ im Defense-Tech-Ökosystem
Besonders kritisch sehen Branchenkenner den Zustrom von „Touristen“ – so werden innerhalb der Defense-Kreise agnostische Venture Capitalists bezeichnet, die ohne tieferes Verständnis für die militärischen Beschaffungsprozesse oder die technischen Anforderungen in den vermeintlichen Boom-Markt drängen. Diese Investoren setzen oft auf oberflächliche Trends wie einfache Drohnensysteme, ohne die komplexen Herausforderungen der Branche zu verstehen.
Selbst Rheinmetall-CEO Armin Papperger warnte kürzlich vor einer möglichen Blasenbildung im Drohnengeschäft. Während Hightech- und Abwehrsysteme auf soliden fundamentalen Treibern basieren, könnten einfachere Drohnenlösungen bereits überbewertet sein.
Die Realität hinter den Marketing-Versprechen vieler Defense-Tech-Startups ist oft ernüchternd: In der Ukraine haben sich zahlreiche US-produzierte Drohnen als „fragil und unfähig erwiesen, russische Störsender und GPS-Blockaden zu überwinden“, wie das Wall Street Journal berichtete.
Strukturelle Herausforderungen jenseits des Hypes
Ein zentrales Problem, das von vielen Investoren unterschätzt wird: die mangelnde Interoperabilität verschiedener Systeme. Kompatibilitätsprobleme zwischen Drohnen unterschiedlicher Hersteller erschweren den koordinierten Einsatz etwa im Rahmen von NATO-Missionen erheblich.
Hinzu kommen die notorisch langsamen und komplexen Beschaffungsprozesse im Verteidigungssektor. Selbst vielversprechende Technologien können Jahre brauchen, um tatsächlich in militärischen Systemen implementiert zu werden – ein Zeitrahmen, der mit den typischen Venture-Capital-Erwartungen kaum vereinbar ist.
Die entscheidende Frage für Investoren sollte daher lauten: Gibt es verifizierbares Interesse von Verteidigungsministerien jenseits von PR-Ankündigungen? Wurden die Produkte bereits zertifiziert und auf operativen militärischen Plattformen installiert?
Chancen erkennen, Risiken managen
Trotz aller Warnzeichen bietet der Verteidigungssektor auch fundierte Wachstumschancen. Die NATO-Staaten haben ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöht – beim NATO-Gipfel im Juni 2025 wurde sogar beschlossen, langfristig bis zu 3,5% des BIP für klassische Verteidigungsausgaben plus 1,5% für verteidigungsrelevante Infrastruktur anzustreben. Weltweit erreichten die Verteidigungsbudgets 2024 mit 2,72 Billionen Dollar ein Rekordhoch.
Die Performance spricht für sich: Der Vaneck Defense ETF legte in zwölf Monaten um beeindruckende 62,5% zu, während der MSCI World im gleichen Zeitraum nur um 8,5% stieg. Kein Wunder, dass 2025 allein zehn neue Rüstungs-ETFs auf den Markt kamen.
Navigieren im überhitzten Markt
Für kluge Investoren gilt es, zwischen nachhaltigen Innovationen und kurzlebigen Hype-Produkten zu unterscheiden. Erfolgreiche Defense-Tech-Investments basieren auf tiefem Branchenverständnis, realistischen Bewertungsmodellen und einem langen Atem.
Setzt auf Unternehmen mit nachweisbaren Kundenbeziehungen zu Verteidigungsministerien, bereits zertifizierten Produkten und einem klaren Verständnis für die Beschaffungsprozesse im militärischen Bereich. Und vergesst nicht: Im Verteidigungssektor geht es nicht nur um finanzielle Renditen – es geht um nationale Sicherheit.
deutsche-startups.de – DefenseTech: Die wichtigsten Startups aus Deutschland (Alexander)
AIN Ventures – Is Defense Technology in a Bubble? (Sherman Williams, Forrest Underwood, James Palmer, Chris Porter, Cael McCormick, Derek Reim)
DAS INVESTMENT – Marktanalyse: Diese 20 Rüstungsfonds sind derzeit am Markt
The Defense Post – Beyond the Hype: What Defense Tech Startups Need to Prove Before Securing Investment (Matt George)
(c) Foto: Quantum Systems