Die Europäische Zentralbank treibt ihr Projekt „Digitaler Euro“ mit Nachdruck voran. EZB-Präsidentin Christine Lagarde bezeichnet die geplante Digitalwährung sogar als „Symbol des Vertrauens in unser gemeinsames Schicksal“. Doch während die Zentralbanker von einer vermeintlichen Erfolgsgeschichte sprechen, formiert sich massiver Widerstand – sowohl in der Krypto-Community als auch in der Politik. Die Kritik: Statt Vertrauen könnte der digitale Euro vor allem eines schaffen: neue Überwachungsmöglichkeiten.
Lagardes Vision: Digitales Zentralbankgeld als Einheitssymbol
Die EZB-Präsidentin treibt das Projekt mit emotionaler Rhetorik voran. „Das ist ein großes Projekt, weil der Euro unsere Währung ist, eure Währung. Er bringt uns zusammen“, erklärte Lagarde. Der digitale Euro soll nach einer vierjährigen Vorbereitungsphase 2027 in die Pilotphase gehen, bevor er 2029 vollständig eingeführt werden könnte. Die Gesamtkosten für die Entwicklung werden auf rund 1,3 Milliarden Euro geschätzt, mit jährlichen Betriebskosten von etwa 320 Millionen Euro nach der Einführung.
Aus Sicht der EZB geht es dabei um strategische Autonomie. Zwei Drittel der digitalen Zahlungen im Euroraum werden derzeit von nicht-europäischen Unternehmen abgewickelt. Mit dem digitalen Euro will die EZB die Zahlungssouveränität zurückgewinnen und gleichzeitig eine zukunftsfähige Form des Bargelds schaffen.
Kritiker warnen vor „digitalem Gefängnis“
Die Krypto-Community steht dem Projekt fast geschlossen ablehnend gegenüber. CBDCs werden als fundamentaler Gegenentwurf zu dezentralen Kryptowährungen betrachtet – statt Selbstbestimmung und Freiheit drohe ein „digitales Gefängnis“. Mert Mumtaz, CEO des RPC-Node-Anbieters Helius, reagierte auf Lagardes Ankündigung mit deutlichen Worten: „Verschwinde, Hexe, wir werden privates Geld verwenden.“ Der politische Autor David Thunder kritisierte, dass die Schaffung einer digitalen Zentralbankwährung das Vertrauen untergrabe, „indem sie die Tür für Echtzeitüberwachung unserer Zahlungen und Ausgabengewohnheiten öffnet“.
Datenschutz als Achillesferse
Die EZB beteuert zwar, dass sie „höchste Datenschutzstandards“ einhalten werde. Das Eurosystem wäre demnach nicht in der Lage, persönliche Daten der Nutzer zu sehen oder Zahlungsinformationen mit Personen zu verknüpfen. Für Offline-Zahlungen soll sogar ein bargeldähnliches Maß an Privatsphäre erreicht werden.
Doch Experten bleiben skeptisch. Patrick Schueffel, Adjunct Professor an der Fribourg School of Management, warnt vor beispiellosen Risiken: „Mit einer CBDC-Infrastruktur wie der, die dem digitalen Euro zugrunde liegt, wird eine Technologie eingeführt, die für Überwachung und Kontrolle missbraucht werden kann wie keine andere in der Menschheitsgeschichte.“
Im Gegensatz zu physischem Bargeld, das echte Anonymität bietet, sind digitale Transaktionen von Natur aus verfolgbar. Viele Datenschützer bezweifeln, dass die versprochenen Schutzmaßnahmen ausreichen werden.
Politischer Gegenwind aus Frankreich und Deutschland
Auch in der Politik formiert sich Widerstand gegen das CBDC-Projekt. In Frankreich führte Éric Ciotti von der Union der Rechten für die Republik einen Vorschlag zur Verbannung von CBDCs an. Gleichzeitig stellte seine Partei UDR ein umfassendes Krypto-Gesetz vor, das eine nationale Bitcoin-Strategiereserve schaffen soll. Der Plan: Über sieben bis acht Jahre bis zu 2% des gesamten Bitcoin-Angebots (etwa 420.000 BTC) zu erwerben, um die finanzielle Souveränität zu stärken.
In Deutschland reichte die Alternative für Deutschland einen ähnlichen Antrag ein, der die Regierung dazu auffordert, Bitcoin als nationales strategisches Asset zu betrachten.
Öffentliche Skepsis statt Begeisterung
Die Bürger scheinen von der EZB-Vision ebenfalls nicht überzeugt. Eine im März 2025 veröffentlichte Studie zeigt, dass 58% der europäischen Bürger es für „unwahrscheinlich oder sehr unwahrscheinlich“ halten, dass sie den digitalen Euro für ihre täglichen Zahlungen nutzen würden.
Damit steht die EZB vor einem Kommunikationsproblem: Während sie den digitalen Euro als Vertrauenssymbol präsentiert, sehen viele Bürger und Experten darin eher ein potenzielles Überwachungsinstrument.
Zwischen Vision und Realität
Der digitale Euro mag für die EZB ein Prestigeprojekt sein, das die europäische Zahlungssouveränität stärken soll. Doch der Weg zur Akzeptanz wird steinig. Die endgültige Entscheidung über die Ausgabe wird erst getroffen, wenn der gesetzliche Rahmen der Europäischen Union verabschiedet ist – voraussichtlich im Laufe von 2026.
Bis dahin bleibt abzuwarten, ob die EZB die Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Überwachung ausräumen kann, oder ob alternative Konzepte wie nationale Bitcoin-Reserven an Bedeutung gewinnen werden.
Die Freiheits-Perspektive
Während weltweit über 130 Länder an CBDCs forschen, haben bisher nur die Bahamas, Jamaika und Nigeria tatsächlich eine digitale Zentralbankwährung eingeführt. Für die Krypto-Community bleibt der fundamentale Widerspruch bestehen: Während Bitcoin und andere Kryptowährungen auf Dezentralisierung, Selbstbestimmung und Zensurresistenz setzen, repräsentieren CBDCs das genaue Gegenteil – zentralisierte Kontrolle durch staatliche Institutionen.
Die Debatte um den digitalen Euro ist damit mehr als eine technische Diskussion. Sie ist ein Ringen um die Zukunft des Geldes und letztlich um die Frage, wie viel finanzielle Freiheit Bürger in einer digitalen Welt behalten werden.
Cointelegraph – Digital euro CBDC is ’symbol of trust in our common destiny‘ — ECB head
Europäische Zentralbank – Progress on the digital euro
Bitcoin Magazine – France Proposes National Bitcoin Reserve, Wants To Buy 2% Of All Bitcoin
CCN – Does the Digital Euro Put Privacy at Risk?–Patrick Schueffel Reveals Hidden Concerns (Patrick Schueffel)
Polytechnique Insights – Strengths and limits of the Central Bank’s digital euro