Sicheres Internet statt digitaler Wildwest – ein Manager-Schwergewicht macht sich zum Verfechter einer radikal neuen Netzarchitektur. Martin Jetter, ehemaliger IBM-Topmanager und Ex-Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Börse, wechselt in die Schweiz, um als Präsident der SCION Association eine Internet-Revolution voranzutreiben. Was steckt hinter dieser Technologie, die bereits das Schweizer Bankensystem absichert und warum setzt ein Wirtschaftskapitän wie Jetter auf dieses Projekt?
Von der Börsenspitze zur Internet-Revolution
Martin Jetters Karriere liest sich wie ein Lehrbuch für Management-Exzellenz. Der Diplom-Ingenieur startete 1986 bei IBM Deutschland und stieg kontinuierlich auf: CEO von IBM Deutschland, Leiter von IBM Japan und schließlich Senior Vice President bei IBM Global Technology Services. 2020 wurde er Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Börse – ein Karrierehöhepunkt. Doch dieses Jahr legte er sein Amt nieder, um sich einer ganz anderen Mission zu widmen.
Nun steht Jetter an der Spitze der SCION Association, einer gemeinnützigen Organisation, die eine sichere Alternative zur bestehenden Internet-Infrastruktur entwickelt. Seine Motivation erklärt er so: „Jetzt kommt für mich die Lebensphase, in der ich meine Erfahrungen weitergeben und der Gesellschaft etwas zurückgeben kann.“ Ein bemerkenswerter Karriereschritt, der zeigt: Hier geht es um mehr als nur eine weitere Technologie.
Was SCION anders macht als das heutige Internet
SCION – kurz für „Scalability, Control, and Isolation On Next-Generation Networks“ – revolutioniert die Grundprinzipien des Internets. Im Gegensatz zur konventionellen Infrastruktur wird ein SCION-Datenpaket nicht einfach mit einer Empfangsadresse versehen und dann auf den Weg geschickt. Stattdessen enthält es bereits beim Absenden die komplette Route, die es durch das Netz nehmen wird. Dadurch nehmen Datenpakete keine unerwünschten Umwege mehr, und vertrauliche Informationen können nicht unbemerkt abgefangen werden. Die Kontrolle über die Datenrouten liegt vollständig bei den Nutzern – ein fundamentaler Unterschied zum heutigen Internet.
Schweizer Präzision für die digitale Sicherheit
Die Technologie ist keine bloße Zukunftsvision. Seit 2009 an der ETH Zürich unter Leitung des Schweizer Informatikforschers Adrian Perrig entwickelt, wird SCION bereits in der Praxis eingesetzt. Die Entwickler behaupten selbstbewusst: „In fast zehn Jahren Forschung haben wir keine größeren Schwachstellen in SCION gefunden.“
Besonders beeindruckend: Die Schweizerische Nationalbank und die Finanzinfrastruktur-Anbieterin SIX haben mit dem „Secure Swiss Finance Network“ (SSFN) bereits ein SCION-basiertes Netzwerk für den hochsensiblen Datenaustausch zwischen Banken aufgebaut. Wenn der Finanzsektor eines Landes, das für seine Sicherheitsstandards bekannt ist, auf diese Technologie setzt, spricht das Bände.
Die ETH Zürich selbst hat SCION ebenfalls implementiert und stellt die Technologie ihrer Gemeinschaft zur Verfügung – ein Praxistest unter realen Bedingungen.
Jetters Vision: Sicherheit als Grundlage digitaler Innovation
„Die Bedeutung von IT für unser aller Leben kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden,“ erklärt Jetter. „Zugleich versuchen immer mehr Kriminelle und auch zum Beispiel Regime, sie zu missbrauchen, und deshalb wird es immer wichtiger, die Netze zu schützen.“
Die SCION Association wurde 2022 von der Schweizerischen Nationalbank, SIX, ETH Zürich und dem Unternehmer Uli Sigg gegründet. Zu den Mitgliedern zählen inzwischen namhafte Unternehmen wie Swisscom, SWITCH und Sunrise. Die Organisation entwickelt nicht nur die Technologie weiter, sondern treibt auch ihre Standardisierung voran und bietet Zertifizierungsdienste an.
Chancen statt Risiken: Das Internet neu denken
SCION bietet euch konkrete Vorteile: Schutz vor Routing- und DDoS-Angriffen sowie die Möglichkeit zum Geofencing, bei dem ihr definieren könnt, welche geografischen Gebiete eure Daten nicht verlassen dürfen. Die Technologie läuft parallel zur bestehenden Internet-Infrastruktur – ihr müsst also nicht zwischen alt und neu wählen, sondern könnt beide Welten nutzen.
Mit Martin Jetter an der Spitze gewinnt die SCION Association einen Strategen mit internationaler Erfahrung und tiefem Technologieverständnis. Seine Entscheidung, von der Börsenspitze zu einer gemeinnützigen Organisation zu wechseln, unterstreicht das Potenzial dieser Technologie für die digitale Zukunft.
Digitale Souveränität durch technologische Innovation
Was SCION besonders macht, ist die Kombination aus Sicherheit und Kontrolle. Im heutigen Internet habt ihr kaum Einfluss darauf, welchen Weg eure Daten nehmen. Mit SCION entscheidet ihr selbst. Diese digitale Souveränität wird in einer zunehmend vernetzten Welt zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil – nicht nur für Banken, sondern für alle Unternehmen, die auf sichere Kommunikation angewiesen sind.
wiwo.de – Scion Association: Martin Jetter will das Internet neu erfinden – in sicher
echo24.de – Ex-Börsenkontrolleur schlägt Alarm: „Müssen wieder Freude an Leistung entwickeln“
scion.org – SCION Association
ethz.ch – SCION secure internet enters everyday service
netzwoche.ch – ETH, SNB und SIX gründen die SCION Association