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Google unter Druck: EU prüft Herabstufung von Medieninhalten – Milliardenstrafe möglich

Der Suchmaschinen-Gigant Google steht erneut im Visier der EU-Wettbewerbshüter.

Medienunternehmen aufgepasst: Der Suchmaschinen-Gigant Google steht erneut im Visier der EU-Wettbewerbshüter. Die Europäische Kommission hat ein formelles Verfahren eingeleitet, das für Verlage und Publisher weitreichende Folgen haben könnte. Der Vorwurf wiegt schwer: Google soll systematisch Nachrichtenseiten in den Suchergebnissen herabstufen, wenn diese kommerzielle Inhalte von Drittanbietern veröffentlichen – eine für viele Medienhäuser überlebenswichtige Einnahmequelle.

Googles „Site Reputation Abuse Policy“ im Fadenkreuz der EU

Im Zentrum der Untersuchung steht eine Google-Richtlinie, die erst im März 2024 eingeführt wurde: die „Site Reputation Abuse Policy“. Ursprünglich sollte sie betrügerische SEO-Praktiken bekämpfen, bei denen Websites fremde Inhalte einbetten, um von der Reputation etablierter Domains zu profitieren. Doch die EU-Kommission hat nun „Indikationen“ gefunden, dass diese Richtlinie auch legitime Geschäftsmodelle von Nachrichtenportalen trifft.

Die brisante Frage lautet: Wertet Google gezielt Medieninhalte ab, wenn deren Websites kommerzielle Inhalte von Dritten enthalten? Für Teresa Ribera, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission, gibt es daran kaum Zweifel: „Wir befürchten, dass die Richtlinien von Google es nicht zulassen, dass Nachrichtenverlage in ihren Suchergebnissen fair, angemessen und diskriminierungsfrei behandelt werden.“

Milliardenstrafen und strukturelle Eingriffe drohen dem Tech-Giganten

Für Google steht bei dieser Untersuchung viel auf dem Spiel. Die EU-Kommission kann bei Verstößen gegen den Digital Markets Act (DMA) Geldbußen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängen – bei wiederholten Verstößen sogar bis zu 20 Prozent. Für den Tech-Riesen könnte das eine Strafe im zweistelligen Milliardenbereich bedeuten. Doch damit nicht genug: In besonders schwerwiegenden Fällen hat die Brüsseler Behörde sogar die Möglichkeit, strukturelle Maßnahmen wie eine Aufspaltung des Konzerns anzuordnen – ein Szenario, das die Digitalwirtschaft grundlegend verändern würde.

Existenzbedrohung für das Geschäftsmodell digitaler Publisher?

Für Medienhäuser könnte das Verfahren einen Wendepunkt darstellen. Viele Verlage generieren wesentliche Teile ihrer Online-Einnahmen über gesponserte Inhalte, Native Advertising oder kommerzielle Partnerschaften. Die EU-Kommission bezeichnet das Hosten solcher bezahlten Werbeinhalte explizit als „legitime kommerzielle Praxis“ für Nachrichtenorganisationen.

Besonders alarmierend: Google hat im November 2024 bereits Strafen gegen renommierte Verlage wie Forbes, The Wall Street Journal, Time und CNN verhängt – ein deutliches Zeichen, dass kein Medienhaus vor der Anwendung der Richtlinie sicher ist.

Die Abhängigkeit der Branche von Google ist enorm. Neben der organischen Reichweite über die Suchmaschine sind viele Publisher auch auf die über Google generierten Werbeeinnahmen angewiesen. Besonders seit der Einführung KI-generierter Zusammenfassungen haben Medienhäuser bereits einen Rückgang bei Zugriffen verzeichnet.

Google verteidigt seine Position vehement

Der Suchmaschinenkonzern weist die Vorwürfe entschieden zurück und bezeichnet die Untersuchung als „fehlgeleitet“. Google argumentiert, die Richtlinie schaffe „faire Wettbewerbsbedingungen“ und schütze Nutzer vor minderwertigen Inhalten und Betrug. Aus Sicht des Unternehmens berge die EU-Untersuchung sogar „das Risiko, Millionen von europäischen Nutzern zu schaden“.

Bemerkenswert ist, dass die Site Reputation Abuse Policy bisher nur durch manuelle Maßnahmen durchgesetzt wird – sie ist noch nicht algorithmisch implementiert. Dies könnte darauf hindeuten, dass Google bei der Anwendung dieser Richtlinie selektiv vorgeht.

Der Kampf um digitale Fairness geht in die nächste Runde

Die EU-Kommission plant, die Untersuchung innerhalb von zwölf Monaten abzuschließen. Für Google wäre es nicht die erste Milliardenstrafe aus Brüssel: Seit 2018 wurden gegen den Konzern bereits Wettbewerbsstrafen in Gesamthöhe von rund acht Milliarden Euro verhängt, darunter die Rekordstrafe von vier Milliarden Euro für Wettbewerbsverstöße beim Android-Betriebssystem.

Der aktuelle Fall zeigt eindrucksvoll, wie der Digital Markets Act als neues Regulierungsinstrument die Machtverhältnisse im digitalen Ökosystem neu justiert. Für Publisher und Medienunternehmen bietet sich die Chance, faire Spielregeln im digitalen Wettbewerb einzufordern.

Digitale Souveränität als strategischer Imperativ

Während das Verfahren läuft, sollten Medienunternehmen ihre Abhängigkeit von einzelnen Plattformen kritisch überprüfen. Die Diversifizierung von Traffic-Quellen, der Aufbau direkter Nutzerbeziehungen und die Entwicklung alternativer Monetarisierungsstrategien werden zum strategischen Muss.

Gleichzeitig eröffnet die aktuelle Entwicklung die Chance, gemeinsam mit Regulierungsbehörden an einem faireren digitalen Ökosystem zu arbeiten, in dem Qualitätsjournalismus und vielfältige Geschäftsmodelle gedeihen können.

euronews.com – EU untersucht: Hat Google Nachrichten in Suchergebnissen herabgestuft?

tagesspiegel.de – Werden Medien in Suchergebnissen benachteiligt?: EU-Kommission leitet neues Verfahren gegen Google ein

searchenginejournal.com – Google Defends Parasite SEO Crackdown As EU Opens Investigation

handelsblatt.com – Digital Markets Act: EU-Kommission eröffnet Verfahren gegen Google

About the author

Bild von Nico Wirtz

Nico Wirtz

Der gelernte TV-Journalist hat Nachrichten und Dokumentationen gemacht, ebenso wie Talk und Entertainment für ProSieben, Kabeleins und TELE5 - am Ende ist es immer die gute Geschichte, die zählt. Emotionales Storytelling zieht sich durch sein ganzes Leben - ob als Journalist, PR- und Kommunikations-Profi, der für große Marken, wie BOGNER, L'Oréal oder Panthene an Kampagnen mitgewirkt hat, oder hier bei MARES als Chefredakteur.
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