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Jeder vierte Handwerksbetrieb hängt noch am Fax – wie Deutschlands Mittelstand seine digitale Zukunft verspielt

Die Zahlen, die der Digitalverband Bitkom in seiner aktuellen Studie präsentiert, sind ernüchternd: 26 Prozent der deutschen Handwerksbetriebe nutzen regelmäßig Faxgeräte für ihre Geschäftskommunikation.

Neulich im Handwerksbetrieb: Der Meister läuft zum Faxgerät, um die Bestellung für das neue Projekt zu verschicken – während sein 20-jähriger Azubi ungläubig den Kopf schüttelt. Diese Szene ist kein nostalgischer Rückblick ins Jahr 2000, sondern deutsche Realität im Jahr 2025. Während Elon Musk Raketen zum Mars schickt und KI-Systeme komplexe Operationen durchführen können, vertraut noch immer jeder vierte deutsche Handwerksbetrieb auf die gute alte Faxmaschine. Ein analoges Relikt in einer digitalen Welt – und ein Symptom für die besorgniserregende Digitalisierungslücke im deutschen Mittelstand.

Das faxende Deutschland – eine Bestandsaufnahme

Die Zahlen, die der Digitalverband Bitkom in seiner aktuellen Studie präsentiert, sind ernüchternd: 26 Prozent der deutschen Handwerksbetriebe nutzen regelmäßig Faxgeräte für ihre Geschäftskommunikation. Zum Vergleich: Das ist in etwa so zeitgemäß, als würden Ärzte noch regelmäßig zur Ader lassen oder Fotografen ausschließlich mit Polaroid-Kameras arbeiten. Diese technologische Beharrlichkeit ist kein Zufall, sondern Teil eines größeren Musters: Deutsche Handwerksbetriebe bewerten ihren eigenen Digitalisierungsgrad im Durchschnitt mit einer 3,0 – eine mittelmäßige Note, die in keinem anderen Wirtschaftsbereich akzeptabel wäre.

Besonders alarmierend: Fast jeder zehnte Betrieb gibt sich selbst eine ungenügende Bewertung in Sachen Digitalisierung. Das ist nicht nur ein Armutszeugnis, sondern ein gefährliches Zukunftsrisiko. Während die Konkurrenz mit Cloud-Lösungen, KI-gestützter Ressourcenplanung und digitalen Kundenportalen die Effizienz steigert, vertraut ein beträchtlicher Teil des deutschen Handwerks noch immer auf Technologien aus der Zeit, als Helmut Kohl Bundeskanzler war.

Warum ausgerechnet das Fax überlebt

Die Gründe für diese digitale Stagnation sind vielschichtig und reichen tiefer als bloße Technikfeindlichkeit. Tatsächlich erkennen laut Bitkom-Studie 89 Prozent der Handwerksbetriebe die Chancen der Digitalisierung – handeln aber nicht entsprechend. Diese kognitive Dissonanz zwischen Erkenntnis und Handeln ist das eigentliche Problem. Dahinter steckt ein toxischer Cocktail aus Sicherheitsbedenken (72 Prozent der Betriebe haben zu viel zu tun für Digitalisierung), hohen Investitionskosten (69 Prozent) und mangelnder Digitalkompetenz (58 Prozent). Dazu kommt die unzureichende digitale Infrastruktur in der öffentlichen Verwaltung, die von 63 Prozent der Befragten als Hemmschuh genannt wird. Wenn das Bauamt noch Papieranträge verlangt, warum sollte der Handwerker dann digital werden?

Die digitale Kluft im Handwerk wächst

Während ein Viertel der Betriebe noch am Fax hängt, zeigt sich bei anderen durchaus Bewegung. Immerhin 68 Prozent nutzen digitale Kanäle für Angebote und 62 Prozent für Rechnungen. 56 Prozent der Betriebe nutzen Cloud-Anwendungen und andere digitale Geschäftsdienste. Etwa 36 Prozent haben Online-Meeting-Lösungen implementiert – vermutlich eine Pandemie-Errungenschaft, die geblieben ist. 28 Prozent nutzen Kunden- oder Mitarbeiterportale.

Diese Zahlen offenbaren eine wachsende Zweiklassengesellschaft im Handwerk: auf der einen Seite digitale Pioniere, die mit Drohnen Dächer inspizieren und KI-gestützte Ressourcenplanung betreiben; auf der anderen Seite digitale Nachzügler, die noch immer Bestellungen per Fax verschicken und Terminvereinbarungen telefonisch vornehmen. Diese Kluft wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich noch vertiefen – mit existenziellen Konsequenzen für die Nachzügler. Jeder 10. Betrieb plant jedoch, KI einzuführen, und nur 29 Prozent der Unternehmen verfügen über Mitarbeiter mit KI-Kompetenzen.

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder bringt es auf den Punkt: „Das Handwerk muss jetzt aktiv werden. Wer weiter abwartet, läuft Gefahr, im Wettbewerb um Kunden und Fachkräfte dauerhaft an Boden zu verlieren.“ Über 99 Prozent der deutschen Haushalte sind mit 5G versorgt, seit Mitte 2025 steht jedem zweiten Haushalt ein Glasfaseranschluss zur Verfügung. Das ist keine Drohung, sondern eine nüchterne Analyse. In einer Zeit, in der selbst Großmutter Erna ihre Einkäufe online erledigt, wirkt ein Handwerksbetrieb ohne digitale Präsenz und moderne Kommunikationskanäle wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten.

Digitale Transformation – leichter als gedacht

Die gute Nachricht: Der Einstieg in die digitale Welt muss weder teuer noch kompliziert sein. Moderne Cloud-Lösungen bieten skalierbare, kostengünstige Alternativen zu teuren Vor-Ort-Installationen. Statt eines abrupten Technologiesprungs empfiehlt sich ein schrittweiser Übergang – beispielsweise durch hybride Kommunikationssysteme, die Fax mit E-Mail und VoIP kombinieren.

Besonders vielversprechend sind niedrigschwellige Digitalisierungsmaßnahmen wie Online-Terminbuchungen, digitale Rechnungsstellung und Cloud-basierte Dokumentenverwaltung. Diese erfordern vergleichsweise geringe Investitionen, bieten aber signifikante Effizienzgewinne und verbesserte Kundenerfahrungen. Selbst kleine Schritte können große Wirkung entfalten: Ein Handwerksbetrieb, der Kunden die Möglichkeit bietet, Termine online zu buchen, spart nicht nur wertvolle Arbeitszeit, sondern erschließt auch neue Kundengruppen, die telefonische Terminvereinbarungen scheuen.

Vom Faxgerät zur digitalen Zukunft – ein Aktionsplan

Für Handwerksbetriebe, die den digitalen Anschluss nicht verpassen wollen, empfiehlt sich ein strukturierter Ansatz: Beginnt mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme eurer digitalen Reife. Welche Prozesse laufen noch analog, obwohl sie leicht digitalisiert werden könnten? Wo entstehen Medienbrüche? Welche digitalen Kompetenzen fehlen im Team?

Im zweiten Schritt solltet ihr in Mitarbeiterqualifikation investieren. Die beste Technologie nutzt wenig, wenn niemand sie bedienen kann oder will. Gezielte Schulungen und ein offener Dialog über Ängste und Bedenken können Widerstände abbauen und die Akzeptanz digitaler Lösungen fördern. Schließlich gilt es, die richtigen Technologiepartner zu finden – idealerweise solche, die die spezifischen Anforderungen des Handwerks verstehen und maßgeschneiderte Lösungen anbieten können. 54 Prozent der Ausbildungsbetriebe lassen sich dabei von Azubis helfen.

Warum ist das wichtig?

Die digitale Transformation des Handwerks ist keine Modeerscheinung, sondern eine Überlebensfrage. Drei Gründe, warum ihr jetzt handeln solltet:

Wettbewerbsfähigkeit: Digitalisierte Betriebe arbeiten effizienter, können schneller auf Kundenanfragen reagieren und bieten bessere Kundenerlebnisse. In einem zunehmend umkämpften Markt werden diese Faktoren über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

Fachkräftesicherung: Die Generation Z und Millennials, die jetzt ins Berufsleben einsteigen, erwarten digitale Arbeitsumgebungen. Wer noch mit Faxgeräten hantiert, wird im Kampf um die besten Talente das Nachsehen haben.

Zukunftssicherheit: Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Wer heute den Anschluss verpasst, wird morgen noch größere Schwierigkeiten haben, aufzuholen. Der technologische Rückstand wird exponentiell schwerer aufzuholen sein.

Das deutsche Handwerk steht an einem Scheideweg: Entweder es umarmt die digitale Transformation und nutzt sie als Chance für Wachstum und Innovation – oder es riskiert, im internationalen Wettbewerb abgehängt zu werden. Die Entscheidung liegt bei jedem einzelnen Betrieb. Das Faxgerät gehört ins Museum – nicht in die Werkstatt des 21. Jahrhunderts.

t3n.de – Jeder 4. Handwerksbetrieb nutzt noch das Fax (dpa-AFX)

deutsche-handwerks-zeitung.de – Große Kluft im Handwerk (Guthardt & Wörishofer)

n-tv.de – Jeder vierte deutsche Handwerksbetrieb setzt aufs Faxgerät (dpa-AFX)

bitkom.org – Handwerk, Azubis & Betriebe Digitalisierung (Presseinformation)

ecmguide.de – So digital ist das Handwerk (Annette Stadler)

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