Werte sind der neue Währung im Markenspiel – und die jüngeren Generationen führen die Revolution an. Die aktuelle Ipsos Global Trends Studie liefert beeindruckende Zahlen: 67 Prozent der Deutschen bevorzugen Marken, die ihre eigenen Werte teilen. Bei der Gen Z sind es sogar 78 Prozent. Deutlicher könnte das Signal an Unternehmen kaum sein: Wer heute und morgen erfolgreich sein will, muss Position beziehen. Doch was genau erwartet die neue Kundengeneration von Marken? Und wie könnt ihr als Unternehmen authentisch Haltung zeigen, ohne in die Authentizitätsfalle zu tappen?
Die Werte-Revolution: Was die Ipsos-Studie enthüllt
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut der aktuellen Ipsos Global Trends Studie 2024, für die über 23.000 Erwachsene in 31 Ländern befragt wurden, wünschen sich 72 Prozent der deutschen Verbraucher, dass Marken ihnen dabei helfen, etwas Gutes zu bewirken. Bemerkenswert ist dabei der deutliche Generationenunterschied. Während bei den Baby Boomern (59+ Jahre) nur gut die Hälfte (52 Prozent) auf die Wertehaltung von Marken achtet, steigt dieser Wert bei jüngeren Zielgruppen drastisch an: 65 Prozent der Gen X, 74 Prozent der Millennials und sogar 78 Prozent der Gen Z bevorzugen werteorientierte Marken.
Der Trend ist nicht nur ein deutsches Phänomen. Weltweit bevorzugen durchschnittlich 63 Prozent der Verbraucher Marken mit klarer Haltung. Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung in Brasilien (81 Prozent), Indien (79 Prozent) und China (76 Prozent). Deutschland liegt mit 67 Prozent im oberen europäischen Mittelfeld, vor Frankreich (64 Prozent) und Großbritannien (59 Prozent).
Vom Lippenbekenntnis zum Kaufentscheid: So beeinflusst Haltung das Konsumverhalten
Werteorientierung ist längst kein abstraktes Konzept mehr, sondern ein handfester Wirtschaftsfaktor. Die Ipsos-Studie zeigt, dass 69 Prozent der deutschen Verbraucher bewusst bei Marken kaufen, die ihre Werte teilen. Noch aussagekräftiger: 54 Prozent meiden aktiv Marken, die nicht mit ihren persönlichen Wertvorstellungen übereinstimmen. Besonders die Gen Z praktiziert diesen „Werte-Konsum“ konsequent – 76 Prozent haben bereits Marken aufgrund von Wertekonflikten boykottiert.
Was wirklich zählt: Die Top-Werte für deutsche Verbraucher
Nicht alle Werte sind für Konsumenten gleich wichtig. Die Ipsos-Studie identifiziert klare Prioritäten bei den Themen, für die Marken Haltung zeigen sollten. Ganz oben auf der Liste steht Umweltschutz und Nachhaltigkeit, die für 84 Prozent der deutschen Befragten von hoher Bedeutung sind. Dicht gefolgt von fairen Arbeitsbedingungen (79 Prozent) und Transparenz sowie Ehrlichkeit (77 Prozent). Soziale Gerechtigkeit (68 Prozent) und Diversität sowie Inklusion (61 Prozent) komplettieren die Top 5.
Auch hier zeigen sich deutliche Generationsunterschiede. Für die Gen Z sind Klimaschutz (89 Prozent), soziale Gerechtigkeit (82 Prozent), LGBTQ+ Rechte (76 Prozent) und Mental Health Awareness (74 Prozent) besonders wichtig. Bei den Millennials stehen Work-Life-Balance (81 Prozent), Nachhaltigkeit (85 Prozent), Gleichberechtigung (78 Prozent) und Transparenz (80 Prozent) im Vordergrund.
Diese Unterschiede verdeutlichen, wie wichtig ein differenzierter Blick auf die verschiedenen Zielgruppen ist. Während manche Werte generationenübergreifend Bedeutung haben, gibt es klare Schwerpunktverschiebungen, die ihr in eurer Markenkommunikation berücksichtigen solltet.
Mehr zahlen für mehr Haltung: Die Preisbereitschaft für Werteorientierung
Bemerkenswert ist die Bereitschaft der Verbraucher, für ihre Überzeugungen auch tiefer in die Tasche zu greifen. Laut der Ipsos-Studie sind 58 Prozent der Deutschen bereit, mehr für Produkte von Unternehmen zu zahlen, die ihre Werte teilen. Im Durchschnitt akzeptieren sie einen Aufpreis von 12 Prozent.
Auch hier zeigt sich ein deutliches Generationengefälle: Während die Gen Z mit 23 Prozent die höchste Mehrpreis-Bereitschaft aufweist, sind es bei den Millennials immerhin noch 18 Prozent. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass Werteorientierung nicht nur ein Marketing-Gimmick ist, sondern echtes Umsatzpotenzial birgt.
Die Authentizitätsfalle: Warum „Woke-Washing“ nach hinten losgeht
Der Weg zu einer authentischen Wertehaltung ist jedoch mit Fallstricken gepflastert. Die Studie zeigt, dass 78 Prozent der Befragten „Greenwashing“ und unechte Markenhaltung erkennen können. Gerade die jüngeren, digital-affinen Generationen haben feine Antennen für Unaufrichtigkeit. 67 Prozent der Verbraucher äußern generelle Skepsis gegenüber Marken-Aktivismus.
Dr. Malte Liewerscheidt, Managing Director bei Ipsos Deutschland, betont: „Die Ergebnisse zeigen einen fundamentalen Wandel im Verbraucherverhalten. Marken müssen authentisch Position beziehen, um bei jüngeren Zielgruppen relevant zu bleiben.“ Die Betonung liegt auf „authentisch“ – oberflächliche Statements oder kurzfristige Kampagnen können schnell als „Woke-Washing“ entlarvt werden und mehr schaden als nutzen.
Sarah Johnson, Global Head of Brand Research bei Ipsos, geht noch weiter: „Purpose-driven Marketing ist kein Trend mehr, sondern eine Notwendigkeit. Unternehmen, die das ignorieren, riskieren den Verlust einer ganzen Generation von Konsumenten.“
Erfolgsfaktoren für authentische Markenhaltung: Von Patagonia bis The Body Shop
Was können wir von Marken lernen, die Wertehaltung erfolgreich in ihre DNA integriert haben? Die Ipsos-Studie identifiziert mehrere Erfolgsbeispiele:
Patagonia hat Umweltaktivismus zum Kernstück seiner Markenidentität gemacht – mit beeindruckendem Erfolg: 30 Prozent Umsatzwachstum in Deutschland im Zeitraum 2023-2024. Ben & Jerry’s positioniert sich konsequent zu Themen sozialer Gerechtigkeit und erreicht damit eine Markenbekanntheit von 85 Prozent bei der Gen Z in Deutschland. The Body Shop steht seit Jahrzehnten für Tierrechte und ethische Beschaffung – 67 Prozent ihrer Kunden kaufen explizit aufgrund dieser Markenwerte.
Diese Beispiele zeigen drei wesentliche Erfolgsfaktoren: Erstens, die Wertehaltung ist tief in der Unternehmens-DNA verankert und nicht nur aufgesetzt. Zweitens, die Kommunikation ist konsistent über alle Kanäle und Touchpoints hinweg. Und drittens, die Unternehmen setzen ihre Werte in konkrete Maßnahmen um, anstatt bei Lippenbekenntnissen zu bleiben.
Generationenkonflikte meistern: Wie ihr verschiedene Wertewelten bedient
Eine der größten Herausforderungen für Marken ist die Balance zwischen den unterschiedlichen Werteprioritäten der Generationen. Während die Gen Z stark auf progressive Themen wie Klimaschutz und LGBTQ+ Rechte fokussiert ist, legen ältere Generationen oft mehr Wert auf traditionellere Aspekte.
Dies birgt das Risiko der Entfremdung älterer Kundensegmente, wenn ihr eure Kommunikation zu einseitig auf jüngere Zielgruppen ausrichtet. Gleichzeitig könnt ihr es euch nicht leisten, die Werte der Gen Z zu ignorieren, da sie die Konsumenten von morgen sind.
Die Lösung liegt in einer differenzierten Kommunikationsstrategie, die generationsübergreifende Werte wie Nachhaltigkeit, Transparenz und faire Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt stellt, während ihr zielgruppenspezifische Aspekte in den entsprechenden Kanälen adressiert. So könnt ihr auf Instagram stärker progressive Themen betonen, während ihr in klassischen Medien eher universelle Werte kommuniziert.
Zukunftstrends: Was auf Marken in den nächsten Jahren zukommt
Die Ipsos-Studie wagt auch einen Blick in die Zukunft und prognostiziert für die Jahre 2025-2027 eine weitere Intensivierung wertebasierter Kaufentscheidungen. Besonders drei Trends stechen hervor:
Erstens wird die Regulierung von Nachhaltigkeits-Claims zunehmen, etwa durch die EU Green Claims Directive. Dies wird Unternehmen zu mehr Sorgfalt und Transparenz bei Nachhaltigkeitsaussagen zwingen. Zweitens werden B-Corp-Zertifizierungen und ähnliche Nachweise für nachhaltiges Wirtschaften an Bedeutung gewinnen. Und drittens etabliert sich „Quiet Activism“ – subtilere Formen des Marken-Aktivismus, die weniger polarisieren, aber dennoch Haltung zeigen.
Technologische Entwicklungen werden diese Trends unterstützen: KI-gestützte Transparenz-Tools ermöglichen Verbrauchern einen tieferen Einblick in Unternehmenspraktiken, während Blockchain-Technologie für mehr Transparenz in Lieferketten sorgt. Social Media bleibt der primäre Kanal für Werte-Kommunikation, wobei die Authentizitätsanforderungen weiter steigen werden.
Die Messbarkeit von Purpose: Wie ihr den ROI eurer Wertehaltung bestimmt
Eine der größten Herausforderungen im Purpose-Marketing ist die Messbarkeit des Erfolgs. Wie lässt sich der Return on Investment einer wertebasierten Strategie konkret beziffern?
Die Ipsos-Studie liefert hierzu wertvolle Anhaltspunkte. Neben klassischen KPIs wie Umsatz und Marktanteil solltet ihr auch spezifische Purpose-Metriken berücksichtigen: die Bereitschaft zu Mehrpreisen (durchschnittlich 12 Prozent in Deutschland), die Kundenbindungsrate (bei werteorientierten Marken oft 20-30 Prozent höher) und die Weiterempfehlungsrate.
Auch qualitative Faktoren spielen eine wichtige Rolle: die Wahrnehmung eurer Marke in sozialen Medien, die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung sowie die Resilienz gegenüber Krisen. Besonders der letzte Punkt ist nicht zu unterschätzen: Marken mit einer authentischen Wertehaltung erholen sich laut Ipsos-Daten durchschnittlich 40 Prozent schneller von Reputationskrisen als solche ohne klares Werteprofil.
Vom Wissen zum Handeln: Eure nächsten Schritte zu mehr Marken-Purpose
Die Ipsos-Studie zeichnet ein klares Bild: Wertehaltung ist kein Nice-to-have mehr, sondern ein Must-have für zukunftsfähige Marken. Doch wie setzt ihr diese Erkenntnis konkret um?
Der erste Schritt ist eine ehrliche Bestandsaufnahme: Welche Werte sind in eurer Unternehmens-DNA bereits verankert? Wo gibt es Authentizitätspotenzial? Im zweiten Schritt gilt es, diese Werte mit den Erwartungen eurer Zielgruppen abzugleichen. Wo gibt es Überschneidungen, die ihr verstärken könnt?
Die Umsetzung sollte dann auf drei Ebenen erfolgen: intern durch Mitarbeitereinbindung und Unternehmenskultur, extern durch konsistente Kommunikation und operativ durch konkrete Maßnahmen und Initiativen. Wichtig ist dabei die Langfristigkeit – Purpose ist kein Sprint, sondern ein Marathon.
Mutig voran: Warum Haltung zeigen sich auch in schwierigen Zeiten lohnt
Die Integration von Werten in eure Markenstrategie ist kein risikofreies Unterfangen. Ihr werdet Kritik einstecken müssen, vielleicht sogar Kunden verlieren. Doch die Ipsos-Daten zeigen eindeutig: Der potenzielle Gewinn überwiegt die Risiken bei weitem.
In einer Zeit, in der 78 Prozent der Gen Z und 74 Prozent der Millennials werteorientierte Marken bevorzugen, könnt ihr es euch schlicht nicht leisten, keine Haltung zu zeigen. Die Alternative – Neutralität um jeden Preis – wird zunehmend als Gleichgültigkeit interpretiert.
Wie Dr. Malte Liewerscheidt von Ipsos Deutschland betont: „Marken müssen authentisch Position beziehen, um bei jüngeren Zielgruppen relevant zu bleiben.“ Diese Relevanz ist die Währung der Zukunft – und der Preis für Haltungslosigkeit könnte der Verlust einer ganzen Generation von Konsumenten sein.
Werte als Wachstumsmotor: Die neue Erfolgsformel für moderne Marken
Die Ipsos Global Trends Studie 2024 liefert überzeugende Belege für einen fundamentalen Wandel im Verbraucherverhalten. Marken, die diesen Wandel nicht nur erkennen, sondern aktiv gestalten, werden die Gewinner von morgen sein. Sie nutzen Wertehaltung nicht als Marketing-Gimmick, sondern als strategischen Wettbewerbsvorteil.
Die Zahlen sind eindeutig: 67 Prozent der Deutschen bevorzugen Marken, die ihre Werte teilen. 58 Prozent sind bereit, dafür mehr zu zahlen. Und 54 Prozent meiden aktiv Marken, die nicht mit ihren Wertvorstellungen übereinstimmen. Diese Zahlen werden in den kommenden Jahren weiter steigen, getrieben von einer Generation, für die Haltung nicht verhandelbar ist.
Die Botschaft an Unternehmen und Marken ist klar: Wer heute und morgen erfolgreich sein will, muss Position beziehen – authentisch, konsistent und langfristig. Nur so könnt ihr die Herzen und Geldbeutel der nächsten Konsumentengeneration gewinnen.
Ipsos – Global Trends 2024: What the World Thinks
Ipsos Deutschland – Global Trends 2024: Deutsche Ergebnisse (Dr. Malte Liewerscheidt)
Horizont – Ipsos-Studie: Junge Verbraucher fordern Haltung von Marken (Sarah Müller)
W&V – Ipsos Global Trends: Verbraucher wollen Marken mit Haltung (Thomas Weber)
Ipsos – Global Trends 2024: Full Report (Ipsos Research Team)
Absatzwirtschaft – Ipsos-Studie: Gen Z fordert Haltung von Marken (Michael Schmidt)
Edelman – Trust Barometer 2024
Markenartikel Magazin – Ipsos Global Trends 2024: Marken müssen Haltung zeigen (Lisa Hoffmann)
Lead Digital – Ipsos Global Trends 2024: Marken zwischen Haltung und Business (Robert Klein)