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Klarna und der große US-Börsengang: Was Europas Unicorns aus dem IPO des Fintech-Riesen wirklich lernen können

Klarna hat es geschafft: Der schwedische Fintech-Riese hat Mitte September seinen Börsengang an der Wall Street erfolgreich über die Bühne gebracht.

Klarna hat es geschafft: Der schwedische Fintech-Riese hat Mitte September seinen Börsengang an der Wall Street erfolgreich über die Bühne gebracht. Mit einer Bewertung von 15 Milliarden Dollar und einem Kurssprung von 30% am ersten Handelstag markiert Klarnas IPO einen Meilenstein für die europäische Tech-Szene. Doch hinter diesem Erfolg steckt mehr als nur eine Finanzierungsgeschichte – es ist ein strategischer Masterplan, der europäischen Unicorns als Blaupause dienen kann. Vom Verlustgeschäft zur Profitabilität, von der BNPL-Nische zum Angriff auf den Kreditkartenmarkt: Klarna hat den Weg zum Exit neu definiert.

Der Börsengang: Wie Klarna den Sprung an die Wall Street meisterte

Am 10. September 2025 läutete Klarna-CEO Sebastian Siemiatkowski die Eröffnungsglocke der New York Stock Exchange. Mit einem Ausgabepreis von 40 Dollar je Aktie und dem Tickersymbol „KLAR“ sammelte das Unternehmen 1,37 Milliarden Dollar ein. Was folgte, war ein bemerkenswerter erster Handelstag: Die Aktien eröffneten bei 52 Dollar – 30% über dem Ausgabepreis – und schlossen bei 45,82 Dollar.

Besonders bemerkenswert: Diese Bewertung von 15,1 Milliarden Dollar markiert eine deutliche Erholung von der Talsohle im Jahr 2022, als Klarna in einer Finanzierungsrunde auf 6,7 Milliarden Dollar abgewertet wurde. Zwar liegt die aktuelle Bewertung noch weit unter dem Höhepunkt von 46 Milliarden Dollar während der COVID-Pandemie 2021, doch die Trendwende ist geschafft.

Das Bankenkonsortium hinter dem IPO liest sich wie das Who’s Who der Finanzwelt: Goldman Sachs, JPMorgan und Morgan Stanley führten die Gruppe an, unterstützt von BofA Securities, Citigroup, Deutsche Bank und weiteren namhaften Instituten. Insgesamt wurden 34,3 Millionen Aktien angeboten, wobei der Großteil von bestehenden Investoren stammte.

Der Turnaround: Wie Klarna den Weg zur Profitabilität fand

Klarnas Weg zum Börsengang ist eine klassische Comeback-Story. Nach Jahren des rasanten Wachstums auf Kosten der Profitabilität vollzog das Unternehmen eine radikale Kehrtwende. Die Erlöse stiegen 2024 um 24 Prozent auf 2,8 Milliarden US-Dollar, während gleichzeitig der entscheidende Sprung in die Gewinnzone gelang: Nach einem Verlust von 244 Millionen US-Dollar im Jahr 2023 erzielte Klarna 2024 einen Nettogewinn von 21 Millionen US-Dollar. Diese finanzielle Transformation war der Schlüssel zum erfolgreichen Börsengang – denn in Zeiten steigender Zinsen und wirtschaftlicher Unsicherheit haben unprofitable Wachstumsunternehmen an den Kapitalmärkten einen schweren Stand.

Die KI-Strategie: Wie Siemiatkowski Effizienz zum Wettbewerbsvorteil machte

Ein entscheidender Faktor für Klarnas Turnaround war die frühe und konsequente Nutzung künstlicher Intelligenz. Nach dem Start von OpenAIs ChatGPT im November 2022 erkannte CEO Sebastian Siemiatkowski sofort das Potenzial dieser Technologie zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung.

Klarna implementierte KI-Lösungen vor allem im Kundenservice – der hauseigene KI-Chatbot übernahm die Arbeit von rund 700 Vollzeitstellen. Insgesamt konnte das Unternehmen seine Belegschaft von 5.000 auf 3.800 Mitarbeiter reduzieren, ohne dabei an Leistungsfähigkeit einzubüßen. Die KI-gestützte Automatisierung erstreckte sich auch auf Marketing und andere Unternehmensbereiche.

Diese frühe Adoption von KI-Technologien verschaffte Klarna einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Während viele Wettbewerber noch mit hohen Personalkosten kämpften, konnte der schwedische Fintech-Riese seine Effizienz drastisch steigern und gleichzeitig den Kundenservice verbessern.

Die strategische Neupositionierung: Vom BNPL-Anbieter zur Finanzplattform

Ein Schlüsselelement in Klarnas Erfolgsgeschichte war die strategische Neupositionierung. Statt sich als reiner „Buy Now, Pay Later“-Anbieter zu definieren, vollzog das Unternehmen einen bemerkenswerten Wandel hin zu einer umfassenden Finanzplattform. „Wir gehen vom alternativen Zahlungsbereich in den Bereich der Standard-Zahlungen über“, erklärte David Sykes, Chief Commercial Officer von Klarna.

CEO Siemiatkowski widersprach in Interviews vehement der Einordnung als reines BNPL-Unternehmen: „Wir haben nicht mit DoorDash gestartet, um Burritos zu finanzieren.“ Stattdessen zielt Klarna direkt auf den US-Kreditkartenmarkt ab – eine 1,2 Billionen Dollar schwere Industrie, die nach Siemiatkowskis Worten „reif für Disruption“ ist.

Die Partnerstrategie: Wie Klarna Netzwerkeffekte für sich nutzt

Ein weiterer Erfolgsfaktor war Klarnas konsequente Integrationsstrategie. Durch die Einbindung in digitale Geldbörsen wie Apple Pay und Google Pay positionierte sich das Unternehmen als Standard-Zahlungsoption statt als Nischendienst. Dies unterstützte den Wandel von einem alternativen Zahlungsanbieter zu einem Mainstream-Finanzdienstleister.

Parallel vertiefte Klarna die Integration mit großen Zahlungsdienstleistern wie Stripe, J.P. Morgan Payments, Worldpay und Nexi. Diese Partnerschaften mit etablierten Finanzakteuren und Händlern mit hohem Verkehrsaufkommen verstärkten die Netzwerkeffekte und schufen ein robustes Ökosystem um die Klarna-Plattform herum. Mit 111 Millionen aktiven Verbrauchern (Stand Q2-2025) und Partnerschaften mit 675.000 Händlern verfügt Klarna über eine kritische Masse, die schwer zu replizieren ist.

Der europäische Unicorn-Markt: Status quo und Herausforderungen

Während Klarna seinen Börsengang feiert, kämpft der europäische Unicorn-Markt insgesamt mit Herausforderungen. 2024 war kein Rekordjahr für europäische Milliarden-Startups: Nur 13-14 Unternehmen erreichten den Unicorn-Status – deutlich weniger als die 69 im Jahr 2021 und 47 im Jahr 2022. Dennoch zeigt sich eine leichte Erholung gegenüber 2023, als nur sieben neue Unicorns entstanden.

Die geografische Verteilung der europäischen Unicorns zeigt klare Schwerpunkte: Das Vereinigte Königreich führt mit über 30 Unicorns, gefolgt von Frankreich (20) und Deutschland (18). Bei den Sektoren dominieren Fintech und Software, die zusammen mehr als die Hälfte aller europäischen Unicorns ausmachen.

Insgesamt beherbergt Europa etwa 14% der globalen Unicorns – eine beachtliche Zahl, die jedoch das Potenzial des Kontinents noch nicht vollständig widerspiegelt. Die Herausforderung für europäische Startups bleibt der Zugang zu Wachstumskapital in späteren Finanzierungsrunden sowie erfolgreiche Exit-Strategien.

Die Exit-Optionen: Warum Klarna den US-Börsengang wählte

Klarnas Entscheidung für einen Börsengang in New York statt in Europa war kein Zufall. Zeitweise erwog das Unternehmen eine Notierung an der London Stock Exchange, angezogen von den Möglichkeiten der regulatorischen Divergenz Großbritanniens nach dem Brexit. Letztendlich setzte sich jedoch die Anziehungskraft höherer Bewertungen und tieferer Liquiditätspools in den USA durch.

Diese Entscheidung verdeutlicht ein grundlegendes Problem des europäischen Kapitalmarkts: Die besten europäischen Technologieunternehmen gehen für ihren Börsengang oft in die USA, wodurch europäische Investoren und Pensionsfonds weitgehend vom Erfolg dieser Unternehmen ausgeschlossen bleiben. Bei Klarna waren die größten Investoren vor dem IPO internationale Finanzakteure wie Sequoia (21%), Heartland A/S (10%), Commonwealth Bank of Australia (5%) und Silverlake (5%).

Dennoch kann Klarnas Börsengang positive Effekte für das europäische Ökosystem haben. Mehr als 40 aktuelle und ehemalige Mitarbeiter von Klarna wurden durch den Börsengang zu Millionären – ein Potenzial für zukünftige Investitionen in neue europäische Startups und die Entstehung einer „Klarna-Mafia“ nach dem Vorbild erfolgreicher Silicon-Valley-Unternehmen.

Der IPO-Markt 2025: Chancen für europäische Tech-Champions

Goldman Sachs prognostiziert für 2025 ein „Durchbruchsjahr“ für Tech-IPOs weltweit. Die Investmentbank erwartet, dass die Anzahl der Börsengänge deutlich höher sein wird als in den letzten Jahren und näher an der mittleren Anzahl jährlicher Angebote (30) vor der Covid-Pandemie liegen wird – eine erhebliche Steigerung gegenüber der Flaute in den Jahren 2022-2023.

Mehrere europäische Unicorns stehen in den Startlöchern für einen möglichen Börsengang. Besonders Revolut gilt als starker Kandidat: Das britische Mobile-Banking-Unternehmen steigerte seinen Umsatz 2023 auf 2,2 Milliarden US-Dollar und meldete Gewinne von 545 Millionen US-Dollar. Mit seinem bald 10-jährigen Bestehen und starken Finanzkennzahlen könnte Revolut dem Beispiel Klarnas folgen.

Der BNPL-Markt in Europa: Wachstumspotenzial und Regulierung

Der europäische BNPL-Markt, in dem Klarna als Pionier gilt, zeigt weiterhin starkes Wachstumspotenzial. Die Marktgröße wurde 2023 auf 2,69 Milliarden USD geschätzt und soll bis 2030 auf 6,17 Milliarden USD anwachsen – eine jährliche Wachstumsrate (CAGR) von 11,5%. Nach einer besonders dynamischen Wachstumsphase während der Pandemie (CAGR von 20,6% zwischen 2021-2024) wird sich das Wachstum voraussichtlich auf eine CAGR von 9,0% für den Zeitraum 2025-2030 normalisieren.

Neben Klarna dominieren weitere Akteure den europäischen BNPL-Markt: Afterpay (Riverty) und PayPal gehören zu den größten Anbietern, ergänzt durch lokale Player wie Scalapay in Italien und Alma in Frankreich. Klarna bleibt jedoch mit seiner Präsenz in 26 Ländern, über 111 Millionen Nutzern und einem Bruttowarenvolumen (GMV) von 105 Milliarden US-Dollar (2024) der unangefochtene Marktführer.

Eine bedeutende Herausforderung für die BNPL-Branche ist die zunehmende Regulierung. Die EU plant bis 2026 die Implementierung von Vorschriften, die BNPL-Angebote als Verbraucherkredite klassifizieren und Kreditwürdigkeitsprüfungen sowie präzisere Bedingungen zur Verhinderung von Überschuldung vorschreiben. Deutschland hat bereits 2024 Kreditprüfungen für BNPL-Transaktionen eingeführt, auch für Beträge unter 200 Euro. Die britische Regierung plant, BNPL-Anbieter unter die Aufsicht der Financial Conduct Authority zu stellen.

Die Kapitaleffizienz: Europäische versus amerikanische Unicorns

Ein interessanter Aspekt im Vergleich europäischer und amerikanischer Unicorns ist die Kapitaleffizienz. Während US-Unicorns typischerweise den meisten Risikokapital einsammeln – im Median 320 Millionen US-Dollar vor Erreichen des Unicorn-Status – kommen europäische Einhorn-Startups oft mit deutlich weniger aus. Der Median liegt hier bei 180 Millionen US-Dollar.

Diese höhere Kapitaleffizienz europäischer Startups könnte ein Wettbewerbsvorteil sein, da sie früh lernen, mit begrenzten Ressourcen zu wirtschaften. Gleichzeitig kann die geringere Kapitalausstattung aber auch ein Nachteil im globalen Wettbewerb sein, besonders wenn es um aggressive Expansionsstrategien und Marktdominanz geht.

Das optimale Timing: Reife und Profitabilität als Schlüsselfaktoren

Das durchschnittliche Alter von Startups, die 2024 an die Börse gehen, beträgt laut CB Insights 16 Jahre – ein deutlicher Anstieg gegenüber 12 Jahren im Jahr 2015. Dieser Trend zu längeren Reifephasen vor dem Börsengang zeigt sich auch bei Klarna, das 2005 gegründet wurde und somit 20 Jahre bis zum IPO benötigte. Allerdings wurde Klarnas Börsengang auch durch Marktschwankungen und interne Konflikte verzögert.

Mit dem starken Zinsanstieg im Jahr 2022 änderte sich das Börsenklima grundlegend. Die Profitabilität wurde plötzlich zum entscheidenden Faktor, während das reine Umsatzwachstum an Bedeutung verlor. Unprofitable Unternehmen mussten ihre Strategie komplett umstellen und Kosten senken – genau der Weg, den Klarna eingeschlagen hat. Diese Fokussierung auf Profitabilität statt bloßes Wachstum dürfte auch für andere europäische Unicorns mit Börsenambitionen wegweisend sein.

Die Vision: Sebastian Siemiatkowskis Weg vom Burger King zum Fintech-Milliardär

Hinter Klarnas Erfolg steht eine bemerkenswerte persönliche Geschichte: CEO Sebastian Siemiatkowski arbeitete bei Burger King und lebte zeitweise von Sozialhilfe, bevor er sein heute 15 Milliarden Dollar schweres Fintech-Unternehmen gründete. Sein Weg ist eine klassische Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte, die den Unternehmergeist und die Aufstiegschancen im Tech-Sektor verdeutlicht.

Trotz aller Höhen und Tiefen hielt Siemiatkowski an seiner Vision fest. In einem CNBC-Interview erklärte er: „Unabhängig von all den Zyklen und allem, was wir mit dem Unternehmen durchgemacht haben, frage ich mich jederzeit, ob ich noch glaube, dass Klarna das nächste Google in der Größe werden kann, dass wir ein Hunderte-Milliarden-Dollar-Marktunternehmen oder ein Billionen-Dollar-Unternehmen werden können.“ Diese langfristige Vision und der Glaube an das eigene Unternehmen sind charakteristisch für erfolgreiche Gründer – und ein Vorbild für aufstrebende europäische Unicorn-Gründer.

Die Goldene Exitformel: Was europäische Unicorns von Klarna lernen können

Klarnas Weg zum erfolgreichen Börsengang bietet wertvolle Lektionen für europäische Unicorns mit ähnlichen Ambitionen. Die wichtigsten Erkenntnisse: Profitabilität schlägt reines Wachstum, KI-getriebene Effizienz schafft Wettbewerbsvorteile, und strategische Neupositionierung kann den adressierbaren Markt drastisch erweitern.

Auch die Wahl des richtigen Exit-Zeitpunkts und -Orts erweist sich als entscheidend. Während die USA höhere Bewertungen und tiefere Liquiditätspools bieten, könnte die Stärkung europäischer Kapitalmärkte langfristig dazu beitragen, mehr Tech-Champions in Europa zu halten. Erfolgreiche Exits wie der von Klarna schaffen zudem positive Ökosystemeffekte: Ehemalige Mitarbeiter werden zu Investoren und Gründern, Know-how zirkuliert, und eine neue Generation von Startups entsteht.

Letztlich zeigt Klarnas Geschichte, dass der Weg zum erfolgreichen Exit nicht linear verläuft. Von der 46-Milliarden-Dollar-Bewertung zum Absturz auf 6,7 Milliarden und schließlich zum 15-Milliarden-Dollar-IPO – es ist eine Achterbahnfahrt, die Resilienz, strategische Anpassungsfähigkeit und unbeirrbaren Glauben an die eigene Vision erfordert. Europäische Unicorns, die diese Lektionen beherzigen, können ihre eigenen Erfolgsgeschichten schreiben – und vielleicht sogar den nächsten globalen Tech-Giganten aus Europa hervorbringen.

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