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Let’s Change the Narrative! Die Evolution nachhaltiger Kommunikation

Die Klimakrise geht nicht weg, nur weil sie gerade nicht so im Fokus steht. Das ist klar, deshalb wird das Thema auch in der Kommunikation wieder eine stärkere Rolle spielen. Spielen müssen. Wenn wir einen Blick darauf werfen, wie sich Nachhaltigkeit in der Kommunikation entwickelt hat, wird klar, dass sie in Zukunft leichter, klarer und mehr auf die Vorteile konzentriert werden muss.

Von der Öko-Nische zum Mainstream: Eine Reise durch drei Jahrzehnte

Die Nachhaltigkeitskommunikation hat eine bemerkenswerte Transformation durchlaufen, die parallel zur gesellschaftlichen Entwicklung der Nachhaltigkeit selbst verläuft. Was in den 1990ern als Nischenbewegung der „Müslifresser“ und „Ökospinner“ begann, ist heute fest im Mainstream verankert.

In den Anfängen sprachen Pioniere wie demeter, Alnatura, Weleda und Birkenstock eine kleine, aber überzeugte Zielgruppe an. Ihre Kommunikation war geprägt von großer Informationstiefe, den klassischen Öko-Farben Grün und Braun sowie einem gemeinsamen Vorsatz, die Welt neu zu denken. Die Narrative fokussierten sich auf die neue, eigene Identität der ökologischen Nische, die sich aus gemeinsamer Überzeugung und echtem Interesse nährte.

Der entscheidende Wendepunkt kam um 2019 mit dem Höhepunkt der Fridays-for-Future-Bewegung. Nachhaltigkeit wurde emotionaler, plakativer und weniger erklärend. Kommunikative Pioniere wie Oatly mit ihrem schrägen „Wow no cow!“-Superbowl-Spot, Tony’s Chocolonely mit ihrer bunten, humorvollen Aufklärung über Sklaverei in der Schokoladenindustrie oder Chipotle mit ihrer packenden „Farm-to-Face-Story“ revolutionierten die Branche. Sie ersetzten das belehrende Aufklären durch unterhaltsames Umwerben und gewannen dadurch schnell Marktanteile von etablierten Platzhirschen.

Der große Paradigmenwechsel: Von „Welt retten“ zu „Ich-Vorteile“

Corona, der Ukrainekrieg und die daraus resultierende Polykrise haben die gesellschaftlichen Prioritäten grundlegend verschoben. Eine repräsentative Civey-Studie für die Süddeutsche Zeitung aus dem Sommer 2024 bringt es auf den Punkt: Knapp 70 Prozent der Deutschen sind nicht mehr bereit, für Klimaschutz tiefer ins Portemonnaie zu greifen. Der altruistische Weltretter-Impuls von 2019 ist einem pragmatischen „Was bringt mir das?“-Ansatz gewichen.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Kommunikation wider. Die neue Formel lautet: „Gut für mich und meine Welt“. Und zwar in genau dieser Reihenfolge. Whole Foods macht es mit seinem Claim „America’s Healthiest Grocery Store“ exemplarisch vor: Die Gesundheit steht im Vordergrund, die Nachhaltigkeit schwingt dezent mit. Ähnlich erfolgreich verbindet eBays „Pre-Loved Island“-Kampagne Second-Hand-Shopping mit Style und Lifestyle, statt mit Verzicht zu argumentieren.

Die menschliche Natur ist auf Steigerung ausgelegt. Menschen wollen nicht verzichten, auch wenn der Verstand es fordert. Zudem lebt das Gehirn im Hier und Jetzt und reagiert nicht stark auf Bedrohungen, die erst in Jahrzehnten eintreten könnten.

Acht Schritte für erfolgreiche narrative Veränderung

Die erfolgreiche Transformation der Nachhaltigkeitskommunikation folgt klaren Prinzipien, die sich in acht Schritten zusammenfassen lassen:

Erstens geht es darum, zu inspirieren statt zu ängstigen. Studien belegen, dass Angstkampagnen selten gesellschaftlichen Wandel bewirken. Negative Nachrichten verzerren unsere Weltsicht und können sogar die psychische Gesundheit beeinflussen. Geschichten, die auf Hoffnung, Positivität und innovative Ansätze setzen, haben dagegen das Potenzial, zu gemeinschaftlichem Handeln zu bewegen.

Zweitens sollte die Kraft der Gemeinschaft betont werden – gemeinsam statt einsam. Der einsame Superheld ist eine Hollywood-Fiktion. In der Realität formt sich Heldentum im Kollektiv. Nachhaltiges Marketing sollte das Wir über das Ich stellen und Geschichten erzählen, die Menschen als Teil eines „Gewinnerteams“ positionieren.

Drittens empfiehlt sich ein Fokus auf Kreislauf statt Linearität. Traditionelle Erzählstrukturen mit klarem Ende sollten durch zirkuläre Narrative ersetzt werden, die Unsicherheit akzeptieren und „offene Enden“ bieten. Begriffe wie „Wiederaufladen“, „Rückkehr“ und „Recycling“ werden zu zentralen Elementen der neuen Geschichten.

Viertens kann die Zusammenarbeit zwischen KI und Mensch als kreatives Duett fungieren. Technologie wird nicht als Gegenspieler, sondern als Partner des Menschen positioniert, um Geschichten zu formen, die mitnehmen und zum Handeln anregen.

Fünftens wirkt die Strategie „Klein anfangen, Großes bewirken“. Durch das glaubwürdige Präsentieren realer Lösungen, die bereits andernorts erfolgreich waren, wird nachhaltigerer Konsum in den Köpfen normalisiert. Empowerment statt Schuldgefühle fördert nachhaltiges Verhalten.

Sechstens können Humor und Komödien als Türöffner dienen. Satirische Ansätze wie der Netflix-Film „Don’t Look Up“ oder Kabarett-Formate wie „Die Anstalt“ machen schwierige Themen zugänglich, ohne belehrend zu wirken. Humor baut Barrieren ab und lädt zum Nachdenken ein.

Siebtens gilt die Erkenntnis: Wenn wir fühlen, handeln wir. Emotionale Verbindungen sind entscheidend für Verhaltensänderungen. Fesselndes Storytelling aktiviert Gehirnregionen, die Beobachtungen simulieren, sodass Zuschauer das Gefühl haben, selbst zu erleben, was sie sehen.

Achtens entfaltet sich die Kraft der Empathie durch narrative Transportation. Gute Geschichten schaffen Beziehungen und wecken Mitgefühl – der gleiche Mechanismus, der uns bei bestimmten Filmen zum Weinen bringt.

Die Superpower des Marketings: Verantwortung für die Zukunft

Marketing ist weit mehr als reines Verkaufen – es formt aktiv Kultur und Zukunft. Die gesamte Kreativwirtschaft prägt den Zeitgeist und trägt gesellschaftliche Verantwortung für die Transformation. Wie Henry Ford treffend sagte: „Ein Mann, der aufhört zu werben, um Geld zu sparen, ist wie ein Mann, der eine Uhr anhält, um Zeit zu sparen.“

Die beispielhafte Netflix-Dokumentation „Waterschool“ zeigt das Potenzial auf: Durch die Zusammenarbeit zwischen Netflix, Swarovski und der UCLA entstehen kraftvolle Geschichten, die weit über individuelle Grenzen hinauswirken und globale Gespräche über Nachhaltigkeit anstoßen.

Die große Chance liegt darin, mit kreativen, emotionalen und nutzerzentrierten Narrativen nicht nur bessere Marketer zu werden, sondern auch einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Es geht darum, die Superpower der Kommunikation zu nutzen, um Menschen zu einer besseren, nachhaltigeren Zukunft einzuladen – einer Zukunft, die nicht von Verzicht, sondern von Gewinn geprägt ist. Ein echter Superhero eben, der die transformative Kraft der Geschichten für das Gemeinwohl einsetzt.

Mehr dazu auch in dem Buch „Superpower Sustainable Marketing“, das zeigt, dieser Wandel der Narrative sich auf die gesamte Marke auswirkt und wie sie davon profitiert.

Franziska Mozart berichtet seit vielen Jahren über die Marketing- und Medien-Branche. Die freie Journalistin beschäftigt sich am liebsten mit Nachhaltigkeit und Digitalisierung und am allerliebsten mit der Schnittstelle dieser beiden Bereiche. Ihr journalistisches Handwerkszeug lernte sie bei der Fachzeitschrift Werben & Verkaufen (W&V), für die sie aktuell den Green CMO Award betreut. Sie betreibt einen Newsletter zum Thema Green Marketing und gilt als Expertin zum Thema Nachhaltigkeitsmarketing und hat als Co-Autorin das Buch »SUPER POWER – SUSTAINABLE MARKETING« geschrieben.

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