Der Elektrofahrzeughersteller Rivian setzt auf einen radikalen Anreiz, um seine Wachstumsambitionen zu befeuern: CEO RJ Scaringe erhält ein Vergütungspaket im Wert von bis zu 4,6 Milliarden US-Dollar. Das am Freitag angekündigte Paket orientiert sich am Erfolgsmodell von Tesla-CEO Elon Musk und knüpft die Auszahlung an ambitionierte Gewinn- und Aktienkursziele. Für den Rivian-Gründer winkt damit einer der lukrativsten Vergütungsdeals der Unternehmensgeschichte – vorausgesetzt, er liefert die geforderten Resultate.
Die Mechanik des Milliarden-Deals
Das neue Vergütungspaket für Scaringe umfasst Optionen zum Kauf von 36,5 Millionen Aktien der Klasse A zu einem Ausübungspreis von 15,22 US-Dollar pro Aktie – das sind etwa 16 Millionen mehr als seine vorherige Zuteilung. Die Besonderheit: Die Optionen werden nur dann unverfallbar, wenn Rivian ambitionierte Meilensteine erreicht.
Konkret muss der Aktienkurs auf 40 bis 140 US-Dollar steigen – ein deutlicher Unterschied zum vorherigen Paket, das Kursziele von 110 bis 295 US-Dollar vorsah. Zusätzlich wurden neue operative Ertrags- und Cashflow-Ziele für die nächsten sieben Jahre definiert. Zum Vergleich: Die Rivian-Aktie schloss vor der Ankündigung bei 15,22 US-Dollar.
Neben den Aktienoptionen verdoppelte der Vorstand auch Scaringes Grundgehalt auf 2 Millionen US-Dollar. Die Änderungen wurden mit Unterstützung eines unabhängigen Vergütungsberaters vorgenommen und sollen die Interessen des CEOs stärker mit denen der Aktionäre in Einklang bringen.
Das Musk-Modell als Blaupause für die Branche
Rivians Vergütungspaket für Scaringe folgt einem Trend, den Tesla mit seinem spektakulären Vergütungsmodell für Elon Musk etabliert hat. Erst kürzlich stimmten Tesla-Aktionäre für ein neues Paket im potenziellen Wert von bis zu 1 Billion US-Dollar über 10 Jahre – gekoppelt an ehrgeizige Ziele wie den Verkauf von 1 Million humanoiden Robotern, 20 Millionen Tesla-Fahrzeugen und das Erreichen einer Marktkapitalisierung von 8,5 Billionen US-Dollar. Musks Eigentumsanteil könnte dadurch von etwa 13% auf 25% steigen.
Der Architekt hinter Rivian
RJ Scaringe ist nicht nur CEO, sondern auch der visionäre Gründer hinter Rivian. Der 1983 geborene Ingenieur gründete das Unternehmen 2009 als einziger Mitarbeiter unter dem Namen Mainstream Motors, bevor er es 2011 in Rivian umbenannte.
Scaringe bringt beeindruckendes akademisches Know-how mit: Nach seinem Bachelor in Maschinenbau am Rensselaer Polytechnic Institute erwarb er sowohl einen Master- als auch einen Doktortitel am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Bemerkenswert ist sein strategischer Kurswechsel in den Anfangsjahren von Rivian: Nach zwei Jahren Entwicklungsarbeit an einem elektrischen Sportwagen verwarf er das Projekt komplett. „Es wurde zunehmend klar, dass wir keine Frage beantworteten, auf die die Welt eine Antwort braucht“, erklärte Scaringe diese mutige Entscheidung. Das Ergebnis: eine Neuausrichtung auf elektrische Adventure-Vehicles – die heutigen R1S SUVs und R1T Pickups.
Rivians Zukunftsstrategie: Wachstum und neue Geschäftsfelder
Mit dem neuen Vergütungspaket will Rivian seinen Gründer langfristig binden und den Fokus auf Wachstum und Profitabilität schärfen. Ein zentraler Baustein der Strategie: Der für 2026 geplante kleinere, erschwinglichere R2 SUV soll direkt mit Teslas Bestseller Model Y konkurrieren.
Parallel dazu expandiert Rivian in neue Geschäftsbereiche. Erst kürzlich gründete das Unternehmen Mind Robotics – ein Spinoff, das sich auf industrielle KI und Robotik konzentriert. Das neue Unternehmen konnte bereits eine Seed-Finanzierung von 115 Millionen US-Dollar sichern, angeführt von der VC-Firma Eclipse. Scaringe wird als Vorstandsvorsitzender fungieren und erhält 1 Million Anteile an Mind Robotics, was ihm bis zu 10% wirtschaftliche Beteiligung einbringen könnte.
Auf dem Weg zur Profitabilität
Die finanzielle Lage von Rivian zeigt erste positive Signale. Im vierten Quartal 2024 erzielte das Unternehmen einen Bruttogewinn von 170 Millionen US-Dollar. „In diesem Quartal erreichten wir einen positiven Bruttogewinn und reduzierten die Herstellungskosten pro ausgeliefertem Fahrzeug um 31.000 US-Dollar gegenüber dem Vorjahresquartal“, erklärte Scaringe.
Der Jahresumsatz 2024 stieg auf 4,97 Milliarden US-Dollar – ein Plus von etwa 12% gegenüber 2023. Besonders stark war das vierte Quartal mit einem Umsatzwachstum von über 31% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Die Wette auf außergewöhnliche Führung
Experteneinschätzungen zum Rivian-Vergütungspaket fallen differenziert aus. „Während Rivian vielleicht kein direkter Nachahmer ist, gibt es definitiv Elon Musk-Eigenschaften, die ähnlich sind“, kommentiert Yonat Assayag, Partnerin bei der Vergütungsberatungsfirma ClearBridge Compensation Group. „Es geht nicht darum, mit Musk mitzuhalten, sondern ist von Musks Auszeichnung inspiriert.“
Kritiker wie Amit Batish, Direktor der Forschungsfirma Equilar, geben zu bedenken, dass solche Strukturen nicht immer funktionieren: Viele Unternehmensleiter haben Schwierigkeiten, die ambitionierten Ziele über Jahre hinweg zu erreichen – besonders angesichts sich ändernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.
finance.yahoo.com – EV maker Rivian gives CEO a Musk-style pay package worth up to $4.6 billion
cnbc.com – EV maker Rivian gives CEO a Musk-style pay package worth up to $4.6 billion
meche.mit.edu – RJ Scaringe | MIT Department of Mechanical Engineering
techcrunch.com – Rivian creates another spinoff company called Mind Robotics
Photo by Tasos Katopodis/Getty Images for The Atlantic