Ich habe sie noch vor mir, diese Plakate mit schweißtriefenden Athleten, die mir entgegenschrien: „JUST DO IT!“ Drei Worte, die mich durch jede Sporteinheit peitschten – selbst dann, wenn der innere Schweinehund so laut bellte, dass die Nachbarn sich beschwerten. Dann kam der 4. September 2025. Nike verwandelte seinen kategorischen Imperativ in ein nachdenkliches „WHY DO IT?“ – und plötzlich stellen wir uns alle die Frage: Was steckt hinter diesem Schritt des Sportgiganten, und welchen Einfluss hat es auf die Markenwahrnehmung?
Der Imperativ ist tot, lang lebe das Fragezeichen
Seit 1988 brachte Nike mit „Just Do It“ Millionen Menschen zum Schwitzen. Die Botschaft war klar: Schluss mit Ausreden, raus aus der Komfortzone, rein in die Sportschuhe. Ein Slogan, der nicht nur half, Turnschuhe zu verkaufen, sondern sich in unsere kollektive Psyche einbrannte. Doch dann, wie aus dem Nichts, die Kehrtwende. Der neue Slogan „Why Do It?“ klingt zunächst wie ein Einknicken vor der Faulheit – als hätte sich ein frustrierter Philosophiestudent ins Marketingteam geschlichen.
Aber genau hier liegt die Brillanz. Nike hat erkannt, was viele Marken noch nicht verstanden haben: Die Generation Z will nicht mehr angeschrien werden. Sie will nicht hören, dass sie einfach „machen“ soll. In einer Welt, in der jeder Fehltritt auf Social Media seziert wird, in der Perfektion die neue Normalität ist, braucht es mehr als einen Befehl. Es braucht einen Dialog.
Die Anatomie einer kulturellen Wendung
Hinter der Änderung steckt mehr als nur ein Marketing-Gag. Es ist ein Eingeständnis, dass sich die Welt verändert hat. Nicole Graham, Nikes Executive VP & CMO, brachte es in Briefings auf den Punkt: „‘Just Do It’ ist nicht nur ein Slogan – es ist ein Spirit, der in jedem Herzschlag des Sports lebt. Es ist der Glaube, dass wir gemeinsam inspirieren, vereinen und uns über das hinaus erheben können, was wir für möglich hielten. Mit ‚Why Do It?‘ wecken wir diesen Funken in einer neuen Generation, fordern sie heraus, mutig nach vorne zu treten, ihrem eigenen Potenzial zu vertrauen und die Größe zu entdecken, die sich in dem Moment entfaltet, in dem sie sich entscheiden, anzufangen.“
Vom Befehl zur Selbstreflexion – die psychologische Raffinesse
Die Umwandlung des Imperativs in eine Frage ist psychologisch raffiniert. „Just Do It“ war eine Peitsche – „Why Do It?“ ist ein Spiegel. Die neue Botschaft fragt nicht nur, warum man Sport treiben sollte, sondern lädt zur tieferen Reflexion ein: Warum tust du, was du tust? Für wen tust du es? Was treibt dich wirklich an?
Damit trifft Nike den Nerv einer Generation, die nach Authentizität und Sinnhaftigkeit sucht. Die Zeiten, in denen man etwas tat, nur weil es alle taten oder weil eine Autorität es befahl, sind vorbei. Die Gen Z will Gründe, will Bedeutung – und Nike liefert genau das.
Das Geniale daran: Die Frage „Why Do It?“ enthält bereits ihre eigene Antwort. Denn wer sich fragt, warum er etwas tun sollte, beginnt bereits, nach Gründen zu suchen – und findet sie meist auch.
Die Zahlen hinter dem Wandel: Nike’s strategischer Schachzug
Machen wir uns nichts vor – Nike hat diesen Schritt nicht aus reiner Menschenliebe vollzogen. Natürlich haben da auch Zahlen was mit zu tun: Ein Rückgang des Quartalsumsatzes auf $12.6 Milliarden im Q4 2024, ein Rückgang von 2%, ist selbst für einen Giganten wie Nike ein Weckruf.
Unter der Führung von CEO John Donahoe, als die Kampagne startete, steht Nike vor der Herausforderung, sich in einem zunehmend fragmentierten Markt neu zu positionieren. Die Konkurrenz schläft nicht – Adidas und aufstrebende Performance-Wear-Marken nagen an Nikes Marktanteilen. Der Wechsel von „Just Do It“ zu „Why Do It?“ ist daher nicht nur ein kultureller Kommentar, sondern Teil einer umfassenderen Neuausrichtung.
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Mehr InformationenDie Stimmen der neuen Ära: Wer spricht für Nike?
Tyler, The Creator – einst rebellischer Außenseiter, heute kulturelle Ikone – wurde als Narrator der neuen Kampagne ausgewählt. Eine Wahl mit Symbolkraft: Wer könnte besser für eine Marke sprechen, die den Status quo in Frage stellt, als jemand, der seine Karriere damit verbracht hat, Konventionen zu brechen?
Neben ihm steht eine globale Riege von Athleten, die die Diversität der modernen Sportwelt widerspiegeln: Carlos Alcaraz aus Spanien, Saquon Barkley und Caitlin Clark aus den USA, der unvermeidliche LeBron James, die brasilianische Skateboard-Sensation Rayssa Leal, die chinesische Tennisspielerin Qinwen Zheng und Vini Jr. aus Brasilien. Diese internationale Besetzung unterstreicht, dass die Frage „Why Do It?“ universell ist – sie überschreitet kulturelle und sprachliche Grenzen.







Von Walt Stack zu Gen Z: Die Evolution eines Markenversprechens
Um zu verstehen, wie radikal dieser Wandel ist, lohnt ein Blick zurück. 1988 debütierte „Just Do It“ mit dem 80-jährigen Jogger Walt Stack, der täglich über die Golden Gate Bridge lief. Die Botschaft war simpel: Wenn dieser alte Mann es kann, kannst du es auch.
Es folgten ikonische Kampagnen mit Michael Jordan, Serena Williams und unzähligen anderen Sportlegenden. Der Slogan wurde zum kulturellen Phänomen, das weit über Sport hinausging. Er wurde zur Lebensphilosophie, zum Mantra für alle, die vor Herausforderungen standen.
Doch was 1988 funktionierte, trifft 2025 auf eine andere Realität. Die neue Generation wächst in einer Welt auf, in der Burnout schon in der Schule beginnt, in der mentale Gesundheit kein Tabu mehr ist, sondern ein zentrales Thema. „Just Do It“ kann in diesem Kontext fast zynisch wirken – als würde man komplexe psychologische Herausforderungen mit einem simplen „Reiß dich zusammen“ abtun.
Die Kritiker melden sich zu Wort: Verwässerung oder Weiterentwicklung?
Natürlich gibt es auch kritische Stimmen. Einige Marketing-Veteranen befürchten eine Verwässerung der Markenidentität. „Ein ikonischer Slogan ist wie ein Leuchtturm – wenn man ihn verschiebt, verlieren Schiffe die Orientierung“, höre ich schon Branchenexperte unken.
Andere sehen in dem Schritt eine Kapitulation vor dem Zeitgeist. „Nike war immer eine Marke, die voranging, nicht eine, die fragte, ob man mitkommen will“, schreibt ein Kommentator auf LinkedIn. Die Sorge: Könnte die Marke an Durchschlagskraft verlieren, wenn sie ihren kategorischen Imperativ aufgibt?
Nike kontert diese Kritik geschickt. Das Unternehmen betont, dass der Geist der Marke unverändert bleibt – es geht nach wie vor darum, menschliches Potenzial zu feiern und zu fördern. Nur der Weg dorthin hat sich verändert. Statt zu befehlen, lädt Nike nun zum Dialog ein. Eine subtile, aber entscheidende Verschiebung.
Der Kontext macht den Unterschied: Warum jetzt?
Timing ist in der Werbung alles, und Nike hat den Moment gut gewählt. Die Kampagne startete am 4. September 2025, just zum Beginn mehrerer Sportsaisons. Doch der tiefere Zeitgeist spielt eine noch wichtigere Rolle.
Wir leben in einer Ära, in der traditionelle Autoritäten und Gewissheiten in Frage gestellt werden. Von der Politik bis zur Religion – überall wird hinterfragt, diskutiert, neu verhandelt. In diesem Klima wirkt ein unumstößlicher Befehl wie „Just Do It“ zunehmend aus der Zeit gefallen.
Gleichzeitig erlebt die Welt eine mentale Gesundheitskrise, verschärft durch die Pandemie und die allgegenwärtige digitale Vernetzung. Die Generation Z ist die am stärksten diagnostizierte Generation in Bezug auf Angstzustände und Depression. Vor diesem Hintergrund wirkt Nikes Kurswechsel nicht nur strategisch klug, sondern auch gesellschaftlich verantwortungsvoll.
Die Kunst des Reframings: Wie Nike seine eigene Geschichte umschreibt
Besonders beeindruckend ist, wie Nike diesen Wandel nicht als Bruch, sondern als Evolution darstellt. In Interviews und Pressemitteilungen betonen Führungskräfte, dass „Why Do It?“ keine Abkehr von „Just Do It“ sei, sondern dessen Weiterentwicklung. Eine geschickte Neuinterpretation der eigenen Geschichte.
Diese Technik – Reframing genannt – ist ein Meisterstück des Markenmanagements. Anstatt einzugestehen, dass der alte Slogan nicht mehr zeitgemäß ist, präsentiert Nike die Änderung als Beweis für die kontinuierliche Relevanz und Anpassungsfähigkeit der Marke. Die Botschaft: Nike versteht die Zeichen der Zeit und entwickelt sich mit ihnen.
Der wirtschaftliche Imperativ: Warum Nike diesen Schritt gehen musste
Hinter dem kulturellen Wandel stehen harte wirtschaftliche Realitäten. Nike hat in den letzten Jahren mit Herausforderungen zu kämpfen: Rückläufige Umsätze, intensivierter Wettbewerb und eine Verschiebung vom Lifestyle- zum Performance-Segment.
Die Umstellung auf „Why Do It?“ ist Teil einer umfassenderen Strategie, zu der auch interne Umstrukturierungen gehören – einschließlich Entlassungen, die weniger als 1% des Unternehmenspersonals betreffen. Es ist ein kalkuliertes Risiko, aber eines, das Nike eingehen muss, um seine Position als Marktführer zu behaupten.
Die ersten Reaktionen deuten darauf hin, dass die Strategie aufgeht. In den sozialen Medien hat die Kampagne bereits erhebliche Resonanz gefunden, besonders bei der jüngeren Zielgruppe. Die Umformulierung des Slogans als Frage statt als Befehl scheint tatsächlich inklusiver und emotional zugänglicher zu wirken.
Was können andere Marken von Nike lernen?
Nikes Schritt ist ein Lehrstück für Markenführung in turbulenten Zeiten. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse:
1. Selbst die ikonischsten Markenelemente müssen sich weiterentwickeln, um relevant zu bleiben. Nike hat verstanden, dass kein Slogan – egal wie legendär – über Veränderung erhaben ist.
2. Die Art, wie wir kommunizieren, ist genauso wichtig wie der Inhalt unserer Botschaft. Der Wechsel vom Imperativ zur Frage spiegelt einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise wider, wie Marken heute mit Verbrauchern interagieren sollten.
3. Kulturelles Gespür ist unerlässlich. Nike hat erkannt, dass die „Anxious Generation“ anders angesprochen werden muss als frühere Generationen – mit Empathie statt mit Befehlen.
Die tiefere Bedeutung: Von der Marke zur Bewegung
Was auf den ersten Blick wie eine simple Änderung eines Werbespruches aussieht, könnte sich als Wendepunkt in der Markengeschichte erweisen. Mit „Why Do It?“ positioniert sich Nike nicht mehr nur als Sportartikelhersteller, sondern als Moderator eines kulturellen Dialogs.
Die Frage „Warum tust du es?“ lädt zu Selbstreflexion ein, zu einer tieferen Auseinandersetzung mit den eigenen Motiven und Zielen. Sie schafft Raum für individuelle Antworten, für persönliche Narrative. Und genau das ist es, was die Generation Z sucht: nicht vorgegebene Antworten, sondern die Freiheit, eigene Antworten zu finden.
In einer Welt, die von Algorithmen geprägt ist, die uns sagen, was wir mögen, kaufen und tun sollen, ist die Frage „Warum?“ ein radikaler Akt der Selbstbestimmung. Nike hat verstanden, dass die Zukunft des Marketings nicht in der Manipulation, sondern in der Emanzipation liegt.
Der Mut zu zweifeln: Warum Fragen stärker sind als Befehle
Was Nike hier vollzieht, ist mehr als ein Rebrand – es ist ein Paradigmenwechsel. In einer Welt voller Gewissheiten und kategorischer Imperative setzt die Marke auf die Kraft des Zweifels, auf den Mut zu fragen.
Dies spiegelt eine breitere kulturelle Verschiebung wider: Weg von blinder Autorität, hin zu informierter Autonomie. Weg von extrinsischer Motivation, hin zu intrinsischer Sinnfindung. Die Generation Z will nicht mehr „einfach machen“ – sie will verstehen, warum etwas des Machens wert ist.
Und paradoxerweise könnte genau diese Hinterfragung zu einer tieferen, nachhaltigeren Form von Engagement führen. Denn wer seine eigenen Gründe gefunden hat, braucht keine externen Befehle mehr.
Die Zukunft des Slogans: Was kommt nach der Frage?
Wohin führt dieser Weg? Wird „Why Do It?“ die gleiche kulturelle Durchschlagskraft entwickeln wie sein Vorgänger? Wird es die nächsten 37 Jahre überdauern?
Das bleibt abzuwarten. Doch eines ist sicher: Nike hat mit diesem Schritt bewiesen, dass selbst die größten Marken den Mut haben müssen, ihre heiligsten Kühe zu schlachten, wenn die Zeit es erfordert. In einer Welt, die sich schneller verändert als je zuvor, könnte dies die wichtigste Lektion sein.
Die Frage „Why Do It?“ wird nicht nur an potenzielle Kunden gerichtet – sie ist auch eine Herausforderung an andere Marken, ihre eigenen Grundannahmen zu überdenken. In diesem Sinne könnte Nikes neuer Slogan nicht nur ein Marketinginstrument sein, sondern ein Katalysator für einen breiteren kulturellen Wandel in der Art und Weise, wie Marken mit Menschen kommunizieren.
Die Macht der richtigen Frage: Ein neues Kapitel im Markenbuilding
Nikes Wandel ist mehr als nur ein Beispiel gelungenen Rebrands – es ist ein Lehrstück darüber, wie Marken im 21. Jahrhundert funktionieren. Die erfolgreichsten unter ihnen sind nicht mehr die, die am lautesten schreien oder die rigidesten Regeln aufstellen. Es sind die, die die richtigen Fragen stellen und dann aufmerksam zuhören.
„Why Do It?“ ist eine solche Frage – offen genug, um persönliche Interpretation zu ermöglichen, aber präzise genug, um Nachdenken anzuregen. Sie schafft einen Raum, in dem Marke und Konsument auf Augenhöhe kommunizieren können.
In diesem Sinne könnte Nikes neuer Slogan nicht nur die Sportartikelbranche, sondern das Marketing insgesamt nachhaltig verändern. Denn er zeigt: Die Zukunft gehört nicht den Marken, die Befehle erteilen, sondern denen, die zum Nachdenken anregen.
Warum das wichtig ist
Nikes Slogan-Wechsel mag auf den ersten Blick wie ein simpler Marketingtrick wirken, aber er hat tiefgreifende Implikationen für alle, die im Business erfolgreich sein wollen. Warum solltet ihr das auf dem Schirm haben?
– Kulturelle Relevanz ist die neue Währung: Nike zeigt, dass selbst die erfolgreichsten Markenelemente angepasst werden müssen, wenn sich der kulturelle Kontext ändert. Wer nicht mit der Zeit geht, wird irrelevant – egal wie groß der bisherige Erfolg war.
– Die Macht der richtigen Frage: In einer übersättigten Marketinglandschaft voller Befehle und Behauptungen kann eine gut platzierte Frage mehr Engagement erzeugen als jede noch so überzeugende Aussage. Fragen aktivieren das Gehirn auf eine Weise, wie es Aussagen nie könnten.
– Authentizität durch Verletzlichkeit: Indem Nike den allwissenden Imperativ aufgibt und stattdessen eine Frage stellt, zeigt das Unternehmen eine Form von Verletzlichkeit, die in der heutigen Zeit als authentischer wahrgenommen wird. Die Lektion: Manchmal liegt die größte Stärke darin, nicht alle Antworten zu haben.
adweek.com – Nike changes iconic „Just Do It“ slogan to win over the anxious generation
adweek.com – Nike Readies Sport Offense as Q4 Revenue Falls 12%
rap-up.com – Tyler, the Creator Voices New Nike „Why Do It?“ Campaign
merca20.com – Nike says goodbye to „Just Do It“? Why do it?: the evolution of the brand
merca20.com – Nike Announces Corporate Layoffs Under Its New CEO Elliott Hill’s Strategy
fastcompany.com – Nike has a new slogan and it’s coming for Gen Z’s cringe culture
creativereview.co.uk – Just Do It Slogan
rd.com – Here’s the Surprising Origin of Nike’s „Just Do It“ Slogan
thedrum.com – Nike’s new slogan asks: ‚Why Do It?‘
nike.com – Nike Reintroduces “Just Do It” to Today’s Generation with “Why Do It?” Campaign
soleretriever.com – Tyler, the Creator Narrates New “Why Do It?” Nike Campaign
(c) Fotos: Nike