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OpenAI-Mitgründer Karpathy rechnet mit der KI-Branche ab – kommt jetzt das große Erwachen?

Andrej Karpathy ist Co-Founder von OpenAI

Wenn ein Insider wie Andrej Karpathy, OpenAI-Mitgründer und ehemaliger Tesla-KI-Chef, die Euphorie im KI-Sektor bremst, sollten Investoren und Unternehmer genau hinhören. In einem vielbeachteten Interview mit dem Tech-Podcaster Dwarkesh Patel hat Karpathy gerade den Zeitplan für echte KI-Durchbrüche drastisch nach hinten verschoben – und damit möglicherweise den ersten Riss in die gigantische Bewertungsblase der KI-Branche geschlagen.

Karpathys Weckruf: „Die Modelle sind noch nicht bereit“

Besonders deutlich wurde Karpathy bei der Bewertung sogenannter KI-Agenten – autonomer Systeme, die selbstständig Aufgaben erledigen sollen. „Sie funktionieren einfach nicht. Sie sind nicht intelligent genug, nicht multimodal genug, können keine Endgeräte nutzen und noch viel mehr“, erklärte er unmissverständlich. Eine bemerkenswerte Aussage, wenn man bedenkt, dass gerade diese Agenten-Technologie derzeit als nächste große Wachstumswelle in der Branche gefeiert wird.

Während OpenAI-CEO Sam Altman vollmundig prognostiziert, künstliche Intelligenz werde bis 2030 jeden Menschen in jeder Spezialität übertreffen, schlägt sein früherer Mitgründer einen deutlich nüchterneren Ton an. Karpathy bezeichnet seine KI-Timeline als „fünf bis zehn Mal pessimistischer“ als die vieler Branchenkollegen. Statt vom „Jahr der Agenten“ spricht er realistischer vom „Jahrzehnt der Agenten“.

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Milliardenverluste und Billionenbewertungen – passt das zusammen?

Karpathys Dämpfer kommt zu einem brisanten Zeitpunkt. OpenAI verbrennt derzeit täglich rund 700.000 Dollar allein für den Betrieb der ChatGPT-Server. Laut Berichten von The Information könnte das Unternehmen in diesem Jahr Verluste von über fünf Milliarden Dollar einfahren – bei einem Umsatz von etwa 3,7 Milliarden. Für 2026 werden sogar rote Zahlen von bis zu 14 Milliarden Dollar prognostiziert. Erst 2029 rechnet OpenAI mit einem Gewinn, bei einem anvisierten Umsatz von 100 Milliarden Dollar.

Die chinesische Konkurrenz schlägt zu

Gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb dramatisch. Das chinesische KI-Labor DeepSeek hat mit seinen neuen Modellen DeepSeek-R1-Zero und DeepSeek-R1 für Aufsehen gesorgt. In wichtigen Benchmarks erreichen sie eine mit OpenAIs o1-Modell vergleichbare Leistung – zu einem Bruchteil der Kosten.

Im Mathematiktest Aime 2024 erzielte DeepSeek-R1 sogar bessere Werte als OpenAI (79,8% vs. 79,2%). Noch beeindruckender ist der Preisunterschied: Während OpenAI für die o1-Version 60 US-Dollar pro Million Ausgabe-Tokens verlangt, berechnet DeepSeek lediglich 2,19 US-Dollar – ein Preisunterschied von 95 Prozent.

Die Marktreaktion folgte prompt: An nur einem Tag verlor der breite Aktienmarkt eine Billion Dollar an Marktkapitalisierung. Nvidia allein büßte 500 Milliarden Dollar ein – der größte Einzelverlust einer Aktie in der Geschichte.

Ist die große KI-Blase am Platzen?

John Coogan, Host des Tech-Podcasts TBPN, bringt die aktuelle Stimmung auf den Punkt: „Die allgemeine Tech-Community erlebt gerade einen Whiplash.“ Karpathys Interview folgt nur wenige Wochen nach der Aussage des KI-Pioniers Richard Sutton, dass Large Language Models (LLMs) eine „Sackgasse“ seien.

Für Investoren stellt sich nun die entscheidende Frage: Rechtfertigen die Aussichten die astronomischen Bewertungen? Sam Altman hat für OpenAI gerade eine Finanzierungsrunde von bis zu 40 Milliarden Dollar zu einer Bewertung von 340 Milliarden Dollar eingefädelt – und das für ein Unternehmen, das frühestens in fünf Jahren profitabel sein könnte.

Die Abhängigkeit der Börse von den großen Tech-Unternehmen, die massiv in KI investieren, könnte bei einem Stimmungsumschwung zu einer breiten wirtschaftlichen Krise führen.

Der lange Weg zur echten KI-Revolution

Karpathys Zeitplan für die KI-Entwicklung mag für viele enttäuschend klingen, doch er selbst sieht es anders. Ein Jahrzehnt bis zur Entwicklung echter künstlicher allgemeiner Intelligenz (AGI) sei keine düstere Prognose, sondern eine realistische Einschätzung der technischen Herausforderungen.

Für Unternehmen bedeutet dies: KI wird die Wirtschaft verändern, aber nicht über Nacht. Der Weg zur echten KI-Revolution wird länger und steiniger sein als viele Enthusiasten glauben.

Die nüchterne Chance im KI-Hype

Während Spekulanten und Risikokapitalgeber ihre Bewertungsmodelle überdenken müssen, eröffnet die neue Nüchternheit für pragmatische Unternehmer echte Chancen. Statt auf universelle KI-Agenten zu warten, könnt ihr heute schon spezifische KI-Anwendungen mit klarem Geschäftsnutzen implementieren.

Die eigentliche Lektion aus Karpathys Weckruf: Fokussiert euch nicht auf Science-Fiction-Visionen, sondern auf praktische KI-Lösungen für konkrete Probleme. Wer mit realistischen Erwartungen an die Technologie herangeht, wird auch in den kommenden Jahren echten Mehrwert schaffen können – ganz ohne Billionenbewertungen.

About the author

Bild von Nico Wirtz

Nico Wirtz

Der gelernte TV-Journalist hat Nachrichten und Dokumentationen gemacht, ebenso wie Talk und Entertainment für ProSieben, Kabeleins und TELE5 - am Ende ist es immer die gute Geschichte, die zählt. Emotionales Storytelling zieht sich durch sein ganzes Leben - ob als Journalist, PR- und Kommunikations-Profi, der für große Marken, wie BOGNER, L'Oréal oder Panthene an Kampagnen mitgewirkt hat, oder hier bei MARES als Chefredakteur.
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