Hollywood trifft Silicon Valley in einem Deal, der die Unterhaltungslandschaft neu definiert: Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences und YouTube haben einen bahnbrechenden Vertrag unterzeichnet, der die glamouröseste Nacht Hollywoods ab 2029 komplett ins Streaming verlagert. Nach über 50 Jahren auf ABC wandert die Oscar-Verleihung zu YouTube und erreicht damit potenziell über zwei Milliarden Zuschauer weltweit – ein strategischer Schachzug, der die digitale Transformation der Medienbranche auf die Spitze treibt.
Der historische Wechsel: Von Broadcast zu Streaming
YouTube übernimmt die exklusiven globalen Übertragungsrechte für die Academy Awards ab der 101. Ausgabe im Jahr 2029. Der Vertrag läuft zunächst bis 2033 und markiert das Ende einer Ära: ABC, seit 1976 Heimat der Oscar-Verleihung, wird bis 2028 die Show ausstrahlen und damit eine beeindruckende Serie von 50 aufeinanderfolgenden Zeremonien komplettieren.
Der Deal geht weit über die reine Übertragung der Hauptveranstaltung hinaus. Als Teil der Vereinbarung bekommt YouTube auch die Rechte an der Red-Carpet-Berichterstattung, Behind-the-Scenes-Material, den Oscar-Nominierungen, den Governors Awards und zahlreichen weiteren Academy-Events – ein umfassendes Paket, das die gesamte Oscar-Saison abdeckt.
Ein finanzielles Kalkül für beide Seiten
Obwohl die finanziellen Details nicht öffentlich gemacht wurden, deuten Branchenberichte auf ein Milliardengeschäft hin. Zum Vergleich: ABC gibt derzeit etwa 120 Millionen Dollar jährlich für die Oscars aus, was Lizenzgebühren, Produktionskosten und institutionelle Unterstützung umfasst. Die Preisverleihung generierte im jüngsten Geschäftsjahr der Academy rund 150 Millionen Dollar Umsatz – der Großteil davon über den TV-Rechtedeal mit Disney.
Strategischer Vorstoß in die Premium-Live-Events
Für YouTube ist der Oscar-Deal Teil einer aggressiven Strategie, im Bereich Premium-Live-Content Fuß zu fassen. Nach der Übernahme der NFL Sunday Ticket-Rechte für geschätzte 2 Milliarden Dollar pro Jahr sichert sich die Google-Tochter nun ein weiteres prestigeträchtiges Event.
Der Streaming-Gigant dominiert bereits den US-amerikanischen Streaming-Markt – laut Nielsen entfielen im November 12,9% aller konsumierten Fernseh- und Streaming-Inhalte auf YouTube. Mit den Oscars baut die Plattform ihre Position weiter aus und unterstreicht ihren Anspruch, nicht nur nutzergenerierte Inhalte, sondern auch hochwertige Live-Events anzubieten.
Die globale Reichweite und technischen Möglichkeiten von YouTube bieten der Academy zudem neue Chancen: Mehrsprachige Untertitel und Audiospuren machen die Veranstaltung für ein internationales Publikum zugänglicher als je zuvor.
Reaktion auf sinkende TV-Quoten
Der Wechsel ins Streaming kommt nicht überraschend. Die Oscar-Einschaltquoten sind seit ihrem Höhepunkt 1998, als „Titanic“ mit 55 Millionen Zuschauern einen Rekord aufstellte, drastisch gesunken. Die jüngste Übertragung erreichte knapp 20 Millionen Zuschauer – eine Verbesserung gegenüber den Corona-Jahren, aber weit entfernt von früheren Glanzzeiten.
Die 93. Academy Awards 2021 markierten mit nur 10,4 Millionen Zuschauern sogar den historischen Tiefpunkt seit Beginn der Nielsen-Aufzeichnungen 1974. Ein klares Signal, dass das traditionelle TV-Format nicht mehr die Strahlkraft früherer Jahre besitzt.
Teil eines branchenweiten Trends
Die Oscars sind nicht allein auf dem Weg ins Streaming. Die Screen Actors Guild (SAG) Awards wechselten 2024 von TNT zu Netflix, die Academy of Country Music Awards verließen CBS 2022 für Amazon Prime Video. Doch die Oscars sind die erste der „Big Four“-Preisverleihungen (neben Emmys, Grammys und Tonys), die komplett vom klassischen Fernsehen ins Streaming wechselt – ein Meilenstein in der Medienlandschaft.
Neal Mohan, CEO von YouTube, betont die kulturelle Bedeutung: „Die Oscars sind eine unserer wesentlichen kulturellen Institutionen, die Exzellenz im Geschichtenerzählen und in der Kunstfertigkeit ehren. Die Partnerschaft wird eine neue Generation von Kreativität und Filmliebhabern inspirieren, während sie dem traditionsreichen Vermächtnis der Oscars treu bleibt.“
Der digitale Goldstandard der Zukunft
Der Deal beinhaltet auch die Digitalisierung von Teilen der Academy-Sammlung, die über 52 Millionen filmbezogene Gegenstände umfasst. Damit wird ein bedeutender Teil der Filmgeschichte einem breiteren Publikum zugänglich gemacht – ein kultureller Mehrwert, der über die reine Übertragung hinausgeht.
Die Partnerschaft zwischen der traditionsreichen Academy und dem Streaming-Pionier YouTube symbolisiert den fundamentalen Wandel in der Medienlandschaft: Nicht mehr die Reichweite eines TV-Senders entscheidet über die Zukunft von Premium-Content, sondern die globale Zugänglichkeit und technologische Innovation einer Streaming-Plattform.
hollywoodreporter.com – Oscars Bolts from ABC to YouTube Starting in 2029 (Scott Feinberg, Alex Weprin)
techcrunch.com – YouTube will stream the Oscars — exclusively — beginning in 2029
nbcnews.com – The Oscars are headed to YouTube after ABC deal ends
axios.com – Oscars heading for YouTube after more than 50 years on ABC
Photo by Monica Schipper/Getty Images