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US-Chipgiganten und die China-Connection: Wie NVIDIA, Intel und AMD trotz Sanktionen Milliarden verdienen

NVIDIA, Intel und AMD haben längst Wege gefunden, um trotz verschärfter Sanktionen ihre Milliardenumsätze im Reich der Mitte zu sichern – mit speziell entwickelten Chipvarianten, strategischen Partnerschaften und kreativen Umwegen.

Der geopolitische Schachzug der USA gegen Chinas Technologieaufstieg erscheint auf den ersten Blick konsequent: Exportkontrollen sollen verhindern, dass hochmoderne Chips den Weg nach Fernost finden. Doch hinter den Kulissen spielt sich ein faszinierendes Wirtschaftsdrama ab. NVIDIA, Intel und AMD haben längst Wege gefunden, um trotz verschärfter Sanktionen ihre Milliardenumsätze im Reich der Mitte zu sichern – mit speziell entwickelten Chipvarianten, strategischen Partnerschaften und kreativen Umwegen. Während in Washington über Technologiesicherheit debattiert wird, zeigt sich an den Börsen ein anderes Bild: Die US-Chipgiganten profitieren weiterhin massiv vom chinesischen Markt.

Die Sanktionsspirale: Wie die USA Chinas Chip-Ambitionen bremsen wollen

Seit 2022 haben die USA mehrere Runden von Exportkontrollen gegen Chinas Halbleiterindustrie verhängt. Die jüngsten Maßnahmen vom Dezember 2024 verschärften die Beschränkungen erheblich und trafen besonders den Zugang zu fortschrittlichen KI-Chips, Hochleistungs-Speicherlösungen und Halbleiterfertigungsanlagen. Auf der „Entity List“ des US-Handelsministeriums stehen mittlerweile weit über 100 chinesische Unternehmen, denen der Zugang zu amerikanischer Spitzentechnologie verwehrt werden soll.

Die offiziell kommunizierte Strategie ist klar: Washington will verhindern, dass China Zugang zu Technologien erhält, die sowohl wirtschaftlich als auch militärisch genutzt werden könnten. Besonders im Fokus stehen Chips für KI-Anwendungen, Quantencomputing und fortschrittliche Halbleiterfertigung – allesamt Schlüsseltechnologien für die digitale Zukunft und nationale Sicherheit.

Doch die Realität zeigt ein differenzierteres Bild. Während die Sanktionen in bestimmten Bereichen tatsächlich Wirkung zeigen, haben sie gleichzeitig einen Innovationsschub bei amerikanischen Chipkonzernen ausgelöst – allerdings nicht in die von Washington erhoffte Richtung. Statt den chinesischen Markt aufzugeben, entwickeln NVIDIA, Intel und AMD nun gezielt Produkte, die genau unter den Sanktionsschwellen bleiben.

NVIDIAs China-Strategie: Mit angepassten Chips weiter im Spiel

NVIDIA hat sich als wahrer Meister der Anpassung erwiesen. Trotz der verschärften Exportbeschränkungen macht das Unternehmen weiterhin beachtliche Geschäfte in China. Im dritten Quartal 2024 stammten etwa 12 Prozent des Gesamtumsatzes aus dem chinesischen Markt – ein beeindruckender Anteil angesichts der politischen Spannungen. Der Schlüssel zum Erfolg? Eine strategisch kluge Produktentwicklung, die speziell auf die Bedürfnisse des chinesischen Marktes zugeschnitten ist und gleichzeitig die US-Sanktionen einhält.

Die H20-Serie: NVIDIAs China-Joker

Mit der Entwicklung der H20-Serie hat NVIDIA einen technologischen Kunstgriff vollzogen, der sowohl Compliance-Anforderungen erfüllt als auch die Bedürfnisse chinesischer Kunden bedient. Diese Chips wurden gezielt so konzipiert, dass sie knapp unter den kritischen Leistungsschwellen bleiben, die von den US-Sanktionen definiert werden.

Die H20, L20 und L2 Chips bieten zwar weniger Rechenleistung als NVIDIAs Spitzenmodelle wie der H100, sind aber dennoch leistungsfähig genug für viele KI-Anwendungen. Für chinesische Cloud-Anbieter und Technologieunternehmen stellen sie eine willkommene Alternative dar, um ihre KI-Ambitionen voranzutreiben, ohne gegen US-Sanktionen zu verstoßen.

NVIDIA pflegt zudem weiterhin enge Partnerschaften mit chinesischen Cloud-Giganten. Diese Kooperationen ermöglichen es dem Unternehmen, seine Marktposition zu halten und gleichzeitig die Beziehungen zu wichtigen Kunden aufrechtzuerhalten.

Bemerkenswert ist auch NVIDIAs Kommunikationsstrategie: Während CEO Jensen Huang in den USA die Bedeutung von Technologiesicherheit betont, signalisiert er gleichzeitig Kooperationsbereitschaft gegenüber dem chinesischen Markt. Diese Doppelstrategie hat sich bisher als äußerst erfolgreich erwiesen.

Intel: Der stille China-Player mit langfristiger Vision

Intel verfolgt einen etwas anderen, aber nicht weniger effektiven Ansatz. Der Chipriese hat seine Präsenz in China über Jahrzehnte aufgebaut und ist nicht bereit, diesen wichtigen Markt kampflos aufzugeben. China macht etwa 25 Prozent des Gesamtumsatzes von Intel aus – ein Anteil, der für das Unternehmen existenziell wichtig ist.

Trotz der politischen Spannungen hält Intel an seinen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in China fest. Das Unternehmen hat seine Lieferketten und Produktionsstätten im Land beibehalten und passt seine Produktlinien kontinuierlich an die sich ändernden Sanktionsbestimmungen an. Diese Strategie ermöglicht es Intel, weiterhin bedeutende Umsätze in China zu erzielen, während es gleichzeitig die US-Vorschriften einhält.

AMDs clevere Umgehungsstrategien

Auch AMD hat kreative Wege gefunden, um im chinesischen Markt aktiv zu bleiben. Ähnlich wie NVIDIA entwickelt das Unternehmen spezielle Produktvarianten für chinesische Kunden, die gezielt unter den Sanktionsschwellen bleiben.

Die Entwicklung von modifizierten MI300X-Varianten für den chinesischen Markt zeigt, wie AMD technische Anpassungen vornimmt, um Exportkontrollen zu umgehen, ohne gegen sie zu verstoßen. Durch die Reduzierung bestimmter Leistungsparameter bleiben diese Chips konform mit den US-Vorschriften, bieten aber dennoch ausreichend Power für viele Anwendungsfälle.

Zusätzlich setzt AMD verstärkt auf Partnerschaften mit chinesischen Systemintegratoren. Diese Kooperationen ermöglichen es dem Unternehmen, seine Marktpräsenz zu erhalten und Zugang zu wichtigen Kunden zu behalten.

Ein weiterer strategischer Schachzug von AMD ist die Fokussierung auf Gaming- und Consumer-Märkte in China. Da diese Segmente weniger stark von den Sanktionen betroffen sind, kann AMD hier weiterhin starke Umsätze erzielen und seine Marktposition behaupten.

Die Kunst der Umgehung: Technische Schlupflöcher und kreative Lösungen

Die US-Chipgiganten haben beeindruckende Kreativität bewiesen, wenn es darum geht, trotz der Sanktionen im chinesischen Markt aktiv zu bleiben. Eine zentrale Strategie ist die technische Anpassung von Produkten, um sie genau unter die definierten Sanktionsschwellen zu bringen. Durch minimale Reduzierungen der Rechenleistung oder Modifikationen bei Speicher- und Bandbreitenspezifikationen entstehen „abgespeckte“ Versionen bestehender Produkte, die dennoch leistungsfähig genug für viele Anwendungen bleiben.

Eine weitere beliebte Methode ist das Drittländer-Routing. Verkäufe werden über Singapur, Taiwan oder andere asiatische Märkte abgewickelt, um direkte Exporte nach China zu vermeiden. Diese Praxis ist zwar legal, wird aber von Kritikern als Umgehung des eigentlichen Sanktionszwecks betrachtet.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle bestehender Lizenzvereinbarungen und Joint Ventures. Viele dieser Kooperationen wurden vor den Sanktionen etabliert und können unter bestimmten Bedingungen fortgeführt werden. Die US-Unternehmen nutzen diese bestehenden Beziehungen, um ihre Präsenz im chinesischen Markt aufrechtzuerhalten.

Die wirtschaftlichen Folgen: Verluste und Chancen im Sanktionsschatten

Die Sanktionen haben zweifellos wirtschaftliche Auswirkungen auf die US-Chipkonzerne. NVIDIA verzeichnet Umsatzverluste in Milliardenhöhe durch die China-Sanktionen. Für Intel und AMD, mit China-Anteilen von etwa 25 Prozent bzw. 15 Prozent am Gesamtumsatz, stehen ebenfalls erhebliche Summen auf dem Spiel.

Dennoch haben die Unternehmen bewiesen, dass sie in der Lage sind, sich anzupassen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Entwicklung China-spezifischer Chipvarianten hat sogar zu neuen Einnahmequellen geführt. Zudem haben die Sanktionen den Wettbewerb um andere internationale Märkte intensiviert, was zu einer geografischen Diversifizierung der Geschäftstätigkeit beiträgt.

Gleichzeitig profitieren chinesische Unternehmen wie Huawei (HiSilicon) und SMIC von den Sanktionen, indem sie in bestimmten Segmenten Marktanteile gewinnen. Dies führt zu einer komplexen Dynamik, in der US-Unternehmen einerseits Marktanteile verlieren, andererseits aber durch angepasste Produkte neue Nischen erschließen.

Politische Spannungsfelder: Zwischen Sicherheitsbedenken und Wirtschaftsinteressen

Die „Schlupflöcher“ in den Sanktionen haben in Washington für Kritik gesorgt. Mehrere Kongressabgeordnete, darunter Senator Marco Rubio und die Abgeordnete Elise Stefanik, fordern strengere Kontrollen und kritisieren die Entwicklung „China-spezifischer“ Chipvarianten. Sie sehen darin eine Untergrabung der nationalen Sicherheitsinteressen der USA.

Auf der anderen Seite steht das intensive Lobbying der Halbleiterindustrie. Die Semiconductor Industry Association (SIA) und andere Branchenverbände setzen sich für „praktikable“ Sanktionen ein, die die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Unternehmen nicht gefährden. Sie argumentieren, dass zu strikte Maßnahmen lediglich zu Marktanteilsverlusten an ausländische Konkurrenten führen würden, ohne die technologische Entwicklung Chinas wirklich zu verlangsamen.

Diese gegensätzlichen Positionen spiegeln das grundlegende Dilemma der US-China-Technologiepolitik wider: Wie lassen sich nationale Sicherheitsinteressen mit wirtschaftlichen Prioritäten in Einklang bringen? Die aktuelle Situation, in der US-Unternehmen trotz Sanktionen weiterhin erhebliche Geschäfte in China machen, zeigt die Grenzen einer rein restriktiven Politik auf.

Chinas Reaktion: Vergeltungsmaßnahmen und Eigenständigkeitsbemühungen

China hat auf die US-Sanktionen mit eigenen Exportbeschränkungen reagiert. Seit Juli 2023 gelten Exportkontrollen für kritische Mineralien wie Gallium und Germanium, die für die Chipproduktion unerlässlich sind. Im Dezember 2023 folgten Beschränkungen für Graphit-Exporte, ein wichtiger Rohstoff für Batterien in Elektrofahrzeugen. Zudem hat China Untersuchungen gegen US-Speicherhersteller eingeleitet.

Diese Gegenmaßnahmen sind Teil einer breiteren Strategie, die darauf abzielt, Chinas technologische Unabhängigkeit zu stärken. Das Land investiert massiv in seine heimische Halbleiterindustrie durch staatliche Fonds und Förderprogramme. Der 14. Fünfjahresplan der chinesischen Regierung priorisiert die Entwicklung der einheimischen Halbleiterindustrie als strategisches Ziel.

Trotz der Sanktionen hat China bemerkenswerte technologische Fortschritte erzielt. Ein Beispiel ist Huaweis Mate 60 Pro mit einem 7nm-Chip von SMIC, der trotz der Exportkontrollen entwickelt wurde. Auch bei Speichertechnologien durch YMTC und der Entwicklung eigener EDA-Software (Electronic Design Automation) zeigen sich Fortschritte.

Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass die Sanktionen zwar kurzfristig Wirkung zeigen, langfristig aber auch unbeabsichtigte Konsequenzen haben können, indem sie Chinas Bestrebungen nach technologischer Autarkie beschleunigen.

Expertenmeinungen: Wirksamkeit und Grenzen der Technologiesanktionen

Branchenexperten wie Chris Miller von der Georgetown University weisen auf die strukturellen Grenzen der aktuellen Sanktionspolitik hin. Die aktuellen Sanktionen hätten „Lücken, die es US-Unternehmen ermöglichen, weiterhin erhebliche Geschäfte mit China zu machen,“ erklärt Miller. Diese Einschätzung wird durch Analysen von Think Tanks wie dem Center for Strategic and International Studies (CSIS) bestätigt, die die gemischte Wirksamkeit von Technologie-Exportkontrollen untersuchen.

Die Experten sind sich weitgehend einig, dass die Sanktionen zwar Chinas Zugang zu Spitzentechnologien verlangsamen, aber nicht verhindern können. Zudem schaffen sie Anreize für China, eigene Technologien zu entwickeln und alternative Lieferketten aufzubauen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die globale Natur der Halbleiterindustrie. In einer so vernetzten Branche seien unilaterale Sanktionen „nur begrenzt wirksam,“ betont Paul Triolo von der Eurasia Group. Ohne internationale Koordination entstünden zwangsläufig „Lücken, die genutzt werden können.“

Diese Expertenmeinungen verdeutlichen die Komplexität der Situation und die Herausforderungen, vor denen sowohl politische Entscheidungsträger als auch Unternehmen stehen.

Zukunftsausblick: Verschärfung der Kontrollen und Anpassungsstrategien

Die Biden-Administration plant für 2025 weitere Verschärfungen der Exportkontrollen. Diese könnten bestehende Schlupflöcher schließen und den Druck auf US-Unternehmen erhöhen, ihre China-Geschäfte zu reduzieren.

In Reaktion darauf entwickeln die US-Chipkonzerne bereits langfristige Strategien zur Diversifizierung ihrer Märkte. Sie investieren verstärkt in Indien, Südostasien und andere Regionen, um ihre Abhängigkeit vom chinesischen Markt zu verringern. Gleichzeitig arbeiten sie an noch kreativeren Lösungen, um auch unter verschärften Bedingungen in China präsent zu bleiben.

Die Zukunft der US-China-Technologiebeziehungen bleibt ungewiss, doch eines ist klar: Die Verflechtung der beiden größten Volkswirtschaften der Welt ist so tief, dass selbst gezielte Sanktionen sie nicht vollständig trennen können. Stattdessen entsteht eine neue Form der selektiven Entkopplung, bei der bestimmte Hochrisikobereiche isoliert werden, während der Handel in anderen Sektoren weitergeht.

Der Balanceakt der Technologiegiganten in einer gespaltenen Welt

Die Geschichte der US-Chipgiganten und ihrer China-Connection zeigt eindrucksvoll, wie Unternehmen in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft agieren. Sie navigieren geschickt zwischen geopolitischen Spannungen und wirtschaftlichen Interessen, zwischen Compliance-Anforderungen und Marktchancen.

Diese Fähigkeit zur Anpassung ist beeindruckend, wirft aber auch wichtige Fragen auf: Wie effektiv können Technologiesanktionen sein, wenn die betroffenen Unternehmen so kreativ darin sind, sie zu umgehen? Und inwiefern untergräbt die wirtschaftliche Logik die geopolitischen Ziele?

Für global agierende Unternehmen bietet diese Situation sowohl Risiken als auch Chancen. Die erfolgreichen Strategien von NVIDIA, Intel und AMD zeigen, dass Flexibilität, technische Innovation und ein tiefes Verständnis regulatorischer Rahmenbedingungen entscheidende Wettbewerbsvorteile in einer zunehmend komplexen Weltwirtschaft sind.

Reuters – US adds dozens of Chinese entities to export restrictions list, including Inspur units

CNBC – Trump’s pivot on Nvidia chips gives China a leg up over the U.S. in AI race, analysts say

Wall Street Journal – Trump Says U.S. Will Allow Nvidia H200 Chip Sales to China, Get 25% Cut

reuters.com – Exclusive: Intel has tested chipmaking tools from firm with sanctioned China unit, sources say

reuters.com – Exclusive: Nvidia considers increasing H200 chip output due to robust China demand, sources say

About the author

Bild von Nico Wirtz

Nico Wirtz

Der gelernte TV-Journalist hat Nachrichten und Dokumentationen gemacht, ebenso wie Talk und Entertainment für ProSieben, Kabeleins und TELE5 - am Ende ist es immer die gute Geschichte, die zählt. Emotionales Storytelling zieht sich durch sein ganzes Leben - ob als Journalist, PR- und Kommunikations-Profi, der für große Marken, wie BOGNER, L'Oréal oder Panthene an Kampagnen mitgewirkt hat, oder hier bei MARES als Chefredakteur.
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