Wie ein 32-jähriger Berliner Gründer binnen 7 Jahren aus einer bescheidenen Voice-Agentur das führende AI-Unicorn Europas formte – und dabei bewies, dass Spitzentechnologie nicht nur aus dem Silicon Valley kommen muss.
Die ausführliche Parloa-Story gibt’s auch als Podcast hier.
Mit gerade einmal 32 Jahren hat Malte Kosub bereits geschafft, wovon die meisten Tech-Gründer ein Leben lang träumen: Er hat ein Unicorn aufgebaut, das die Milliarden-Dollar-Bewertung erreicht hat. Der Parloa-Gründer, der 2018 mit seinem Co-Founder Stefan Ostwald noch eine kleine Voice-Agentur namens „Future of Voice“ betrieb, revolutioniert heute mit seiner KI-Agent-Plattform die Art und Weise, wie Millionen von Menschen mit Unternehmen kommunizieren.
Kosubs Erfolgsgeschichte liefert wertvolle Strategien für Gründer, die vom lokalen Player zum globalen Marktführer aufsteigen wollen – und zeigt, wie konsequente Produktvision und kompromisslose Kundenzentrierung selbst etablierte US-Tech-Riesen herausfordern können.
Die ungewöhnlichen Anfänge: Vom Agentur-Business zur Produktvision
Die Geschichte von Parloa beginnt 2018 mit einer scheinbar simplen Geschäftsidee: Unternehmen dabei zu helfen, Voice-Technologien wie Alexa Skills und Phonebots zu entwickeln. Malte Kosub und Stefan Ostwald gründeten „Future of Voice“ als klassische Beratungsagentur – ein Business-Modell, das zwar schnell erste Umsätze generierte, aber begrenzte Skalierbarkeit bot.
„Bei Future of Voice haben wir Kunden geholfen, innovative Voice-Technologien nutzbar zu machen“, erklärt Kosub rückblickend. „2018 haben wir dann in einer internen Initiative ein eigenes Low-Code-Tool zur Entwicklung von Multi-Channel-Spracherlebnissen entwickelt – Parloa.“
Was als internes Tool begann, entwickelte sich schnell zum Hauptprodukt. Die Kunden liebten die Selbstbedienungs-Plattform mehr als die Beratungsleistungen. 2020 trafen Kosub und Ostwald die strategisch entscheidende Wahl: Sie verkauften die mittlerweile 20-köpfige Agentur, um sich vollständig auf die Skalierung von Parloa zu konzentrieren.
Diese Pivot-Entscheidung illustriert eine der wichtigsten Lektionen aus Kosubs Erfolgsweg: Der Mut, ein funktionierendes Business-Modell aufzugeben, um eine größere Vision zu verfolgen.
Die technologische Wette, die alles veränderte
2022 stand Parloa vor einer kritischen Weichenstellung. Large Language Models wie GPT waren noch zu teuer, zu langsam und zu unzuverlässig für den Produktiveinsatz. Während Konkurrenten auf bewährte Technologien setzten, wagte Kosub eine Millionen-schwere Wette auf die Zukunft.
„Wir haben vor zwei Jahren eine sehr harte Entscheidung getroffen, zu sagen, wir glauben an Large Language Models und Generative AI“, erklärt der Parloa-CEO im Unicorn Bakery Podcast. „Also bauen wir große Teile vom Scratch auf einer sehr hochskalierten Telefon-AI-Plattform auf.“
Diese technologische Vorhersage erwies sich als Goldgriff. Als ChatGPT Ende 2022 den KI-Boom auslöste, war Parloa bereits zwei Jahre in der Entwicklung seiner eigenen Generative AI-Plattform. Im September 2024 stellte das Unternehmen auf der hauseigenen „WAVE“-Konferenz in Berlin die weltweit erste AI Agent Management Platform (AMP) vor – speziell für Contact Center von Unternehmen entwickelt.
Die Parloa-Technologie unterscheidet sich fundamental von simplen Chatbots. Die KI-Agenten führen natürliche, kontextbezogene Gespräche, erkennen Emotionen und können komplexe Aufgaben wie Adressänderungen, Sendungsverfolgung oder sogar Bankdaten-Erfassung autonom übernehmen. Jeder Agent durchläuft strenge Simulationstests, Datenisolierung und kontinuierliches Monitoring, bevor er live geht.
Der Sprint zum Unicorn: Von 20 auf 300 Mitarbeiter in 4 Jahren
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Was 2020 als 20-köpfiges Team startete, ist heute ein 300-Mitarbeiter-Unternehmen mit Standorten in Berlin, München und New York. Der Umsatz vervierfachte sich allein zwischen der Series B (April 2024) und der Series C (Mai 2025).
Die Finanzierungsgeschichte von Parloa liest sich wie ein Lehrbuch für perfektes Fundraising:
- Q1 2022: Seed-Runde nach dem ersten großen Deal
- Q1 2023: Series A mit „preempted“ Termsheet nach nur 4 Tagen
- Q1 2024: Series B über 66 Millionen Dollar, angeführt von Altimeter Capital
- Mai 2025: Series C über 120 Millionen Dollar, Unicorn-Status erreicht
„Wir haben das bis jetzt immer so gemacht, dass wir im November, Dezember angefangen haben, erste Coffee Talks zu führen“, verrät Kosub seine Fundraising-Strategie. „Das erste halbe Jahr. Relativ kurz und knackig, damit die aber wissen, okay, im Januar passiert was.“
Besonders bemerkenswert: Sowohl die Series A als auch die Series B wurden „preempted“ – das bedeutet, Investoren legten Termsheets vor, bevor der offizielle Fundraising-Prozess überhaupt begann. Diese Effizienz resultiert aus Kosubs systematischem Ansatz mit einem „Ideal Investor Profile“ – ähnlich dem Ideal Customer Profile im Sales.
Die US-Expansion: „Gold bei Olympia gewinnen“
Früh erkannte Kosub, dass Europa allein nicht reichen würde. „Wir glauben, dass die USA der Markt ist, den man gewinnen muss, um Gold bei Olympia zu gewinnen“, erklärt er seine Internationalisierungsstrategie.
September 2023 markierte den Startschuss für die US-Expansion. Als erste Einstellung holte Parloa Dan an Bord – einen Amerikaner, der paradoxerweise nur für deutsche Softwareunternehmen gearbeitet hatte und das Playbook für deutsche Tech-Companies in den USA bereits bei SAP und anderen perfektioniert hatte.
Heute verbringt Kosub 60-65% seiner Zeit in New York, um die mittlerweile 30-köpfige US-Organisation aufzubauen. „Am Anfang gibt es so viele Dinge, die nicht definiert sind, wo man einfach Entscheidungen treffen muss“, erklärt er die Notwendigkeit seiner physischen Präsenz.
Die geografische Arbitrage zahlt sich aus: Während Product und Engineering von Berlin aus kostengünstiger entwickelt werden können, adressiert der US-Vertrieb den größten und kaufkräftigsten Markt. Zu den Referenzkunden gehören bereits mehrere Fortune-200-Konzerne sowie bekannte Namen wie Decathlon, Rossmann und das Deutsche Rote Kreuz.
Die Skalierungsherausforderung: Von 10 auf 300 Mitarbeiter
Der Sprung von einem 10-köpfigen Startup zu einer 300-Mitarbeiter-Organisation stellte Kosub vor völlig neue Führungsherausforderungen. „Alle drei Monate musst du, wie oft ich meine Kalenderart und Weise, wie ich meinen Kalenderaufbau verändert habe, wie ich meine One-on-Ones verändert habe“, beschreibt er den permanenten Anpassungsprozess.
Die Lösung: Ein professionelles Support-System. Heute arbeitet Kosub eng mit Marco zusammen, seinem Chief of Staff, sowie einer Executive Assistant und seinem langjährigen Freund Axel für kreative und Branding-Themen.
„Marco und ich setzen uns jeden Tag hin. Jeden Tag eine halbe Stunde Meeting“, erklärt Kosub die intensive Zusammenarbeit. „Marco kennt alle E-Mails, hat Zugriff auf alle E-Mails. Im Grunde hat er den gleichen Kontext, den ich auch habe.“
Die vier Säulen der Organisationsskalierung nach Kosub:
- Klare Kulturkommunikation: Werte so definieren, dass sie anziehen UND abschrecken
- Vision und Strategie: Sehr klar und concise aufschreiben und wiederholt kommunizieren
- Prozesse: Der schmale Grad zwischen nötiger Struktur und lähmender Bürokratie
- Erwartungshaltung: Messerscharfe Kommunikation von Rollen und Verantwortlichkeiten
Die Technologie, die Branchen transformiert
Parloas KI-Agenten adressieren ein Milliardenmarkt-Problem: Laut Gartner werden AI-Agenten bis 2029 voraussichtlich 80% der gängigen Kundendienstprobleme ohne menschliche Intervention lösen. Gleichzeitig sind die Unternehmensausgaben für generative KI-Anwendungen 2024 um das Achtfache gestiegen, wobei 31% davon auf Kundensupport entfallen.
Die Parloa-Vision geht weit über klassischen Kundenservice hinaus. „Wenn ein Unternehmen 30 Millionen Kunden hat, wird es auch 30 Millionen persönliche KI-Agenten geben“, erklärt Kosub. „Jeder Kunde bekommt eine maßgeschneiderte, sofort verfügbare Hilfe – in natürlicher Sprache, mit Gedächtnis für frühere Anliegen und der Fähigkeit, echte Gespräche zu führen.“
Die praktischen Anwendungen sind bereits heute beeindruckend:
- Natürliche Telefongespräche für Terminbuchungen und Statusabfragen
- Automatisierte Bearbeitung von Adressänderungen und Lieferanfragen
- Intelligente Weiterleitung nur bei wirklich komplexen Anliegen
- Personalisierte Kundenbetreuung basierend auf Gesprächshistorie
Lessons Learned: Die Kosub-Strategien für Unicorn-Gründer
1. Früh die großen Märkte adressieren „Ich würde so früh wie möglich in die USA gehen“, rät Kosub. Der Schlüssel: Geografische Arbitrage nutzen – Development in Europa, Sales in den USA.
2. Technologische Wetten eingehen Die mutige Entscheidung für Generative AI zwei Jahre vor dem Mainstream-Hype war spielentscheidend. „Es war vor zwei Jahren eine Wette. Da waren Large Language Models viel zu teuer, viel zu schlecht, viel zu langsam.“
3. Systematisches Fundraising
Das „Ideal Investor Profile“ und die „preempted“ Strategie zeigen: Fundraising ist ein Verkaufsprozess, der genauso systematisch optimiert werden kann wie Customer Acquisition.
4. Product-Market-Fit vor Skalierung „Wir waren auf einem sehr guten Weg“, beschreibt Kosub den PMF-Status vor der US-Expansion bescheiden. Die Grundregel: Erst verstehen, was Kunden wirklich bezahlen, dann skalieren.
5. Support-System für Führung aufbauen „Marco kennt alle E-Mails, hat Zugriff auf alle E-Mails. Im Grunde hat er den gleichen Kontext, den ich auch habe.“ Ein Chief of Staff wird essentiell ab 100+ Mitarbeitern.
Die nächste Entwicklungsstufe: Dominanz durch Fokus
Trotz des Unicorn-Status sieht Kosub Parloa erst am Anfang. Das Unternehmen plant massive Investments in die Weiterentwicklung der AI Agent Management Platform und die Rekrutierung internationaler Top-Talente.
„Die Art und Weise, wie Menschen mit Unternehmen interagieren, verändert sich gerade fundamental“, erklärt der CEO die langfristige Vision. „Wir bei Parloa stehen an der Spitze dieses Wandels und helfen großen Unternehmen, ihren Kundenservice mit AI zu transformieren.“
Die Investoren zeigen sich begeistert von der Parloa-Strategie. „AI verändert die Art, wie Unternehmen mit ihren Kunden kommunizieren, und Parloa steht an der Spitze dieses Wandels“, kommentiert Apoorv Agrawal von Altimeter Capital. „Sie machen den Kundenservice nicht bloß effizienter – sie heben das gesamte Kundenerlebnis auf ein neues Level.“
Fazit: Der Beweis für europäische Tech-Exzellenz
Malte Kosubs Erfolg mit Parloa beweist eindrucksvoll, dass Spitzentechnologie nicht nur aus dem kalifornischen Silicon Valley kommen muss. In nur 7 Jahren schaffte der Berliner Gründer den Sprung von der lokalen Voice-Agentur zum globalen KI-Marktführer – eine Transformation, die wertvolle Lektionen für die gesamte europäische Startup-Szene liefert.
Die wichtigsten Takeaways aus der Erfolgs-Story:
- Priorisiert technologische Wetten: Setzt auf Zukunftstechnologien, bevor sie Mainstream werden
- Kultiviert systematisches Fundraising: Behandelt Investoren-Akquise genauso strategisch wie Customer Acquisition
- Baut früh internationale Präsenz auf: Nutzt geografische Arbitrage zwischen Development- und Sales-Standorten
- Investiert in Führungs-Infrastructure: Support-Systeme werden ab 100+ Mitarbeitern business-critical
- Fokussiert auf transformative Lösungen: Inkrementelle Verbesserungen schaffen keine Unicorns
Kosubs Geschichte zeigt: Wer konsequent eine nutzerzentrierte Vision verfolgt, mutige technologische Entscheidungen trifft und systematisch skaliert, kann selbst in etablierten Märkten neue Kategorien schaffen.
Parloa ist mehr als nur ein weiteres KI-Startup – es ist der Beweis dafür, dass europäische Gründer die Tools und das Talent haben, um globale Tech-Riesen herauszufordern. Und Malte Kosubs Reise ist noch lange nicht zu Ende.
https://www.deutsche-startups.de/2025/05/12/unicorn-parloa/
https://www.parloa.com/de/presse/parloa-sichert-sich-120-millionen-us-dollar-in-series-c/
https://www.unicornbakery.de/der-weg-zur-milliarden-bewertung-insights-von-malte-kosub-parloa/
https://www.businessinsider.de/gruenderszene/business/berliner-ki-startup-parloa-ist-das-zweite-deutsche-unicorn-2025/
https://www.starting-up.de/news/news-investments/parloa-berliner-ai-unternehmen-erreicht-unicorn-status.html
https://www.trendingtopics.eu/parloa-das-naechste-ai-unicorn-holt-120-millionen-dollar/
https://open.spotify.com/episode/6Fkni5wQtQ8hq7pBoDhn9v
https://www.unicornbakery.de/preempted-before-launch-wie-parloa-investoren-uberzeugt-und-die-series-b-dominiert-hat/
(c) Foto: Parloa