[ccpw id="4879"]

Wie Mytheresa mit digitalem Curated-Luxury den Personal-Shopper zur Wachstumslokomotive macht

1987 als klassische Luxusboutique gegründet, wagte Mytheresa 2006 den Sprung ins Online-Geschäft. Was damals noch als riskantes Experiment galt (Luxus im Internet? Undenkbar!), entwickelte sich zum Glücksgriff. Während die Konkurrenz versuchte, möglichst viele Marken und Produkte anzubieten, ging Mytheresa den entgegengesetzten Weg: strenge Kuration statt endloser Kataloge.

Kennt ihr diese frustrierenden Momente im Luxus-Online-Shopping? Endlose Produktseiten, 50 fast identische schwarze Blazer, und die einzige „Hilfe“ ist ein Chat-Bot, der euch fragt, ob ihr die Größentabelle gefunden habt. Während der stationäre Luxushandel mit Champagner und persönlicher Betreuung lockt, fühlt sich der E-Commerce oft an wie ein glorifizierter Katalog mit Bezahlfunktion. Genau dieses Problem hat Mytheresa erkannt – und mit einem radikal anderen Ansatz gelöst, der gerade den Luxus-E-Commerce auf den Kopf stellt.

Vom Münchner Boutique-Händler zum Milliarden-Player: Mytheresas erstaunlicher Aufstieg

Die Geschichte beginnt unspektakulär: 1987 als klassische Luxusboutique gegründet, wagte Mytheresa 2006 den Sprung ins Online-Geschäft. Was damals noch als riskantes Experiment galt (Luxus im Internet? Undenkbar!), entwickelte sich zum Glücksgriff. Während die Konkurrenz versuchte, möglichst viele Marken und Produkte anzubieten, ging Mytheresa den entgegengesetzten Weg: strenge Kuration statt endloser Kataloge.

Der Beweis, dass dieser Ansatz funktioniert, liegt in den beeindruckenden Zahlen. Von bescheidenen $130 Millionen Umsatz im Jahr 2014 ist Mytheresa auf $913,6 Millionen im Geschäftsjahr 2024 gewachsen – und kratzt zielstrebig an der Milliarden-Marke. Während andere Luxus-Online-Händler wie Farfetch und Matches Fashion spektakulär gescheitert sind (einer notverkauft, der andere insolvent), hat Mytheresa das Kunststück vollbracht, in einem brutalen Marktumfeld kontinuierlich zu wachsen.

Noch beeindruckender: Das Unternehmen schafft dieses Wachstum mit nur 250 sorgfältig ausgewählten Marken – im Vergleich zu Farfetch, das mit einem Portfolio von über 2.000 Marken operierte und trotzdem (oder gerade deshalb?) scheiterte. Weniger ist offenbar manchmal deutlich mehr.

Das Luxus-Dilemma: Warum der klassische Personal-Shopper-Ansatz nicht skaliert

Luxus war schon immer ein Geschäft der persönlichen Beziehungen. Der klassische Personal Shopper kennt die Vorlieben seiner Kunden, ihre Garderobenschränke und manchmal sogar ihre Beziehungsprobleme. Eine ehemalige Luxus-Beraterin erzählte mir kürzlich, wie sie einmal in die Schweiz flog – nur um ein bestimmtes T-Shirt für einen VIP-Kunden zu besorgen. Ein anderes Mal schickte sie einen Praktikanten mitten in der Nacht zu einem DHL-Depot, um eine dringende Bestellung abzuholen.

Die Erwartungsspirale dreht sich immer schneller

„Sie wollen Same-Day-Delivery, handkuratierte Edits und WhatsApp-Zugang zu allen Stunden,“ erklärt eine Brancheninsiderin. „Und sie erwarten diese Eins-zu-Eins-Aufmerksamkeit inzwischen als Standard.“ Was früher als außergewöhnlicher Service galt, ist heute die Baseline – und das stellt Luxusanbieter vor ein massives Problem.

Denn dieser Service ist in der klassischen Form schlicht nicht skalierbar. Die Margen für Personal Shopping liegen bei mageren 5-10 Prozent. Gleichzeitig werden die Ansprüche der Kunden immer extravaganter. Die Matches Fashion Private-Shopping-Abteilung generierte über 50 Prozent des Gesamtumsatzes – und konnte das Unternehmen trotzdem nicht vor der Insolvenz retten. Das Problem: Zu viel menschlicher Aufwand, zu geringe Automatisierung, zu wenig Technologie.

Hier kommt Mytheresas brillante Lösung ins Spiel: Warum nicht die Essenz des Personal Shoppings – die kuratierte Auswahl und persönliche Betreuung – mit digitalen Mitteln skalieren?

Die Mytheresa-Formel: Weniger ist mehr (Umsatz)

„Niemand hat viel Zeit. Sie wollen nicht 400 Optionen, wenn sie nach einem weißen Button-Down-Shirt suchen. Sie wollen nur die besten 10 oder 20 Artikel sehen, damit sie mit ihrem Leben weitermachen können,“ erklärt Mytheresa seine Philosophie. Dieser Ansatz klingt zunächst kontraintuitiv in einer E-Commerce-Welt, die auf endlose Auswahl setzt. Doch für die zeitarme, aber kaufkräftige Zielgruppe – 80 Prozent sind berufstätige Frauen mit Luxusaffinität – ist genau diese Vorselektion gold wert.

Mytheresa-CEO Michael Kliger bringt es auf den Punkt: „Wenn du nicht diszipliniert bist, erschaffst du langsam diese Art von Mittelweg – nicht wirklich kuratiert, nicht wirklich Marktplatz. Der Mittelweg ist niemals der Ort, an dem man sein sollte, wenn man wirklich Luxus sein will.“

Die 40-Prozent-Strategie: Warum Top-Kunden alles entscheiden

Bemerkenswert ist Mytheresas radikaler Fokus auf seine besten Kunden. Die Top 3 Prozent der Kunden generieren 26 Prozent der Verkäufe, und die Top-Spender machen insgesamt fast 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Der durchschnittliche Bestellwert hat erstmals die $700-Marke überschritten.

Anstatt nun zu versuchen, mit teuren Marketing-Kampagnen neue Kunden zu gewinnen, investiert Mytheresa gezielt in den Ausbau seines Personal-Shopper-Teams. Unter der Leitung der neu eingestellten Chief Customer Experience Officer Amber Pepper (vormals Tapestry und Farfetch) wird das Unternehmen seine Personal-Shopping-Kapazitäten in den USA, Europa und China ausbauen.

Gleichzeitig setzt Mytheresa auf exklusive Networking-Events, die Top-Kunden aus Kunst, Business und Entertainment zusammenbringen – eine clevere Strategie, die Community-Building mit Umsatzsteigerung verbindet. Die Message ist klar: Wir konzentrieren uns auf diejenigen, die unseren Service wirklich zu schätzen wissen – und die bereit sind, dafür zu zahlen.

Technologie als Schlüssel zur Skalierung des Personal-Shopping-Erlebnisses

Hier wird es richtig spannend: Mytheresa hat verstanden, dass die Zukunft des Luxus-E-Commerce in der intelligenten Verbindung von menschlicher Expertise und Technologie liegt. Während andere Anbieter entweder auf reine Technologielösungen oder auf traditionelles Personal Shopping setzen, kombiniert Mytheresa beides auf einzigartige Weise.

Das Unternehmen hat massiv in seine Tech-Infrastruktur investiert und nutzt fortschrittliche Personalisierungstechnologien von Kibo Unified Commerce. Die Ergebnisse sprechen für sich: verbesserte Add-to-Cart- und Conversion-Raten, reduzierte mobile Bounce-Raten und mehr Newsletter-Anmeldungen, besonders im wichtigen chinesischen Markt.

Apple Vision Pro: Wenn der Personal Shopper virtuell wird

Als einer der ersten Luxus-E-Commerce-Anbieter hat Mytheresa ein immersives Shopping-Erlebnis für Apple Vision Pro entwickelt. Stellt euch vor: Ihr werdet virtuell nach Capri oder Paris transportiert und könnt dort mit einem Mytheresa Personal Shopper die perfekte Garderobe zusammenstellen – alles in hyperrealistischen, animierten Umgebungen.

„Mytheresa glaubt fest daran, dass der Verkauf von Luxusprodukten Emotionen und einzigartige Erfahrungen für Kunden braucht,“ erklärt CEO Michael Kliger. „Deshalb sind wir berühmt geworden für die Schaffung echter unbezahlbarer physischer Erfahrungen für unsere besten Kunden.“ Mit der Vision Pro-App überträgt Mytheresa dieses Prinzip in die digitale Welt.

Was auf den ersten Blick wie ein Marketing-Gimmick wirken könnte, ist in Wirklichkeit ein kluger Schachzug: Mytheresa positioniert sich damit als Innovationsführer und schafft ein differenzierendes Merkmal in einem zunehmend austauschbaren Markt.

Warum Mytheresa überlebt, während andere untergehen

Der Luxus-E-Commerce hat in den letzten Jahren eine brutale Marktbereinigung erlebt. Farfetch, einst mit einer Bewertung von über 20 Milliarden Dollar gefeiert, wurde für einen Bruchteil davon an den koreanischen E-Commerce-Riesen Coupang verkauft. Matches Fashion landete in der Insolvenz. Net-a-Porter und Mr Porter kämpfen mit Backend-Problemen und veralteter Technologie.

In diesem Haifischbecken hat Mytheresa nicht nur überlebt, sondern floriert. Im Quartal zum 31. Dezember 2023 stieg der Nettoumsatz um 5 Prozent auf €385 Millionen – in einem Marktumfeld, das von Rückgängen geprägt war.

Die Branche hat Mytheresas Erfolg längst bemerkt. „Ich denke, MyTheresa ist großartig im Kundenservice,“ lobt Alli Sims Peter, Mitgründerin des Discount-Designer-Outlets Bessette und ehemalige Private Shopperin bei Matches und Threads. „Sie machen erstaunliche Events, die definitiv diesen Top-Kunden anziehen, und ihr Private-Shopping-Programm ist wirklich gut aufgestellt.“

Die YNAP-Übernahme: Vom Boutique-Player zum Luxus-Giganten

Mytheresa hat große Pläne. CEO Michael Kliger hat kürzlich sein Interesse an einer Übernahme der Yoox Net-a-Porter Group (YNAP) bekundet – ein ambitioniertes Vorhaben, das einen 4-Milliarden-Euro-Online-Giganten im Luxusmode-Bereich schaffen würde.

„Net-a-porter, Mr Porter und Yoox sind Pioniere in der Branche,“ erklärt Kliger. „Aber sie haben Backend-Probleme und sie haben Technologieprobleme, und wir glauben, wir haben eine starke Antwort darauf.“ Mit anderen Worten: Mytheresa ist überzeugt, dass es seine erfolgreiche Curated-Luxury-Strategie und technologische Expertise auf die traditionsreichen, aber technisch rückständigen YNAP-Plattformen übertragen kann.

Für das kommende Geschäftsjahr prognostiziert Mytheresa ein Wachstum von bis zu 13 Prozent – ein weiteres Zeichen dafür, dass das Unternehmen seinen Erfolgskurs fortsetzt, während andere straucheln.

Die große Chance: Was ihr von Mytheresas Erfolgsrezept lernen könnt

Mytheresas Erfolgsgeschichte ist mehr als nur ein interessanter Business-Case. Sie enthält wertvolle Lektionen für jeden, der im Premium- oder Luxussegment tätig ist – online oder offline.

Die erste und vielleicht wichtigste Erkenntnis: In einer Welt der Überauswahl und Informationsüberflutung wird Kuration zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Weniger, aber dafür relevantere Optionen anzubieten, kann paradoxerweise zu mehr Umsatz führen.

Zweitens zeigt Mytheresa, dass die Kombination aus menschlicher Expertise und Technologie der Schlüssel zur Skalierung von Premium-Services ist. Der persönliche Kontakt bleibt wichtig, wird aber durch digitale Tools ergänzt und verstärkt.

Drittens beweist das Unternehmen, dass eine konsequente Fokussierung auf die besten Kunden langfristig erfolgreicher ist als der Versuch, allen alles zu bieten. Die 80/20-Regel (oder in diesem Fall eher die 60/40-Regel) gilt nach wie vor – und wird durch digitale Analyse- und Personalisierungstools sogar noch wirksamer.

Warum ist das wichtig?

– **Kundenerfahrung schlägt Sortimentsbreite**: In gesättigten Märkten gewinnen nicht mehr diejenigen, die die größte Auswahl bieten, sondern die, die die relevanteste Auswahl präsentieren und das beste Einkaufserlebnis schaffen.

– **Technologie wird zum Multiplikator für menschliche Expertise**: Die Zukunft gehört nicht entweder den Menschen oder den Algorithmen, sondern denjenigen, die beides intelligent kombinieren können.

– **Fokussierung auf High-Value-Kunden zahlt sich aus**: In einer Zeit steigender Kundenakquisekosten ist es oft profitabler, bestehende Premium-Kunden besser zu betreuen, als ständig neue zu gewinnen.

Mytheresa hat das Personal-Shopper-Problem gelöst, indem es das Beste aus beiden Welten verbindet: die Exklusivität und persönliche Betreuung des traditionellen Luxushandels mit der Skalierbarkeit und Effizienz des E-Commerce. In einer Branche, die von Disruption und Unsicherheit geprägt ist, könnte dieses Modell der Weg in die Zukunft sein – nicht nur für Luxusanbieter, sondern für alle, die im Premium-Segment erfolgreich sein wollen.

voguebusiness.com – Mytheresa: Online luxury’s last man standing

glossy.co – Personal shoppers on the frontlines of luxury’s service gap

businessoffashion.com – Can Mytheresa Keep Its Place at the Top of Luxury E-Commerce in 2025?

unitymarketingonline.com – How Mytheresa Unlocked The Luxury Marketplace Business Model

mytheresa.com – About Us – Everything You Need to Know

wwd.com – Mytheresa Emerges as the Hero in the 2024 Drama of Luxury E-commerce

prweb.com – Mytheresa Launches an Immersive Shopping Experience for Apple Vision Pro

(c) Foto: Mytheresa

Share this article:

Related Articles