Ich bin gerade aus einer Redaktionssitzung gekommen, in der ein Kollege einen bemerkenswerten Satz fallen ließ: „Wer die Milliardäre versteht, versteht die Zukunft.“ Während alle nickten, dachte ich mir: Stimmt das wirklich? Im Falle von Peter Thiel trifft es jedenfalls zu. Der PayPal-Gründer und Silicon-Valley-Investor, dessen Netzwerk und Schützling J.D. Vance jetzt Vizepräsident wird, hat sich 2024 aus der direkten Finanzierung im Wahlkampf zurückgezogen – und das ist kein zufälliges Engagement eines gelangweilten Milliardärs. Es ist Teil eines systematischen Plans, der weit über die nächste Wahl hinausreicht und tiefgreifende Auswirkungen auf die Tech-Branche, die Wirtschaft und letztlich unser aller Leben haben könnte.
Der Milliardär mit der Midas-Berührung – Thiels Weg vom PayPal-Gründer zum Kingmaker
Peter Thiel ist kein gewöhnlicher Tech-Investor. Geboren 1967 in Frankfurt am Main und später in den USA eingebürgert, hat er eine Karriere hingelegt, die selbst in Silicon Valley Ehrfurcht einflößt. Nach seinem Abschluss an der Stanford University gründete er 1998 Confinity, das später mit Elon Musks X.com fusionierte und zu PayPal wurde. Der Verkauf an eBay 2002 für 1,5 Milliarden Dollar war nur der Anfang seiner beeindruckenden Investorenkarriere.
Was Thiel von anderen Milliardären unterscheidet, ist sein unheimliches Gespür für Gewinner. Als erster externer Investor steckte er 500.000 Dollar in Facebook – eine Beteiligung, die später Milliarden wert war. Thiel investierte 500.000 Dollar im August 2004 für einen 10,2% Anteil an Facebook. Er verkaufte den Großteil seiner Facebook-Anteile bereits 2012 nach dem IPO für etwa 400 Millionen Dollar – ein vorzeitiger Ausstieg, der ihn heute etwa 15 Milliarden Dollar kosten könnte. Dazu kommen frühe Investments in LinkedIn, Airbnb und dutzende andere Tech-Unternehmen. Nicht zu vergessen: Palantir Technologies, sein 2003 gegründetes Datenanalyse-Unternehmen, das heute eng mit Geheimdiensten und Regierungsbehörden zusammenarbeitet.
Der Mann hat offensichtlich ein Talent dafür, Geld zu vermehren. Aber das ist nicht sein einziges Talent – und vielleicht nicht einmal sein wichtigstes.
Die „PayPal-Mafia“ und das Silicon-Valley-Netzwerk, das Amerika prägt
Wenn ihr glaubt, die Macht der Tech-Milliardäre beschränke sich auf ihre Unternehmen, dann unterschätzt ihr die Vernetzung dieser Elite gewaltig. Aus der Gruppe der frühen PayPal-Mitarbeiter – der sogenannten „PayPal-Mafia“ – sind einige der einflussreichsten Tech-Unternehmer hervorgegangen: Elon Musk (Tesla, SpaceX), Reid Hoffman (LinkedIn), Steve Chen und Chad Hurley (YouTube) und viele andere. Dieses Netzwerk kontrolliert heute einen beträchtlichen Teil der amerikanischen Wirtschaft und übt erheblichen Einfluss auf die Politik aus. Im Zentrum dieses Netzwerks: Peter Thiel, der seine Verbindungen systematisch nutzt, um seinen politischen Einfluss zu maximieren.
Vom Libertären zum Trump-Unterstützer – Thiels politische Wandlung
Thiel beschreibt sich selbst als konservativen Libertären. Früher unterstützte er Ron Paul und andere libertäre Kandidaten, die für minimale Staatseinmischung eintraten. Doch 2016 vollzog er eine überraschende Wende, als er Donald Trump öffentlich unterstützte.
Bei der Republican National Convention 2016 hielt er eine vielbeachtete Rede für Trump und spendete 1,25 Millionen Dollar für dessen Kampagne. Eine Summe, die angesichts seines Vermögens fast lächerlich klein erscheint – aber es war das Signal, das zählte: Ein prominenter Silicon-Valley-Insider stellte sich hinter Trump, während der Rest der Tech-Elite kollektiv die Nase rümpfte.
Nach Trumps Wahlsieg 2016 wurde Thiel Teil des Übergangsteams und beriet den neuen Präsidenten in Technologiefragen. Doch die Flitterwochen währten nicht lange. Bis 2020 hatte sich Thiel weitgehend von Trump distanziert und spendete nicht für dessen Wiederwahlkampagne. Die Gründe dafür blieben unklar – möglicherweise war er unzufrieden mit Trumps tatsächlicher Politik oder der chaotischen Regierungsführung. Thiel hat laut The Atlantic 2023 das Interesse an der Demokratie verloren und kritisierte, dass die erste Trump-Administration sogar seine niedrigen Erwartungen nicht erfüllt habe. Obwohl er sagte, er würde für Trump stimmen, weigerte er sich zu spenden.
Das große Comeback – Wie Thiel 2024 wieder ins politische Spiel einsteigt
Nach Jahren der Millionenspenden hat sich Thiel 2024 aus der direkten Finanzierung zurückgezogen. Statt direkt auf die Präsidentschaftskandidaten zu setzen, fördert er gezielt Kandidaten für den Senat und das Repräsentantenhaus, die seine Weltanschauung teilen.
Besonders bemerkenswert ist seine Unterstützung für Blake Masters in Arizona und J.D. Vance in Ohio – beide ehemalige Geschäftspartner von Thiel, beide mit ähnlichen politischen Ansichten, beide jung und charismatisch. Für Blake Masters‘ Senatswahlkampf spendete Thiel insgesamt etwa 15-20 Millionen Dollar – 13,5 Millionen für die Vorwahlen und weitere Millionen für die Hauptwahl. Für J.D. Vances Senatswahlkampf spendete Thiel 15 Millionen Dollar – ein Rekordwert für Einzelspenden an Senatskandidaten.
Die Strategie dahinter ist klar: Thiel baut sich sein eigenes politisches Netzwerk auf, ähnlich wie er zuvor sein Geschäftsnetzwerk aufgebaut hat. Menschen, die ihm nahestehen, die seine Weltanschauung teilen und die ihm – im Falle eines Wahlsiegs – zu politischem Einfluss verhelfen könnten.
Thiels politisches Weltbild – Zwischen Freiheit und Kontrolle
Um Thiels politische Ambitionen zu verstehen, muss man sein Weltbild kennen. Und das ist komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. In seinem Buch „Zero to One“ und in zahlreichen Interviews hat er Einblicke gegeben, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen mögen.
Einerseits vertritt Thiel libertäre Positionen: Er ist skeptisch gegenüber staatlicher Regulierung, befürwortet freie Märkte und individuelle Freiheiten. Andererseits hat er wiederholt die Kompatibilität von Freiheit und Demokratie in Frage gestellt und Interesse an alternativen Regierungsformen gezeigt, etwa durch seine Unterstützung für „Seasteading“ – schwimmende Städte auf hoher See, die eigene Regeln und Gesetze haben könnten.
Besonders bemerkenswert ist Thiels Kritik an China und Technologieunternehmen, die mit China zusammenarbeiten. Er bezeichnete Google wegen seiner China-Verbindungen als „scheinbar verräterisch“ – eine Aussage, die seine nationalistischen Tendenzen offenbart. Gleichzeitig ist er ein scharfer Kritiker des „globalistischen“ Establishments und multinationaler Governance-Strukturen.
Die Thiel-Methode – Geld, Medien und Macht
Thiels Einflussnahme beschränkt sich nicht auf direkte politische Spenden. Er nutzt ein breites Spektrum an Instrumenten, um seine Agenda voranzutreiben. Dazu gehören seine Venture-Capital-Fonds wie Founders Fund, Clarium Capital und Mithril Capital, die gezielt in Unternehmen investieren, die seine Vision einer technologiegetriebenen Zukunft teilen.
Ein besonders interessantes Beispiel für Thiels indirekten Einfluss ist sein Engagement im Rechtsstreit zwischen Hulk Hogan und dem Medienunternehmen Gawker. Thiel finanzierte heimlich Hogans Klage gegen Gawker, nachdem das Portal Jahre zuvor über Thiels Sexualität berichtet hatte. Der Rechtsstreit endete mit dem Bankrott von Gawker – ein Beispiel dafür, wie Milliardäre ihre finanziellen Ressourcen nutzen können, um unliebsame Medien zum Schweigen zu bringen.
Thiel versteht auch die Macht der kulturellen Einflussnahme. Er wird regelmäßig in Filmen und Fernsehserien porträtiert, etwa in „The Social Network“ oder als Inspiration für eine Figur in HBOs „Silicon Valley“. Durch Interviews, Kommentare und öffentliche Auftritte auf CNBC, PBS und in Publikationen wie dem Wall Street Journal prägt er aktiv den öffentlichen Diskurs mit.
Die globale Dimension – Thiels internationale Ambitionen
Thiels Einfluss reicht weit über die USA hinaus. 2011 erhielt er unter außergewöhnlichen Umständen die neuseeländische Staatsbürgerschaft, obwohl er die üblichen Aufenthaltsanforderungen nicht erfüllte. Diese „Passport-Shopping“-Strategie löste Debatten über Staatsbürgerschaft und Privilegien für Superreiche aus.
Seine internationalen Investitionen umfassen europäische Fintech- und Biotech-Unternehmen, verteidigungsbezogene Startups und sogar Initiativen in Honduras wie das Próspera-Projekt, ein Experiment mit alternativen Regierungsformen. Auch in globale Satellitennetzwerke, die mit Elon Musks Starlink konkurrieren sollen, hat Thiel investiert.
Diese internationale Ausrichtung zeigt: Thiel denkt in globalen Dimensionen und ist bereit, sein Kapital und seinen Einfluss weltweit einzusetzen, um seine Vision zu verwirklichen.
Die Thiel-Stiftung – Philanthropie mit Agenda
Wie viele Milliardäre betreibt auch Thiel Philanthropie – allerdings mit einer klaren ideologischen Ausrichtung. Seine Thiel Foundation fördert junge Menschen, die aufs College verzichten und stattdessen Startups gründen (Thiel Fellowship), und unterstützt radikale wissenschaftliche und technologische Forschung (Breakout Labs).
Besonders interessant sind Thiels Investitionen in KI-Forschung (Machine Intelligence Research Institute, OpenAI), Anti-Aging-Forschung (durch Spenden für den Methuselah Mouse Prize und Unterstützung für Aubrey de Grey) und alternative Regierungsformen (Seasteading). Diese Förderungen spiegeln Thiels langfristige Vision wider: eine Welt, in der Technologie die grundlegenden Beschränkungen des menschlichen Lebens überwindet und neue gesellschaftliche Strukturen ermöglicht.
Die Philanthropie ist dabei nicht nur Ausdruck persönlicher Überzeugungen, sondern auch ein strategisches Instrument: Sie verschafft Thiel Zugang zu Netzwerken, Einfluss auf wichtige Forschungsrichtungen und ein positives öffentliches Image.
Der Kampf um die Zukunft – Warum Thiels Engagement mehr ist als nur Politik
Was auf den ersten Blick wie normales politisches Engagement eines reichen Mannes aussehen mag, ist in Wirklichkeit Teil eines viel größeren Kampfes um die Zukunft unserer Gesellschaft. Thiel und sein Netzwerk aus Tech-Milliardären und politischen Verbündeten kämpfen nicht nur um Wählerstimmen, sondern um die grundlegende Ausrichtung von Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft.
Thiels Vision einer technologiegetriebenen, libertär-konservativen Zukunft steht im direkten Widerspruch zu progressiveren Visionen, die stärkere Regulierung, höhere Steuern für Superreiche und mehr staatliche Intervention fordern. Sein politisches Engagement ist daher nicht nur taktischer, sondern fundamentaler Natur: Es geht um die Frage, welche Werte und Interessen die Entwicklung neuer Technologien und gesellschaftlicher Strukturen leiten sollen.
In diesem Kampf hat Thiel einen entscheidenden Vorteil: Er denkt langfristig, strategisch und vernetzt. Während viele politische Akteure von Wahlzyklus zu Wahlzyklus denken, plant Thiel in Jahrzehnten. Seine Investitionen in junge Politiker, zukunftsweisende Technologien und alternative gesellschaftliche Modelle zeigen: Hier geht es nicht um kurzfristige Gewinne, sondern um langfristigen Einfluss.
Die Thiel-Doktrin – Was wir von diesem Milliardär lernen können
Unabhängig davon, wie man zu Thiels politischen Ansichten steht, lässt sich aus seiner Karriere und seinem Engagement einiges lernen. Seine Fähigkeit, langfristig zu denken und strategisch zu handeln, ist beeindruckend. Ebenso seine Bereitschaft, gegen den Strom zu schwimmen und unpopuläre Positionen zu vertreten.
Thiel hat einmal gesagt: „Der größte Fehler, den Unternehmer machen, ist, dem Rudel zu folgen.“ Dieses Prinzip wendet er nicht nur auf seine Geschäfte, sondern auch auf sein politisches Engagement an. Während die meisten Silicon-Valley-Eliten progressive Positionen vertreten, positioniert sich Thiel bewusst als konservativer Gegenpol.
Diese Konsequenz und Klarheit in seinen Überzeugungen – unabhängig davon, ob man sie teilt – ist bemerkenswert. Ebenso seine Fähigkeit, verschiedene Einflusssphären (Technologie, Finanzen, Politik, Kultur) miteinander zu verbinden und so Synergien zu schaffen.
Warum das für dich wichtig ist – Der lange Schatten der Milliardäre
Warum sollte dich das alles interessieren, wenn du nicht gerade in der US-Politik oder im Silicon Valley tätig bist? Ganz einfach: Weil Thiels Aktivitäten und die seines Netzwerks direkte Auswirkungen auf die Entwicklung von Technologien, Märkten und Regulierungen haben, die uns alle betreffen.
Die Art und Weise, wie KI entwickelt und reguliert wird, wie Datenschutz gehandhabt wird, wie die Macht großer Technologieunternehmen begrenzt oder ausgebaut wird – all das wird maßgeblich von Menschen wie Thiel beeinflusst. Seine Investments in Palantir, einem Unternehmen, das eng mit Geheimdiensten zusammenarbeitet, werfen Fragen zur Überwachung und zum Datenschutz auf. Seine Unterstützung für Anti-Aging-Forschung könnte die Zukunft der Medizin prägen.
Und nicht zuletzt: Die politischen Kräfte, die Thiel unterstützt, könnten in Zukunft wichtige Entscheidungen über Regulierung, Steuern und internationale Beziehungen treffen, die direkte Auswirkungen auf Unternehmen und Individuen haben.
Der Blick nach vorn – Was bedeutet Thiels Engagement für die Zukunft?
Was können wir aus Thiels bisherigem Engagement für die Zukunft ableiten? Zunächst einmal: Seine Rückkehr auf die politische Bühne deutet darauf hin, dass er die kommenden Wahlen als entscheidend für seine langfristigen Ziele ansieht. Die gezielte Förderung junger, ihm nahestehender Kandidaten zeigt, dass er ein langfristiges politisches Netzwerk aufbauen möchte.
Gleichzeitig diversifiziert Thiel seine Einflusssphären weiter – von Venture Capital über Philanthropie bis hin zu kultureller Einflussnahme. Diese Strategie der breiten Einflussnahme dürfte er in Zukunft weiter ausbauen.
Besonders interessant wird sein Engagement in Bereichen wie KI, Biotechnologie und alternativen gesellschaftlichen Modellen zu beobachten sein. Hier könnten seine Investitionen und sein Einfluss transformative Technologien und Strukturen hervorbringen, die weit über die aktuelle politische Landschaft hinaus Bedeutung haben.
Machtspiele der Superreichen – Was wir daraus lernen sollten
– Verstehe die Netzwerke der Macht: Milliardäre wie Thiel agieren nicht isoliert, sondern in Netzwerken. Wer diese Netzwerke versteht, kann besser einschätzen, wohin sich Technologie, Wirtschaft und Politik entwickeln könnten.
– Denke langfristig und strategisch: Thiels Erfolg basiert auf langfristigem, strategischem Denken. Er investiert heute in Menschen und Ideen, die morgen einflussreich sein könnten. Diese Denkweise lässt sich auf viele Bereiche übertragen.
– Diversifiziere deinen Einfluss: Thiel beschränkt sich nicht auf einen Kanal der Einflussnahme, sondern nutzt ein breites Spektrum – von direkten Investments über Philanthropie bis hin zu kultureller Prägung. Diese Diversifikation maximiert seinen Impact.
Die Frage ist nicht, ob Milliardäre wie Thiel Einfluss haben – die Frage ist, wie transparent dieser Einfluss ist und welchen Zielen er dient. Eine informierte Gesellschaft sollte diese Machtstrukturen verstehen und kritisch hinterfragen können. Denn letztlich geht es nicht nur um einzelne Wahlen oder Investments, sondern um die fundamentale Frage, wer die Zukunft gestaltet – und zu wessen Nutzen.
New Zealand Department of Internal Affairs – Peter Thiel’s application for New Zealand citizenship
Die Weltwoche – Kopf der Woche: Peter Thiel (Florian Schwab)
CNET News – eBay picks up PayPal for $1.5 billion (Margaret Kane)
The Daily Telegraph – The PayPal Mafia: Who are they…?
Bloomberg – Palantir, the War on Terror’s Secret Weapon
Forbes – How a ‚Deviant‘ Philosopher Built Palantir
TechCrunch – Peter Thiel Launches Mithril: A New $402 Million Late-Stage Fund
Reuters – Facebook investment
Reuters via Business Insider – Thiel announces $1.25 million donation for Trump 2016 campaign
The New York Times – Thiel pays $10 million to fund lawsuits against Gawker
Reuters – Thiel calls Google ’seemingly treasonous‘ over China ties
Reuters – Peter Thiel donates $3.5 million for anti-aging research
The New York Times – The For-Profit City That Might Come Crashing Down
CBS News – The billionaire who fueled JD Vance’s rapid rise to the Trump VP spot (Juli 2024)
Fortune – How Peter Thiel’s network of right-wing techies is infiltrating Donald Trump’s White House (August 2023)
The Advocate – Peter Thiel, Gay Republican Billionaire, Won’t Donate to 2024 Candidates (Mai 2023)
Ballotpedia – Peter Thiel (aktualisiert 2025)