Blockchain-Enthusiasten erleben gerade ein faszinierendes soziales Experiment in Echtzeit: Das Weiße Haus hat auf Bluesky einen neuen Rekord aufgestellt – allerdings nicht für Follower, sondern für Blockierungen. In weniger als 48 Stunden nach dem Beitritt zur dezentralisierten Social-Media-Plattform hat der offizielle Account der US-Regierung rund 91.000 Blockierungen gesammelt – bei gerade einmal 10.000 Followern. Ein Phänomen, das tiefe Einblicke in die Dynamik dezentraler Netzwerke und die Macht der Community-gesteuerten Moderation gewährt.
Blitzschneller Aufstieg zur Persona non grata
Der Einstieg des Weißen Hauses in die Bluesky-Welt begann am Freitag, dem 18. Oktober 2025, mit einem provokanten Auftakt: „What’s up, Bluesky? We thought you might’ve missed some of our greatest hits, so we put this together for you.“ Was folgte, war eine Reihe von Posts, die offenbar bewusst auf Provokation ausgelegt waren – darunter bearbeitete Bilder von Hakeem Jeffries mit Sombrero und Angriffe auf die Demokratische Partei wegen des Regierungsstillstands.
Die Reaktion der Bluesky-Community ließ nicht lange auf sich warten. Innerhalb von nur 48 Stunden katapultierte sich der Account auf Platz 2 der meistblockierten Profile der Plattform – nur noch übertroffen vom republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten JD Vance, der seit Juni 2025 mit 166.000 Blockierungen die Spitzenposition hält.
Die Macht der „Nuclear Block“-Kultur auf Bluesky
Was den Fall besonders interessant macht, ist Blueskys einzigartiges Moderationssystem. Anders als auf zentralisierten Plattformen wie X (ehemals Twitter) setzt Bluesky auf das Konzept des „Nuclear Block“ – ein Feature, das Blockierungen effektiver und transparenter macht. Blockierte Posts werden deutlich als solche gekennzeichnet, Blockierungen sind öffentlich sichtbar und über Tools wie ClearSky sogar messbar. Dies ermöglicht eine Community-gesteuerte Moderation, bei der Nutzer nicht nur individuell blockieren, sondern auch kuratierte Blocklisten abonnieren können. Als der Account des Weißen Hauses auftauchte, wurden innerhalb kürzester Zeit spezielle Listen erstellt, die nicht nur den Regierungsaccount selbst, sondern auch alle mit ihm interagierenden Nutzer automatisch blockierten – ein Mechanismus, der die explosionsartige Verbreitung der Blockierungen erklärt.
Die politische DNA von Bluesky als Schlüsselfaktor
Der massive Gegenwind für das Weiße Haus ist kein Zufall, sondern spiegelt die demografische und politische Zusammensetzung der Bluesky-Nutzerschaft wider. Studien der Universität Zürich zeigen, dass über 60% der auf Bluesky geteilten politischen Links von linksliberalen Quellen stammen, während nur 8% rechtsliberalen Ursprungs sind.
Diese politische Schlagseite ist kein Betriebsunfall, sondern das Ergebnis einer gezielten Abwanderung progressiver Nutzer von X nach der Übernahme durch Elon Musk. Während 69% der linksliberalen News-Influencer Bluesky-Accounts besitzen, trifft dies nur auf 15% ihrer konservativen Kollegen zu.
Die Trump-Administration scheint dieses Ungleichgewicht bewusst für eine Provokationsstrategie zu nutzen – nach dem Motto: Wer viel blockiert wird, generiert Aufmerksamkeit und kann sich als „Opfer“ der „Zensur“ inszenieren.
Blocklisten als demokratisches Moderationsinstrument
Besonders faszinierend an diesem Fall ist die Demonstration der Wirksamkeit dezentraler Moderationsansätze. Während auf zentralisierten Plattformen Inhaltsmoderation oft intransparent und inkonsistent erscheint, zeigt Bluesky, wie Communities selbstorganisiert unerwünschte Akteure isolieren können.
Der Komiker Paul F. Tompkins brachte die Stimmung auf den Punkt, als er twitterte: „Es macht seltsamerweise Spaß, das Weiße Haus zu blockieren.“ Ben Collins, CEO von The Onion, kommentierte: „Der Grund, warum sie so hinter dieser Plattform her sind, ist, dass sie die Menschen dort nicht kontrollieren können, und das macht sie wahnsinnig.“
Die Blockchain-Lektion hinter dem Social-Media-Drama
Für die Blockchain- und Web3-Community liefert dieser Vorfall wertvolle Erkenntnisse: Dezentrale Strukturen schaffen Resilienz gegen Manipulation und ermöglichen es Communities, ihre eigenen Regeln zu etablieren. Die Transparenz von Moderationsentscheidungen – in diesem Fall öffentlich einsehbare Blockierungen – schafft Vertrauen und Legitimität.
Gleichzeitig demonstriert der Fall, wie dezentrale Netzwerke natürliche Filterblasen bilden können, die bestimmte politische Ausrichtungen bevorzugen. Für Web3-Projekte stellt sich die Frage, wie sie Diversität fördern können, ohne die Autonomie der Community zu untergraben.
Der Wert echter Community-Governance
Während das Weiße Haus weiterhin um Aufmerksamkeit auf Bluesky kämpft, erreicht die Plattform selbst neue Meilensteine. Mit über 38,5 Millionen registrierten Nutzern im August 2025 und einem stetigen Wachstum demonstriert Bluesky, dass dezentrale Social-Media-Plattformen mehr als nur ein Nischenphänomen sind.
Für Blockchain-Enthusiasten und Web3-Entwickler bietet dieser Fall eine wichtige Lektion: Echte Dezentralisierung bedeutet nicht Anarchie, sondern ermöglicht neue Formen der kollektiven Selbstregulierung – ein Prinzip, das weit über Social Media hinaus für die Zukunft digitaler Ökosysteme entscheidend sein wird.
techcrunch.com – The White House is already one of the most blocked accounts on Bluesky (Anthony Ha)
gizmodo.com – White House Invades Bluesky to Troll, Predictably Gets Mass Blocked
pewresearch.org – Bluesky has caught on with many news influencers, but X remains popular
labhorizons.co.uk – New Study Highlights Bluesky’s Political Leanings and Rapid User Growth