Der Konflikt zwischen Elon Musk und der EU-Kommission erreicht eine neue Eskalationsstufe. Nach einer Rekordstrafe von 120 Millionen Euro gegen die Social-Media-Plattform X folgte die digitale Retourkutsche: Die EU-Kommission kann auf X keine Werbung mehr schalten. Produktchef Nikita Bier verkündete die Sperre mit der Begründung, die Kommission habe gegen Plattform-Regeln verstoßen. Ein Schlagabtausch, der die grundsätzlichen Spannungen zwischen Tech-Giganten und europäischen Regulierern offenlegt.
Die 120-Millionen-Euro-Strafe als Auslöser
Am 5. Dezember 2025 verhängte die EU-Kommission die erste Strafe auf Basis des Digital Services Act (DSA) gegen X. Die Geldbuße von 120 Millionen Euro setzt sich aus drei Hauptvorwürfen zusammen: 45 Millionen Euro für irreführende Verifizierungshäkchen, 40 Millionen Euro für den fehlenden Datenzugang für Forscher und 35 Millionen Euro für mangelnde Transparenz bei Werbeanzeigen.
Die finnische EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen begründete die Maßnahme deutlich: „Die Täuschung von Nutzern mit blauen Häkchen, die Verschleierung von Informationen über Werbung und der Ausschluss von Forschern haben in der EU keinen Platz im Internet.“ Diese erste Entscheidung zur Nichteinhaltung des DSA mache X für die Untergrabung von Nutzerrechten verantwortlich.
X blockiert das Werbekonto der EU-Kommission
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Nur einen Tag nach der Strafe sperrte X das Werbekonto der EU-Kommission. X-Produktchef Nikita Bier lieferte eine bemerkenswerte Begründung: Die Kommission habe sich in ihr „ruhendes Werbekonto eingeloggt, um einen Exploit in unserem Ad Composer auszunutzen“ – mit dem Ziel, einen Link zu posten, „der Nutzer glauben lässt, dass es ein Video ist und um künstlich die Reichweite zu erhöhen“. Seine Schlussfolgerung: „Wie ihr vielleicht wisst, glaubt X, dass jeder eine gleichberechtigte Stimme auf unserer Plattform haben sollte. Es scheint jedoch, dass ihr glaubt, dass die Regeln nicht für euer Konto gelten sollten. Euer Werbekonto wurde gekündigt.“
Musks Frontalangriff auf die europäische Staatengemeinschaft
Elon Musk selbst ging noch einen Schritt weiter und forderte kurzerhand die Abschaffung der EU. „Die EU sollte abgeschafft werden und die Souveränität an die einzelnen Länder zurückgegeben werden, damit die Regierungen ihr Volk besser vertreten können“, schrieb der Tech-Milliardär auf X.
Musks Beitrag erreichte innerhalb von vier Stunden mehr als neun Millionen Leser, wurde 15.000-mal geteilt und 10.000-mal kommentiert. Um die Wirkung zu maximieren, heftete er den Post oben auf seinem Profil an und verstärkte seine Kritik durch weitere Beiträge, in denen er der EU Zensur vorwarf.
Die Reaktionen auf diese Eskalation fielen erwartungsgemäß gespalten aus. Unterstützung erhielt Musk vom ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Letzterer schrieb: „Wenn die Brüsseler Oberherren die Debatte nicht gewinnen können, greifen sie zu Geldstrafen. Europa braucht Meinungsfreiheit, keine nicht gewählten Bürokraten, die entscheiden, was wir lesen oder sagen können.“
Transatlantische Spannungen und die Rolle des Digital Services Act
Die Auseinandersetzung zwischen X und der EU-Kommission ist symptomatisch für einen größeren Konflikt zwischen US-Tech-Unternehmen und europäischen Regulierungsbehörden. Der Digital Services Act, der 2022 in Kraft trat, schafft einen umfassenden Rechtsrahmen für digitale Dienste in der EU und legt besonders strengen Wert auf Transparenz und Rechenschaftspflicht.
Aus der Trump-Regierung kam prompt Unterstützung für Musk: US-Außenminister Marco Rubio bezeichnete die europäische Strafe als „Attacke auf alle amerikanischen Tech-Plattformen und das amerikanische Volk durch ausländische Regierungen“. Diese Reaktion unterstreicht die geopolitische Dimension des Konflikts zwischen Silicon Valley und Brüssel.
Was die digitale Machtprobe für Unternehmen bedeutet
Für international agierende Unternehmen bedeutet dieser Konflikt vor allem eines: Die digitalen Spielregeln werden zunehmend zur Arena geopolitischer Auseinandersetzungen. Während die EU mit dem Digital Services Act klare Leitplanken für Plattformen setzt, demonstriert X, dass auch Tech-Unternehmen Druckmittel haben – etwa durch die Sperrung von Werbekonten.
Die Eskalationsspirale zwischen X und der EU-Kommission zeigt exemplarisch, wie unterschiedlich die Vorstellungen von digitaler Souveränität, Meinungsfreiheit und Plattformverantwortung auf beiden Seiten des Atlantiks sind. Für Unternehmen wird es daher immer wichtiger, diese regulatorischen Unterschiede zu verstehen und in ihre globalen Strategien einzubeziehen.
Eine Frage der digitalen Selbstbestimmung
Der Schlagabtausch zwischen dem wertvollsten Unternehmer der Welt und der mächtigsten Regulierungsbehörde Europas markiert einen Wendepunkt. Er verdeutlicht, dass die Frage, wer die Regeln im digitalen Raum bestimmt, längst zu einer zentralen Machtfrage geworden ist. Während die EU auf verbindliche Regeln und Transparenz pocht, beharrt Musk auf unternehmerischer Freiheit und minimaler Regulierung.
Wer in diesem Kräftemessen die Oberhand behält, wird nicht nur die Zukunft von X in Europa bestimmen, sondern könnte auch richtungsweisend für die gesamte digitale Wirtschaft sein. Die Blockade des EU-Werbekontos ist dabei mehr als nur eine symbolische Geste – sie demonstriert, dass auch Tech-Plattformen Hebel haben, um politischen Druck auszuüben.
taz.de – Transparenzmängel und Irreführung: Brüssel verhängt Millionenstrafe gegen X
Aachener Zeitung – X lässt EU-Kommission keine Anzeigen mehr schalten
Euronews – EU verhängt 120-Millionen-Strafe gegen Elon Musks X
EU-Kommission Deutschland – Gesetz über digitale Dienste: EU-Kommission verhängt Geldbuße in Höhe von 120 Millionen Euro gegen X
Photo by Leon Neal/Getty Images